Französische Kommunalwahlen: Stimmenzugewinne für die Neofaschisten bei gleichzeitiger Massenenthaltung

Die zweite Runde der Wahlen in Frankreich am 27. März, in der die Regionalräte gewählt werden, bestätigte die weit verbreitete Ablehnung der herrschenden Union für eine Volksmehrheit (UMP) von Präsident Nicolas Sarkozy. Da niemand die Arbeiterklasse gegen die Politik Sarkozys mobilisierte, waren die Wahlen vor allem durch massenhafte Stimmenthaltung und die wachsende Bedeutung der neofaschistischen Nationalen Front (FN) gekennzeichnet.

Der Wahlkampf warf ein Schlaglicht auf die Sklerose des politischen Establishments und seine Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen der Arbeiterklasse. Obwohl Sarkozy am 19. März, einen Tag vor der ersten Runde der Kommunalwahl, einen Aggressionskrieg gegen Libyen begann und obwohl es eine tief sitzende Opposition gegen Sarkozys Sozialabbau gibt, wurden diese Fragen in der Wahlkampagne nicht angesprochen.

55,2 Prozent der Wahlberechtigten enthielten sich und 7,1 Prozent, so viele wie noch nie, machten ihren Wahlzettel ungültig.

Bei den Regionalräten in Frankreichs 104 Departements gab es nur bei vieren einen politischen Wechsel: Jura, Insel Réunion und Pyrénées-Atlantiques gingen an die Sozialistische Partei (PS) und Val d’Oise an die UMP. In zwei Departements, Loire und Savoy, werden die Verhandlungen zur Bildung einer Mehrheit im Regionalrat wahrscheinlich nicht vor Donnerstag beendet sein.

Die bürgerlichen „linken“ Kandidaten kamen auf eine knappe Mehrheit der Stimmen (50,2 Prozent); die Sozialistische Partei (PS), die Kommunistische Partei (KPF) und die Kandidaten diverser kleiner Parteien oder parteilose Kandidaten errangen dabei 1213 Regionalratssitze.

Die Rolle der kleinbürgerlichen „weit links“ stehenden Parteien wie der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) von Olivier Besancenot, bestand darin, zur Unterstützung der PS und ihrer Anhängsel aufzurufen. Sie stellten Kandidaten für mehrere Hundert Sitze auf, erreichten aber nicht die zweite Runde, in der sie landesweit nur 273 Stimmen erhielten. Die NPA rief dazu auf, in der zweiten Runde in allen Wahlbezirken, in denen die PS gegen einen Kandidaten der FN antrat, für die PS zu stimmen

Die UMP, kleinere Parteien auf dem rechten Flügel und parteilose, rechte Kandidaten erhielten 35,6 Prozent der Stimmen und 753 Regionalratssitze.

Der Sieg der PS war vor allem dem Fehlen eines wirklichen Gegners geschuldet, da ihre Politik sich nicht merklich von derjenigen der UMP unterscheidet. Die Generalsekretärin der Partei, Martine Aubry, erklärte, sie werde nicht gegen Dominique Strauss-Kahn –prominentes PS-Mitglied und Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) – antreten, sollte er zurückkehren und für das Amt des Präsidenten kandidieren.

Strauss-Kahn, Banker und ehemaliger Unternehmensberater sowie politisches Schwergewicht in der PS, hat entscheidend bei der zwangsweisen Durchsetzung der verheerenden Sparpolitik in Litauen, Ungarn, Griechenland, Rumänien und Irland nach der globalen Wirtschaftskrise mitgearbeitet.

Das wichtigste politische Phänomen der Wahlkampagne war die wachsende Beliebtheit der FN. Sie errang nur zwei Regionalratssitze – zuvor hatte sie keine – obwohl sie gehofft hatte, mehrere Dutzend zu erobern. Sie verbesserte ihr Abstimmungsergebnis aber von 621.837 in der ersten Runde auf 915.506 Stimmen in der zweiten Runde der Kommunalwahlen. Das waren insgesamt 35,5 Prozent der Stimmen in den Bezirken, in denen sie mit Kandidaten antrat, aber nur 11 Prozent landesweit.

Die Führerin der FN, Marine Le Pen, wurde seit ihrer Wahl zur Präsidentin der FN im Januar, weithin als akzeptableres Aushängeschild ihrer Partei dargestellt als der frühere Führer, ihr Vater Jean-Marie Le Pen. Das Massenblatt Le Parisien brachte in seiner Berichterstattung über die Regionalwahlen auf seinem Titelblatt ein Bild von Marine Le Pen und die Überschrift: „Sie macht sich breit.“

Eine Umfrage der BVA im Auftrag von France Info und der Finanzzeitschrift Les Echos vom 28. März erbrachte eine wachsende Unterstützung für die FN nach den Regionalwahlen. Zum ersten Mal war eine Mehrheit (52 Prozent) der französischen Bevölkerung der Meinung, dass die FN als eine „Partei wie die anderen“ betrachtet werden sollte, gegenüber 47 Prozent, die dem nicht zustimmten. Letztes Jahr ging die Abstimmung in der Bevölkerung mit 57 zu 42 Prozent in die andere Richtung aus.

