USA und Nato-Verbündete: Wettlauf um Libyens Öl

Eine US-Delegation traf in der ostlibyschen Stadt Bengasi zu Gesprächen mit dem Nationalen Übergangsrat (TNC) ein, dem politischen Arm der sogenannten Rebellen, die gegen das Regime von Oberst Muammar Gaddafi kämpfen.

Der Besuch folgte der Ankündigung der italienischen Regierung vom Montag, den Rat in Bengasi als einzig legitime Regierung Libyens anzuerkennen. Italien ist erst das dritte Land, das diesen Schritt unternimmt, nachdem der TNC von Frankreich und dem ölreichen Emirat Katar am Persischen Golf anerkannt wurde.

Bei der Verkündung der Anerkennung sagte der italienische Außenminister Franco Frattini, dass Paolo Scaroni, der Chef des italienischen Öl- und Gaskonzerns ENI zwei Tage zuvor zu Gesprächen mit dem TNC in Bengasi gewesen sei. Das Außenministerium berichtigte ihn später dahingehend, dass Scaroni per Telefon mit der Führung des Rates in Bengasi konferiert hätte.

Der Ölboss, sagte Frattini, “hatte Kontakt mit dem libyschen Übergangsrat, um die Kooperation im Energiesektor wieder aufzunehmen und die Zusammenarbeit mit Italien auf dem Ölsektor wieder in Gang zu bringen.“

Bevor die USA, Frankreich und Großbritannien ihre Raketen- und Bombenangriffe auf Libyen starteten, hatte Scaroni letzten Monat wirtschaftliche Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime als „Schuss ins eigene Knie“ verspottet und den Wunsch der ENI betont, seine Operationen in dem nordafrikanischen Land wieder aufzunehmen, „egal, was für ein politisches System dort in Zukunft herrscht.“ Der Konzern, der seit 1955 in Libyen aktiv ist, ist der wichtigste ausländische Ölförderer und der größte Investor des Landes. Er hat 2007 mit der libyschen Regierung einen Vertrag über 28 Milliarden US-Dollar abgeschlossen, der ihm Förderrechte bis in das Jahr 2042 sichert.

ENI steht der italienischen Regierung außergewöhnlich nahe. Seine Kontaktaufnahme mit den „Rebellen“ bedeutet vermutlich nichts anderes, als dass die Firma sich nach allen Seiten absichert. Andererseits könnte sie auf Insider-Informationen zu reagieren, dass USA und Nato Pläne hegen, den Krieg auszuweiten oder Libyen praktisch zu teilen, wobei die östlichen Ölfelder und Förderanlagen unter die nominelle Kontrolle des TNC fallen würden.

Die Anerkennung durch Italien und die Forcierung der Kontakte der ENI zum Rat in Bengasi geschahen einen Tag, bevor ein unter liberianischer Flagge registrierter Öltanker, der einem griechischen Schiffskonglomerat gehört, im libyschen Ölexporthafen von Marsa el-Hariga in der Nähe von Tobruk festmachte

Der Tanker mit Namen “The Equator” fasst eine Million Barrel Rohöl, die auf dem Weltmarkt für mehr als 100 Millionen US-Dollar verkauft werden könnten. Das wäre ist der erste Ölexport aus Libyen, seitdem das Land vor sechs Wochen in einen Bürgerkrieg gestürzt wurde. Die griechische Reederei, die das Öl verschifft, hat sich geweigert bekanntzugeben, wer dafür bezahlt oder wohin die Lieferung geht.

Wie berichtet wird, befinden sich in dem Terminal, das der Arab Gulf Oil Corporation (AGOCO), einer Unterfirma der libyschen National Oil Corporation, gehört, mehr als drei Millionen Barrel Rohöl. Der TNC hat behauptet, dass AGOCOs Felder im Osten bis zu 120.000 Barrel pro Tag produzierten, in etwa ein Drittel des Ausstoßes, bevor der Bürgerkrieg ausbrach. Libyen als Ganzes produzierte 1,6 Millionen Barrel pro Tag und exportierte vor den Kämpfen 1,3 Millionen.

