ISSE und PSG:

Erfolgreiche Veranstaltungen zur Verteidigung von Julian Assange und WikiLeaks

„Freiheit für Julian Assange!“ und „Hände weg von WikiLeaks!“ stand auf den Plakaten und Handzetteln, mit denen die International Students for Social Equality (ISSE) und die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) zu Veranstaltungen in Berlin und Bielefeld aufriefen. Beide Veranstaltungen waren gut besucht. In Berlin drängten sich fast hundert vorwiegend Studierende in den Hörsaal der Technischen Universität.

Auf beiden Veranstaltungen führten die einleitenden Vorträge zu lebhaften Diskussionen.

In Berlin eröffnet Christoph Dreier (Mitglied der Bundesleitung der ISSE) die Versammlung mit den Worten: „Die Attacken auf WikiLeaks und die Verhaftung des Initiators der Enthüllungsplattform Julian Assange sind die heftigsten Angriffe auf demokratische Rechte seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Die Angriffe auf WikiLeaks und Assange zielen auf elementare demokratische Grundrechte: das Recht auf Meinungsfreiheit und die Informationsfreiheit.“

Christoph Dreier spricht an der Berliner TU Christoph Dreier spricht an der Berliner TU

Dreier machte auf den Widerspruch in den Aussagen vieler Politiker und Medienkommentare aufmerksam. Sie behaupteten, die WikiLeaks-Enthüllungen beinhalteten „im Grunde nichts Neues“, während gleichzeitig von allen Seiten – Regierungen, Parteien, Justiz, Strafverfolgungsbehörden und dem Großteil der Medien – ein wahres Trommelfeuer gegen WikiLeaks und Assange gerichtet werde.

Diese Großoffensive gegen WikiLeaks stehe in direktem Zusammenhang zu den brisanten Inhalten der Enthüllungen, betonte Dreier und fasste die wichtigsten Fakten zusammen: „Etwa dass die amerikanische Regierung in Zusammenarbeit mit Australien auch militärische Auseinandersetzungen mit China in Betracht zieht, oder dass Großkonzernen wie Shell ganze Staaten in Afrika, wie Nigeria kontrollieren, oder dass mehrere arabischen Regimes, mit denen die amerikanische Regierung enge Beziehungen unterhält, auf einen Krieg gegen den Iran gedrängt haben.“

Die große Aggressivität mit der gegen WikiLeaks vorgegangen werde, müsse aber auch im Zusammenhang mit der rapiden Verschärfung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise gesehen werden. Nachdem alle Regierungen der internationalen Finanzaristokratie hunderte Milliarden Euros und Dollars zur Verfügung gestellt hätten, um deren Profite zu sichern, werde nun das Geld durch drastische Sparprogramme aus der arbeitenden Bevölkerung herausgepresst.

„Solche Angriffe auf die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind mit demokratischen Rechten nicht vereinbar. Die wachsende soziale Ungleichheit verträgt sich nicht mit Demokratie“, erklärte Dreier.

Er schilderte die massiven Angriffe auf streikende Arbeiter am Beispiel der griechischen Lastwagenfahrer im vergangenen Frühjahr, des massiven Polizeieinsatzes gegen streikende französische Raffineriearbeiter und der Situation in Spanien, wo die Fluglotsen, die sich gegen das Spardiktat der Regierung und die Halbierung ihrer Löhne wehrten, mithilfe der Armee gewaltsam zurück an die Arbeit gezwungen wurden. „Die sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident Zapatero hat in Spanien den Notstand ausgerufen, um die Arbeiter mit Waffengewalt zurück an die Arbeit zu zwingen.“

In allen Ländern würden solche diktatorische Maßnahmen vorbereitet und angewandt, sobald die Arbeiterklasse die Kontrolle der Gewerkschaften durchbreche und eigenständige Arbeitskämpfe führe. Deshalb sei die Verteidigung von WikiLeaks so wichtig. Diese Verteidigung demokratischer Rechte müsse in direktem Zusammenhang mit der politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse verstanden werden, so Dreier.

Der Vorsitzende der PSG (Partei für Soziale Gleichheit), Ulrich Rippert, knüpfte an diese Einleitung an. Es sei zu begrüßen, dass viele dem Aufruf zur Verteidigung von WikiLeaks und Julian Assange gefolgt seien. „Doch Protest alleine reicht nicht“, betonte Rippert. „Wir erleben gegenwärtig, mit welcher Aggressivität die herrschende Finanzaristokratie, ihre Regierungen, ihre Justiz und ihre Medien zurückschlagen, wenn sie sich herausgefordert fühlen.“ Die Verteidigung von WikiLeaks und des freien Informationsaustauschs müsse in größerem gesellschaftliche Zusammenhang betrachtet werden.

Wie in der Naturwissenschaft gälten auch in der Politik Gesetzmäßigkeiten, erklärter Rippert. Die hemmungslose Bereicherung an der Spitze der Gesellschaft und die systematische Verarmung der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung führten unvermeidbar zu großen gesellschaftlichen Konflikten. Der Inhalt der WikiLeaks-Enthüllungen mache deutlich, in welcher Offenheit Vertreter der amerikanischen und anderer Regierungen über militärische Abenteuer und Krieg sprächen.

