Perspektive

Nach der Wahl in Thailand: Eine Warnung an die Arbeiterklasse

Die von Ex-Premier Thaksin Shinawatra unterstützte Puea-Thai-Partei gewann die thailändischen Wahlen am vergangenen Sonntag aus zwei Gründen. Zum einen wegen einer aalglatten populistischen Kampagne, in der sie versprach, den Lebensstandard zu erhöhen. Zum anderen, weil die Bevölkerung immer noch voller Wut an den mörderischen Militäreinsatz vom letzten Jahr denkt, bei dem es in Bangkok unter demonstrierenden Regierungsgegnern 91 Tote gab.

Es wäre eine gefährliche Illusion, davon auszugehen, dass die Puea-Thai-Partei an der Regierung die Interessen der Millionen Armen in Stadt und Land vertreten werde, die sie gewählt haben.

Die zukünftige Administration mit Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra an der Spitze wird nicht weniger skrupellos vorgehen, wenn es darum geht, die Weisungen des Großkapitals durchzusetzen und jeglichen politischen Widerstand zu unterdrücken.

Zweifellos hat der Sieg von Puea Thai große Hoffnungen geweckt, insbesondere in den ländlichen Gebieten des Nordens und des Nordostens, die das Rückgrat der Proteste im vergangenen Jahr bildeten und jetzt für den Wahlsieg gesorgt haben.

Yingluck Shinawatra hatte für jeden ein Versprechen: kräftige Lohnerhöhungen für Arbeiter, garantierte Reispreise für die Bauern, Computer für Studenten und eine Begrenzung der stark steigenden Preise für Grundgüter wie Lebensmittel und Transport.

Das Wahlergebnis bedeutet eine Absage an die traditionellen Eliten – das Militär, die Monarchie und die Staatsbürokratie – die Thaksin 2006 mit einem Putsch aus dem Amt getrieben haben. Sie haben zwei Thaksin-freundliche Regierung abgesetzt und im Jahr 2008 die Regierung der Demokratischen Partei eingesetzt.

Die Proteste gegen die Regierung gingen letztes Jahr schnell über die Forderung der Führer der sogenannten “Rothemden” nach sofortigen Wahlen hinaus. Sie zeigten mit einem Schlag den tiefen sozialen Graben zwischen Reich und Arm im Land.

Puea Thai ist jedoch eine kapitalistische Partei, die die Interessen einer Abweichler-Fraktion der thailändischen herrschenden Klasse repräsentiert. Als Thaksin noch an der Macht war, verschreckte er die traditionellen Eliten des Landes, indem er ausländische Investitionen begünstigte und gegen alte Seilschaften, Vetternwirtschaft und Korruption vorging, um sein eigenes, riesiges Geschäftsimperium zu fördern.

Er machte den Armen auf dem Land begrenzte Zugeständnisse und gewann dadurch unter ihnen ein gewisses Gehör. Diese soziale Basis hat er bei den internen Fraktionskämpfen der letzten fünf Jahre systematisch ausgeschlachtet.

Wenn es darum geht, Thaksin als Freund der Armen hinzustellen, fällt die Schlüsselrolle jener Schicht ehemals radikaler Studenten zu, die sich in den politischen Unruhen der 1970er Jahre der Kommunistischen Partei Thailands und ihrer maoistischen Guerilla-Kriegsführung angeschlossen hatten. Die KP Thailands besteht heute nicht mehr.

Viele kehrten später desillusioniert nach Bangkok zurück, und einige wurden von Thaksin angeheuert oder für seine Partei rekrutiert. Sie arbeiteten am Programm der Partei für die ländliche Bevölkerung mit, das viel zum Wahlerfolg von 2001 beitrug.

Andere Pseudo-Linke wie Universitätsprofessor Giles Ji Ungpakorn, halten Abstand zu Puea Thai, unterstützen aber die Partei und die angeschlossene „Rothemden“-Bewegung, die sie schamlos als einzige Alternative zu den Demokraten und dem Militär hinstellen.

Vor der Wahl am Sonntag erklärte Ungpakorn in einem Artikel, Sozialisten in Thailand hätten „keine andere Möglichkeit, als zur Wahl der Puea Thai aufzurufen“, auch wenn es sich bei ihr um eine „durch und durch kapitalistische Partei“ handle.

In einem geradezu klassischen Fall von Opportunismus argumentierte Ungpakorn, dass Sozialisten zwar normalerweise keine kapitalistischen Parteien unterstützten, in der gegenwärtigen thailändischen Wahl aber eine Ausnahme machen müssten. Man habe, so erklärte er, „einzig und allein die Wahl zwischen den Kräften der Diktatur und der Unterdrückung und einer Partei, die die demokratischen Hoffnungen von Millionen verkörpert“.

