Die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) hielt am vergangenen Wochenende eine Sitzung ihres Nationalen Politischen Komitees (CPN) ab, um über die Streiks im Oktober gegen die Rentenkürzungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Bilanz zu ziehen und ihren nächsten nationalen Kongress vorzubereiten. Die Erklärung des CPN versuchte die Unterstützung der Partei für den Ausverkauf des Streiks durch die Gewerkschaften und die "linken" Parteien zu verstecken.
Die Niederlage der Streiks im vergangenen Monat und die Umsetzung von zutiefst unpopulären Gesetzen, die eine Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre beinhalteten, war eine direkte Folge der Aktionen der Gewerkschaften. Nachdem sie zuvor Verhandlungen über die Kürzungen mit Sarkozy geführt hatten, sorgten die Gewerkschaften anschließend dafür, dass die Opposition in der Bevölkerung nicht eskalierte, indem sie eine Reihe von Eintages-Protesten organisierten, die jedoch nicht zum Ziel hatten, die politische Autorität Sarkozys zu untergraben.
Als die Polizei den schlagkräftigen Streik der Öl- und Hafenarbeiter zerschlug, wichen die Gewerkschaften zur Seite und weigerten sich, einen Arbeitskampf zur Unterstützung der Streikenden zu mobilisieren. Dies führte zu einem deutlichen Rückgang der Teilnahme der Arbeiter an den Protesten, trotz anhaltender Unterstützung der Streiks gegen die Kürzungen durch die Massen. Die Regierung nutzte die Gelegenheit, indem sie die Gesetze verabschiedete und mit den Gewerkschaften Verhandlungen über weitere Kürzungen aufnahm.
Die NPA versucht nun diese Tatsachen und ihre eigene Rolle dabei zu verheimlichen, indem sie kämpferische Reden hält. "In Frankreich ist das Rentengesetz der erste Schritt zu ungeheuren Sparmaßnahmen“, verkündet die Stellungnahme. "Angesichts der Zerstörung, reagieren wir mit der Mobilisierung! Im Angesicht des Gesetzes gegen die Renten, fordern wir lautstark die Rücknahme des Gesetzes! Angesichts der Verabschiedung des Gesetzes, fordern wir dessen Aufhebung! "
Solche Phrasendrescherei ist völlig wirkungslos. Die NPA hat keine Möglichkeit, ihre Forderung zur Aufhebung des Gesetzes gegenüber Sarkozy durchzusetzen! Die Streiks sind nun auf ein paar wenige militante Betriebe beschränkt, die Sarkozy zu ignorieren beabsichtigt.
Wichtiger ist jedoch, dass die NPA gegenüber einer politischen Kampagne zur Mobilisierung der sozialen Opposition, die sie angeblich vertritt, feindselig gegenübersteht. Die einzige realistische Perspektive für einen erneuten Kampf gegen den Sozialabbau lehnt die NPA jedoch ab: Die von den Gewerkschaften unabhängige Mobilisierung der Arbeiter zum politischen Kampf, um Sarkozy zu stürzen und um eine Arbeiterregierung aufzubauen, die für eine sozialistische Politik kämpft.
Stattdessen zielt die NPA darauf ab, die Autorität der Gewerkschaften und der wirtschaftsfreundlichen "linken" Führungsschichten zu stärken, vor allem der Sozialistischen Partei (Parti Socialiste - PS), die versucht die weitverbreitete Opposition gegen Sarkozy für ihren eigenen Wahlkampf einzuspannen. Während des gesamten Streiks, bestand die NPA auf der Notwendigkeit einer gemeinsamen Kampagne mit der Sozialistischen Partei, einer rechten Partei, die Sparmaßnahmen unterstützt.
Die NPA besteht darauf, dass die Arbeiter, die immer noch streiken, den Streik unter der Führung der Gewerkschaften weiterführen sollen: "Die Verstärkung der Maßnahmen in den Betrieben durch kämpferische Gewerkschaften ist offensichtlich auf der Tagesordnung."
