Berlin: Protest für bessere Bildung

Die Spitze der Demonstration Die Spitze der Demonstration

Am 9. Juni zogen 5.000 Schüler, Eltern und Lehrer durch die Berliner Innenstadt, um gegen die Kürzungen des Senats im Bildungsbereich zu demonstrieren. Teilnehmer der Demonstration berichteten, welch katastrophale Auswirkungen die massiven Einsparungen und Umstrukturierungen im öffentlichen Schulwesen im Verlauf der letzten zehn Jahre für Schüler und Lehrer hatten.

Eine Gymnasiallehrerin trat für die Wiedereinführung der Entlastung älterer Lehrer ein, die unter dem rot-roten Senat zur Gänze abgeschafft wurde. Sie erzählte, sie fühle sich der stetig wachsenden Belastung im Schulalltag nicht mehr gewachsen und komme sich manchmal vor „wie im Frondienst“. Die Arbeitsbedingungen der Lehrer und die Lernbedingungen der Schüler seien untragbar. Die Klassen seien überfüllt und die Schule müsste eigentlich dringend renoviert werden. Zudem arbeite sie in einem sozialen Brennpunkt, wo die Kinder besonders viel Zuwendung benötigen. Die vorgenommenen Neueinstellungen seien absolut unzureichend und könnten nicht einmal die Langzeitkranken ersetzen.

Eine Kollegin ergänzte, sie führe an ihrer Schule zahlreiche Präventionsgespräche mit Lehrern, die nach langen und ernsthaften Erkrankungen den Wiedereinstieg in den Beruf nicht mehr schaffen. Es sei unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich, als Lehrer zu arbeiten und gleichzeitig seine Gesundheit einigermaßen zu schonen.

Eine Erzieherin an einer Grundschule meinte, es gebe bei ihnen kaum Angebote für die Kinder. Während Kinder inzwischen oft bereits mit fünf Jahren eingeschult würden, böten die Schulen keine entsprechenden Unterhaltungs- und Betreuungsprogramme an. Da es an ihrer Schule viel zu wenige Räume gebe, müssten die Kinder außerdem den gesamten Tag im Klassenraum verbringen, ob sie nun Unterricht oder Freizeit hätten.

Eine Lehrerin von einer Integrierten Gesamtschule kommentierte die Auflösung der Berliner Sonderschulen, die vor allem von physisch und geistig behinderten Kindern besucht wurden. Diese Kinder sollen nun von den Integrierten Gesamtschulen aufgenommen werden. Letztere hätten dafür aber gar nicht die nötigen Kapazitäten, berichtete die Lehrerin. Sie verfügten nicht einmal über die notwendigen Therapieräume. Dies sei „ein Verbrechen an den Kindern“.

An der Demonstration beteiligten sich auch viele Schüler, die ihren Unmut über das neu eingeführte Abitur nach zwölf Jahren (G8) an den Gymnasien Luft machten. Sie erzählten übereinstimmend, sie fühlten sich überlastet. Während die stofflichen Anforderungen gestiegen seien, fehlten den Schulen oft die elementarsten Kapazitäten, um die Schüler zu unterrichten. Ein Gymnasiast berichtete, er habe ein halbes Jahr lang keinen Deutschunterricht gehabt und seine Geschichtslehrer wechselten im Zweimonatstakt.

Schüler auf der Bildungsdemo Schüler auf der Bildungsdemo

Zahlreiche Schüler sprachen sich gegen die Sekundarschulreform aus, die ihrer Meinung nach zu einer Senkung des durchschnittlichen Niveaus führen werde. Ferner bemerkten sie, ihre Lehrer seien häufig pädagogisch nicht hinreichend qualifiziert und viel zu alt.

Diese Einschätzung teilte eine Lehrerin von einer Sekundarschule in Kreuzberg. Ihrer Schule fehle es praktisch an allem, sie habe noch nicht einmal eine richtige Kantine. Vor allem prangerte sie an, dass die Lehrer auf die Reform überhaupt nicht vorbereitet worden seien. Der Senat habe die Entscheidung willkürlich getroffen, und ihre Umsetzung erfolge nun „auf dem Rücken der Lehrer“. Auch sie prangerte die krasse Unterbesetzung der Schulen mit Lehrern an. Im Winter seien 25 Prozent aller Lehrer an ihrer Schule krank gewesen. Ihr Kollege, mit dem sie eine Klasse leite, sei schon seit dem Winter permanent krank, so dass sie seitdem für die Klasse allein verantwortlich sei. Sie erzählte außerdem, dass 90 Prozent ihrer Kollegen über 60 Jahre alt seien.

Die Empörung der Protestierenden über diese ungeheuerlichen Zustände, die allesamt Ergebnisse der systematischen Kürzungspolitik von SPD und Linkspartei sind, war groß. Prominente Forderungen waren ein Ende der Sparmaßnahmen, mehr Gelder für die Bildung statt für die Banken, die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit und Altersentlastung, die Abschaffung des achtjährigen Abiturs, kostenloses Essen an Kantinen, kleinere Klassen und breitflächige Neueinstellungen von Lehrern.

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