Ungpakorns Erklärung, die auf mehreren pseudo-radikalen Websites unkritisch veröffentlicht wurde, dient nur dazu, Illusionen in Puea Thai zu schüren und jegliche unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse und echte sozialistische Perspektive zu verhindern.

Die strategischen Erfahrungen, welche die Arbeiterklasse im gesamten letzten Jahrhundert gemacht hat, bestätigen immer wieder die fundamentalen Elemente von Leo Trotzkis “Theorie der Permanenten Revolution”:

Erstens ist in Ländern mit verspäteter kapitalistischer Entwicklung wie Thailand kein einziger Teil der Bourgeoisie in der Lage, die Bedürfnisse und Hoffnungen der arbeitenden Bevölkerung zu erfüllen.

Zweitens ist die Bauernschaft trotz ihrer Größe nicht in der Lage, eine unabhängige politische Rolle zu spielen. Sie wird unvermeidlich entweder der Bourgeoisie oder dem städtischen Proletariat folgen.

Und drittens ist die Arbeiterklasse die einzige soziale Kraft, die in der Lage ist, das soziale Elend der ländlichen Massen zu beenden, indem sie sie in den revolutionären Kampf für eine Arbeiter- und Bauernregierung und für sozialistische Politik führt. Dies wird Bestandteil des internationalen Kampfs für den Sozialismus sein.

Diese Erkenntnisse haben heute immense Bedeutung, gerade auch für Thailand, wo die Arbeiterklasse durch die Integration des Landes in den globalisierten Produktionsprozess beträchtlich angewachsen ist. In den letzten zwanzig Jahren, von 1990 bis 2010, ist der Anteil der Industriearbeiter an der gesamten arbeitenden Bevölkerung von 9,9 Prozent auf 13,8 Prozent angewachsen, er beläuft sich heute auf über fünf Millionen Menschen. In der gleichen Zeit ist der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten von 64 Prozent auf 38 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gesunken.

Dennoch hat die Arbeiterklasse in den Unruhen der vergangenen fünf Jahre nicht einmal begonnen, ihre unabhängigen Klasseninteressen durchzusetzen.

Folglich konnte der Geschäftsmogul Thaksin, unterstützt und begünstigt von Pseudoradikalen wie Ungpakorn, die wachsende Unzufriedenheit besonders der ländlichen Massen für Puea Thai, die Rothemden-Bewegung und sein eigenes politisches Programm ausnutzen.

Mit seinem Wahlaufruf für Puea Thai trägt Ungpakorn die politische Verantwortung für die Handlungen der antretenden Yingluck-Regierung. Dabei üben die Banken schon vor dem Amtsantritt der neuen Regierung Druck auf Puea Thai aus, ihre Wahlversprechen fallen zu lassen.

Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise wird damit gerechnet, dass sich das Wachstum der thailändischen Wirtschaft in diesem Jahr halbiert. Die vorsichtige Begrüßung des Sieges von Puea Thai in thailändischen Geschäftskreisen spiegelt die Hoffnung wieder, dass die Wahl die politische Instabilität im Lande zumindest zeitweilig beenden und die Regierung in die Lage versetzen werde, ihren Bonus bei den Armen zu nutzen, um die Sparmaßnahmen durchzusetzen, die das Finanzkapital fordert.

Sobald die Hoffnungen der arbeitenden Bevölkerung sich zerschlagen und in Kritik und Protest umschlagen, wird die Yingluck-Regierung nicht zögern, Polizeistaatsmaßnahmen gegen jegliche politische Opposition anzuwenden.

Bei seinem Wahlaufruf für Puea Thai ging Ungpakorn mit keinem Wort auf die Bilanz von Thaksins autokratischer Herrschaft ein. Unter anderem hat Thaksin im Jahr 2003 die außerrechtliche Ermordung von Tausenden angeblicher Drogenhändler durch die Polizei sanktioniert und im Jahr 2004 mit aller Härte das Militär eingesetzt, um im Süden des Landes den muslimischen Separatismus auszumerzen.

Die Arbeiterklasse kann ihre demokratischen Rechte und Klasseninteressen nur verteidigen, wenn sie für eine Arbeiter- und Bauernregierung und ein sozialistisches Programm kämpft und ihre Unabhängigkeit von allen Teilen der herrschenden Klasse durchsetzt.

Dies verlangt vor allem, Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution gründlich zu assimilieren, die Lehren aus den Schlüsselerfahrungen der Arbeiterklasse im zwanzigsten Jahrhundert zu ziehen und eine Sektion der internationalen trotzkistischen Bewegung – des Internationalen Komitees der Vierten Internationale – in Thailand aufzubauen.

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