Die NPA bekräftigt ihre Unterstützung für die PS, obwol sie anerkennt, dass die PS die Rentenkürzungen unterstützt: "Die Sozialdemokratische Partei nimmt an Demonstrationen teil und das ist eine gute Sache, aber sie ist in einen unlösbaren Widerspruch verstrickt. Die Position der PS ist nicht grundlegend verschieden von derjenigen der Regierung in der Frage der Renten. "
Tatsächlich ist es keine gute Sache, dass die PS, eine wirtschaftsfreundliche Partei, Demonstrationen besucht und versucht, die Arbeiter und Jugendlichen dort über ihre Absichten zu täuschen. Dies stiftet nur Verwirrung und stumpft das Klassenbewusstsein der Arbeiter ab und es hilft den Gewerkschaften, einen Verrat zu begehen und eine politische Auseinandersetzung zwischen den Arbeitern und Sarkozy zu vermeiden. Die NPA kann diesem nur wegen ihrer eigenen versöhnlichen Haltung gegenüber der kapitalistischen Spar-Politik zustimmen.
Die NPA schließt die Erklärung mit ihren üblichen Forderungen ab. Sie schreibt, dass die aktuelle Lage "ein antikapitalistisches Programm, die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel und finanziellen Ressourcen, die Umverteilung des Reichtums, den Schutz der Ressourcen und einen Bruch mit den bestehenden Institutionen" erfordert.
Der Leser ist sich selbst überlassen zu entscheiden, was dies alles bedeutet. Einerseits ist die Forderung nach öffentlichem, gesellschaftlichem Eigentum an den Banken und der Großindustrie, eine klassische Forderung der sozialistischen Revolution, wie sie von den Marxisten formuliert wird. Wenn diese Forderung jedoch von der NPA erhoben wird, ist dies einfach eine politische Fiktion: Zur gleichen Zeit, während sie diese Forderungen stellt, schlägt die NPA vor, dass die Revolution in einer Allianz mit der Sozialistischen Partei und mit den Gewerkschaften durchgeführt werden könne, die nichts tun, um die Arbeiter gegen Streikbruch durch die Polizei zu verteidigen,
Dies ist in der Tat die Spezialität der NPA: täuschende, pseudo-revolutionäre Worte mit der Verteidigung des politischen Establishments zu vereinigen.
Die NPA hat stets den Standpunkt vertreten, dass die Gewerkschaften die legitime Führung der industriellen Kämpfe der Arbeiter seien. Diese Position versucht sie zu tarnen, indem sie gelegentlich Kritik an der Taktik der Gewerkschaften übt. Unter Bedingungen, in denen die Gewerkschaften die Arbeiterkämpfe isolieren und den Sozialabbau mit dem Staat ausarbeiten, bedeutet dies jedoch die Unterordnung der Arbeiterklasse unter den kapitalistischen Staat.
In einem Artikel vom 11. November erklärt die NPA ihre Haltung zu diesem Thema: "Müssen wir das Politische und das Soziale trennen?" Sie kritisierte die Kommunistische Partei (KPF) für die Verteidigung einer Arbeitsteilung, die angeblich tief in der französischen Arbeiterbewegung verankert ist: "Die Gewerkschaften erhalten die Straßen und sozialen Proteste, während die Parteien sich mit den Wahlen und den politischen Institutionen befassen. Dies ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig."
Die NPA stellt diese Aufteilung nur deshalb in Frage, um sie ein paar Zeilen später wieder zu bekräftigen: "Die gewerkschaftliche Unabhängigkeit ist ein entscheidendes soziales Recht, das nicht in Frage gestellt werden darf - es ist Sache der Gewerkschaften, zu entscheiden, welchen Standpunkt die Gewerkschaft vertreten soll."