Energiespezialisten sehen diese Aussagen mit großer Skepsis. Wie der Geschäftsinformationsdienst IHS bemerkte, hat „der Exodus ausländischer Facharbeiter wie auch der meisten libyschen Arbeiter dazu geführt, dass die Produktion auf den AGOCO-Feldern wie auf allen Feldern in Libyen, praktisch bei null angekommen ist.“. Die Arbeiter haben die oft abseits gelegenen Wüstenölfelder verlassen, um nicht in Kämpfe verwickelt zu werden oder zurückzubleiben, wenn die Versorgungskette von Wasser und Nahrung zusammenbricht.

Nichtsdestoweniger hat der Rat von Bengasi seine Absicht verkündet, alles Öl zu verkaufen, das ihm zur Verfügung steht, um seine Operationen zu finanzieren und Waffen zu kaufen, wobei Katar als Mittelsmann einspringt, um das Öl auf dem Weltmarkt anzubieten.

In einem Interview des Wall Street Journal auf Katars Rolle angesprochen, kommentierte Libyens Energieminister Schukri Ghanem bitter: „Statt Einheit und Versöhnung anzustreben, wollen alle an der Plünderung teilhaben.“

Ghanem betonte, dass ein Waffenstillstand Priorität haben sollte und warnte, dass die Fortsetzung der Kämpfe zum “Erwürgen” der libyschen Ölindustrie führen könnte.

Letzte Woche bekräftigte die außenpolitische Sprecherin der Europäischen Union, Catherine Ashton, dass “es ein Ölembargo gegen ganz Libyen gibt.“ Es gelte genauso für die Regionen, die vom Gaddafi-Regime gehalten werde, wie für die, die unter der Kontrolle der bewaffneten Opposition stehen.

Washington nahm die entgegen gesetzte Position ein und betonte, dass die Exporte aus Ostlibyen nur solange nicht erlaubt würden, wie sie in die Taschen der staatseigenen National Oil Corporation flössen.

Der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Libyen, Abdul Ilah al-Khatib, berichtete dem Sicherheitsrat am 4. April, dass der Rat in Bengasi „sich zunehmend wegen Geldermangels sorge, wie auch wegen Problemen, die aus der Vermarktung und dem Verkauf von Öl und Gas in Libyen resultierten.“ Er sagte auch, dass der Rat anfangen wolle, „sich Kredite zu beschaffen, die mit Öl- und Gasverkäufen und (Libyens) eingefrorenen Überseevermögen abgesichert werden“.

Am Dienstag korrigierte die EU ihre Position in Bezug auf die Sanktionen gegen Libyen, wobei ein außenpolitischer Sprecher betonte: “Das Öl- und Gasembargo zielt speziell auf das Gaddafi-Regime ab” und so lange die Gewinne nicht zur Regierung nach Tripolis flössen, “gebe es gegen kommerzielle Öl- und Gasgeschäfte keine Bedenken”.

Die abrupte Wende und die Diskussionen zwischen dem italienischen Ölgiganten ENI und den “Rebellen” legen nahe, was für ein Hauen und Stechen der westlichen Großmächte und Energiekonzerne um die Kontrolle über das libysche Öl im Gang ist.

In genau diesem Zusammenhang muss der Bengasi-Besuch der US-Delegationen – und der französischer und britischer Botschafter zuvor – gesehen werden. Der US-Gesandte Chris Stevens, die frühere Nummer zwei der inzwischen geschlossenen Botschaft in Tripolis, soll unter anderem über „den finanziellen Bedarf des Rates“ beraten und die Frage klären, „wie die internationale Gemeinschaft helfen kann“, sagte ein Regierungsbeamter zu Associated Press. Zweifellos wird derartige „Hilfe“ an lukrative Verträge für die großen amerikanischen Ölkonzerne gebunden sein.

Washington, Paris und London hatten erwartet, dass sie sich durch einen Regime-Wechsel ungehinderte Kontrolle über das libysche Öl sichern könnten und deshalb den Fall Gaddafis forciert. Jedoch hat sich dieses Unterfangen als schwieriger und langwieriger als erwartet herausgestellt.