Da Sarkozy umfassenden Sozialabbau durchsetzt, ohne dass die Gewerkschaften und ihre Anhänger bei den „weit links“ stehenden Parteien eine wirksame Opposition dagegen entwickeln, unterstützen immer mehr Wähler ethnische Diskriminierung, um ihren Anteil an den Sozialausgaben zu verteidigen. Die Umfrage fand heraus, dass 40 Prozent der Bevölkerung dafür ist, den Familiennachzug von Zuwanderern zu verhindern und ihnen Sozialleistungen zu verweigern.

Eine Umfrage vom 25.-26. Mai, dem Tag der Wahlen, ergab, dass Sarkozy in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen von 2012 ausscheiden würde, wenn sie heute stattfänden; das würde zu einer Stichwahl zwischen Marine Le Pen und dem Kandidaten der PS führen.

Die Aufmerksamkeit der Medien richtet sich auf die erbitterten Debatten, die die UMP erschüttern. Dabei geht es speziell um die Politik, mit der man versucht, die FN-Wählerschaft durch rassistische Politik anzusprechen, in der Hoffnung, beim Präsidentschaftswahlkampf wettbewerbsfähig zu bleiben. Es wird immer öfter über die Möglichkeit einer Spaltung der UMP diskutiert, wobei bestimmte „zentristische“ Teile sich mit der PS zusammenschließen und andere weiterhin auf die FN abzielen würden.

Teile der UMP versuchen, sich von Sarkozy zu distanzieren. Ex-Premierminister Dominique de Villepin beanstandete, dass Sarkozy nicht „auf dem Terrain“ der FN hätte „wildern“ sollen. Jean-Louis Borloo erklärte, es sei „problematisch, nach rechts zu gehen“. Er fügte jedoch hinzu: „Die Legitimität des Präsidenten der Republik steht nicht in Frage.“

Es gab öffentlichen Streit zwischen Premierminister François Fillon und dem UMP-Führer Jean-François Copé wegen Fillons Empfehlung an die Wähler, bei Stichwahlen zwischen der PS und der FN für die PS zu stimmen, und über den Kommentar von Fillon, er fühle sich „sehr unbehaglich“ angesichts Sarkozys „Debatte über den Säkularismus“.

Le Monde machte Sarkozy für das Auftauchen von Rassismus in der offiziellen französischen Politik verantwortlich und schrieb: „Die Niederlage der UMP in den Kommunalwahlen ... ist die Folge der Strategie, die im Elysee-Palast (Präsidentenpalast) beschlossen wurde“. Diese Strategie, stellte sie fest, „besteht darin, die FN-Wählerschaft zu erobern, indem man ihre Lieblingsthemen legitimiert: Recht und Ordnung, Einwanderung, Islam, während die neofaschistische Partei versucht hat, eine feindliche Übernahme der nationalistischen Rechten zu organisieren, indem sie die Betonung auf die Republik und die Nation legte. Bei dieser Doppelbewegung hat die FN Stellungen gewonnen, während Sarkozy sie verloren hat.“

Es ist zweifellos richtig, dass der immer rechtere Charakter der Berufung auf die Republik und den Säkularismus eine wichtige Rolle dabei gespielt hat, die FN zu stärken und es Marine Le Pen ermöglicht hat, während der Wahlkampagne als Verteidigerin des „Säkularismus“ und der „republikanischen Werte“ aufzutreten. Aber das weist nur auf die Komplizenschaft des gesamten politischen Establishments hin, darunter vor allem auf den Bankrott der bürgerlichen „linken“ Parteien.

Wenn Sarkozy in der Lage war, eine ultra-rechte Kampagne in Gang zusetzen – mit anti-moslemischen „Säkularismus“-Maßnahmen, dem Verbot der Burka und der Diskussionen über nationale Identität – dann war der Grund dafür in der Tat vor allem, dass es keine Opposition von der PS, der KPF oder den „weit links“ stehenden Parteien gab. Tatsächlich hat der KPF-Abgeordnete André Gerin, an der Kampagne zum Verbot der Burka mitgearbeitet, die mit unterschiedlicher Begeisterung von allen so genannten der Parteien der „äußersten Linken“ unterstützt wurde.

Die wachsende Unterstützung für die FN kommt daher, dass sie von breiten Schichten der Bevölkerung als die Opposition gegen das politische System und die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage gesehen wird. Dies ist eine vernichtende Anklage gegen die Parteien auf der „äußersten Linken“, die jetzt allgemein und zurecht als Organisationen gesehen werden, die nicht kämpfen werden und politisch an die PS – eine Partei, die für die Sparprogramme und für die Konzerne eintritt – gebunden sind.

Sie haben auch die humanitären Rechtfertigungen der französischen Regierung für ihren Aggressionskrieg gegen Libyen übernommen.

Diese Parteien haben sklavisch die Gewerkschaften unterstützt, die jede bedeutende Oppositionsbewegung der Arbeiterklasse gegen die Sparpolitik ausverkauft haben. So griff die NPA während des Ölstreiks im letzten Sommer die Forderung der CGT auf, es solle nur „symbolischen“ Widerstand gegen den Streikbruch durch die Polizei geben.

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