Die NPA erklärte ihre Position weniger zweideutig bei einem Treffen mit der Gewerkschaft CGT im letzten Jahr, bei dem sie der CGT versicherte, dass sie ihre milde Kritik an der CGT bezüglich der Isolation des letztjährigen Auto-Streiks aufgeben werde.
In einer Pressemitteilung zum Treffen zwischen der NPA und der CGT, vom 2. Oktober 2009 erklärte sie: "Die NPA bekräftigt, dass es nicht ihr Ziel ist, sich als Konkurrenz zu den Gewerkschaften aufzustellen, obschon sie, als politische Organisation mit einem Ziel, eigene Ansichten zu den sofortigen Maßnahmen verfügt, um auf Angriffe von Seiten des Wirtschaftsverbandes MEDEF und der Regierung reagieren zu können." Sie fügte hinzu: " Das Prinzip der gewerkschaftlichen Autonomie bei der Verteidigung der Arbeiter wird von der NPA nicht in Frage gestellt."
Solche Aussagen verraten nicht nur die grundsätzlich feindliche Klassen-Position der NPA gegenüber den Arbeitern, die gegen Sarkozys Sparmaßnahmen streiken, sondern auch gegenüber dem Erbe des Trotzkismus. Die Vorgängerpartei der NPA, die Revolutionäre Kommunistische Liga (Ligue Communiste Révolutionaire - LCR), war dem Namen nach eine trotzkistische Organisation. Allerdings gründete sie die NPA, um sich von dem Erbe Trotzkis und des revolutionären Marxismus zu distanzieren.
Das überlieferte Dokument der Vereinbarung über die Trennung der Arbeit von Parteien und Gewerkschaften in der französischen Gewerkschaftsbewegung ist die Charta von Amiens, die auf dem Kongress der CGT im Jahre 1906 angenommen wurde. Zu dieser Zeit bestand die CGT aus Revolutionären, die den parlamentarischen Opportunisten in der Sozialistischen Partei feindlich gesinnt waren. Die Charta forderte den "Kampf für eine globale Transformation der Gesellschaft in völliger Unabhängigkeit von politischen Parteien und vom Staat."
Trotzki kritisierte diejenigen, die sich weigerten, ihre Meinung über die Amiens Charta von 1906 nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der Eroberung der Macht durch die Arbeiter in Russland in der Revolution von 1917 zu ändern. Er bestand darauf, dass diese Ereignisse die Notwendigkeit revolutionärer proletarischer Parteien zeigten, die in der ganzen Welt um die Staatsmacht kämpfen.
In dem im Jahre 1923 geschriebenen Dokument "Die grundsätzlichen Fehler des Syndikalismus", das er geschrieben hatte, um die unter dem Einfluss des Anarchosyndikalismus stehenden Kämpfer innerhalb der Arbeiterklasse zu gewinnen, sagte Trotzki: "Mit Ausnahme eines Landes [der UdSSR], ist die Staatsmacht in der ganzen Welt in den Händen der Bourgeoisie. In diesem Sachverhalt, und nur in diesem, liegt die Gefahr der Staatsmacht, aus der Sicht des Proletariats. Die historische Aufgabe des Proletariats liegt darin, dieses mächtigste Instrument der Unterdrückung den Händen der Bourgeoisie zu entreißen. "
Vieles hat sich seitdem natürlich verändert; eine politische Kluft trennt die Anarcho-Syndikalisten der 1920er Jahre, die Klassenkämpfer waren, von Leuten wie der NPA, die heute stillschweigend staatlichen Streikbruch billigen. Doch die Argumente, die Trotzki vorbrachte, um die Anarcho-Syndikalisten für den Marxismus zu gewinnen, lesen sich als Verurteilung der Methoden der politischen Scharlatane von heute. Die Behauptung der NPA, die Kämpfe der Arbeiter gegen den Kapitalismus zu unterstützen, ist ein Betrug.