Der Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten, wie auch der Kampf gegen Krieg und Militarismus erfordere ein politisches Programm und eine Partei, die dem wachsenden Widerstand von unten eine klare politische Orientierung gebe.

Ein solches Programm müsse zwei Grundsätze vereinen. Es müsse sich gegen den Kapitalismus richten und daher sozialistisch sein, denn die wachsenden Probleme könnten nicht im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft durch Reformen gelöst werden. Und es müsse international sein, da kein Problem im nationalen Rahmen gelöst werden könne. Darüber hinaus müsse sich dieses Programm auf die historischen Lehren des vergangenen Jahrhunderts stützen, das von Kriegen, Bürgerkriegen und Revolutionen geprägt war.

In Bielefeld sprach PSG-Vorstandsmitglied Dietmar Henning. Er hob hervor, welche Verbrechen und weit reichenden Kriegsvorbereitungen der imperialistischen Mächte, insbesondere der USA, durch die bislang veröffentlichten geheimen Botschaftsdepeschen bekannt geworden seien. Dann ging er auf die Reaktion des Establishments in Politik und Medien ein, das den Enthüllungen überwiegend feindselig begegne, und stellte sie in einen Zusammenhang mit dem Niedergang der Demokratie in den USA und vielen anderen Ländern, die sich einst eines freiheitlichen, demokratischen Systems gerühmt hätten.

Auch Henning erläuterte den direkten Zusammenhang zwischen den Angriffen auf WikiLeaks und der wachsenden sozialen Ungleichheit, den scharfen sozialen Angriffen auf die Bevölkerung im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie den Kriegsvorbereitungen und militärischen Abenteuern.

In den anschließenden Diskussionen standen vor allem zwei Fragen im Zentrum. Zum einen wurde die Notwendigkeit einer neuen Partei in Zweifel gezogen. WikiLeaks habe gerade deshalb großen Einfluss und große Wirkung erreicht, weil sich ihre Organisatoren nicht als Partei, sondern als offene Internetplattform darstellten. Auch die bisherige Verteidigung und Unterstützung für Julian Assange habe nicht durch Parteien, sondern durch Internet-Netzwerke stattgefunden.

Außerdem müssten sich Parteien immer in der einen oder anderen Art und Weise im bestehenden Rahmen der kapitalistischen Gesellschaft bewegen und sich daher anpassen.

Darauf antworteten die Referenten und andere Redner, dass WikiLeaks viele wichtige Dinge aufgedeckt habe. Dieses Offenlegen von Dokumenten und Gesprächsprotokollen sei wichtig und mache deutlich, wie weit fortgeschritten die Angriffe auf die Demokratie, die Vorbereitungen auf einen Polizeistaat und die Kriegsentwicklung bereits seien. Doch das Aufdecken der gesellschaftlichen Probleme dürfe nicht mit deren Lösung gleichgesetzt werden.

Sonst hoffe man, dass es genüge, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, um die herrschende Elite zur Einsicht zu bringen. Ebenso wie eine ärztliche Diagnose nicht mit einer erfolgreichen Operation gleichgesetzt werden könne, sei die Offenlegung von Dokumenten nur ein erster Schritt. Die Lösung der gesellschaftlichen Probleme erfordere aber das politische Eingreifen der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, und das sei ohne politisches Programm und Partei nicht möglich.

Es sei falsch, aus der Not, dass keine der bestehenden Parteien auch nur ansatzweise die Interessen der Bevölkerung vertrete, eine Tugend zu machen und zu behaupten, eine Partei sei nicht erforderlich, um in die politische Entwicklung einzugreifen.

Auch sei es falsch, Parteien abzulehnen, weil frühere Parteien der Arbeiterbewegung opportunistisch degeneriert seien. Vielmehr sei es notwendig, die konkreten Ursachen der vergangenen opportunistischen Anpassung zu studieren und daraus Lehren und Schlussfolgerungen für den Aufbau einer prinzipiellen revolutionären Partei zu ziehen.

Eine zweite Frage, die in der Diskussion breiten Raum einnahm, drehte sich um die konkrete Verteidigung von Julian Assange und WikiLeaks. Dabei wurde betont, dass es kein Zufall sei, dass die World Socialist Web Site, wie auch die ISSE und die PSG an der Spitze der Verteidigung von WikiLeaks stehen. Die prinzipielle Verteidigung der Meinungsfreiheit und aller demokratischen Rechte sei eine grundsätzliche Frage unseres Programms.

Auf beiden Veranstaltungen wurde beschlossen, die Diskussion über weitere praktische und politische Schritte auf kommenden Veranstaltungen fortzusetzen. Die ISSE-Gruppe an der Uni Bielefeld lädt dazu zu ihrem nächsten Treffen im neuen Jahr ein, das am 12. Januar ab 16.30 stattfindet. Da noch kein Raum zugeteilt wurde, treffen sich die Interessierten zunächst vor Hörsaal 10. Weitere Veranstaltungen werden auf der WSWS bekannt gegeben.

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