Die “Rebellen” haben es nicht geschafft, Kräfte zu mobilisieren, die in der Lage wären, die Gaddafi-loyalen Militäreinheiten zu besiegen. Am Mittwoch wurden sie einmal aus Brega vertrieben, dem Standort einer Ölraffinerie und eines Mittelmeerhafens, und das trotz Nato-Luftschlägen am frühen Morgen, die Fahrzeuge der Gaddafi-Kräfte zerstörten. Der panikartige Rückzug der Oppositionskräfte trieb sie wenigstens fünfzehn Meilen nach Osten in Richtung Adschdabija.

Die jüngsten Rückschläge führten zu dem Protest eines Kommandanten der bewaffneten Oppositionskräfte, der sich beklagte, die Nato gewähre zu wenig Schutz aus der Luft. Abdel Fattah Junis, ehemals Gaddafis Innenminister, verurteilte die Nato dafür, dass sie zu langsam bombardiere und warnte: “Entweder die Nato macht ihre Arbeit gründlich oder ich werde den Nationalrat auffordern, die Angelegenheit vor den Sicherheitsrat zu bringen.“

Die Nato wies die Beschwerde zurück und bestand darauf, sie habe nach der Übernahme des Kommandos über die libysche Intervention das gleiche Tempo beibehalten. „Die Geschwindigkeit der Operationen ist seit der Übernahme durch die Nato nicht zurückgegangen“, sagte ein Sprecher der US-geführten Allianz. „Wir haben in den vergangenen sechs Tagen 851 Einsätze geflogen… wir erfüllen unser Mandat.“

Unterdessen sagte Brigadegeneral Mark van Uhm, eine hoher Nato-Stabsoffizier, in Brüssel: “Wir schätzen, dass wir dreißig Prozent der militärischen Kapazitäten Gaddafis vernichtet haben.”

Washington und die Nato behaupten, unter dem Mandat einer UNO-Sicherheitsresolution zu operieren, die „alle notwendigen Maßnahmen“ autorisiert, um Zivilisten zu schützen. Aber van Uhms Äußerung impliziert ganz offensichtlich, dass fortgesetzte Bombardements unternommen werden, um Libyens Militär zu vernichten und die sogenannten Rebellen zu verteidigen.

Dieser Luftkrieg hat sich angesichts der Desorganisation und des Mangels an Einsatzkräften seitens der Opposition aber als unzureichend erwiesen.

Ein Bericht von Al Dschasira aus Libyen enthüllt, dass Undercover-Maßnahmen unternommen werden, um diese Situation zu verändern. Die Zeugenaussage eines Mitgliedes der bewaffneten Opposition anführend, berichtete das Netzwerk, dass Oppositionelle in einer geheimen Einrichtung in Ostlibyen sowohl von US- als auch ägyptischen Spezialeinheiten ausgebildet werden.

Die “Rebellen” sagten auch, dass Waffen bis hin zu brandneuen Panzerabwehrgeschossen über die ägyptische Grenze eingeschleust würden, und zwar in Widerspruch zu einem UN-Waffenembargo.

Der Bericht deckt noch einmal die Lügen der Obama-Administration auf. Der US-Präsident hat dem amerikanischen Volk öffentlich versichert, dass es „keine Stiefel auf libyschem Boden“ geben werde und dass die Bewaffnung von „Rebellen“ bisher weder angeordnet, noch verboten worden sei. Es ist jetzt offensichtlich, dass sowohl das eine, wie auch das andere bereits stattgefunden hat, während Washington seinen räuberischen Feldzug fortsetzt.

Eine Meinungsumfrage vom Dienstag deutete auf eine zunehmende Ablehnung des von der Obama-Administration gegen Libyen geführten Krieges hin. Nur 25 Prozent der Befragten glaubten, dass die Intervention, die bis jetzt schon ausgegebenen fast 600 Millionen US-Dollar wert sei, so die von The Hill ausgegebe Umfrage. Dieselbe Umfrage gab nur 19 Prozent Unterstützung für die Bewaffnung der sogenannten Rebellen an. Eine davon unabhängige Umfrage der Quinnipiac Universität fand heraus, dass 47 Prozent der registrierten Wähler gegen den Krieg sind, verglichen mit 41 Prozent, die ihn unterstützen.

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