ISO verteidigt Verrat der Gewerkschaften am Verizon-Streik

Die Entscheidung der Gewerkschaften vom 21. August, den Streik bei Verizon zu beenden, war ein historischer Verrat an 45.000 streikenden Arbeitern und an der gesamten Arbeiterklasse. Der Streik um Arbeitsplätze, Lebensstandard und Arbeitsbedingungen scheiterte nach dreizehn Tagen an den zwei Gewerkschaften, Communications Workers of America (CWA) und International Brotherhood of Electrical Workers (IBEW).

Die CWA und die IBEW wiesen die Streikenden an, die Arbeit wieder aufzunehmen, obwohl das Management von Verizon nicht eine einzige Forderung nach Zugeständnissen aufgegeben hatte. Es droht sogar, gegen Dutzende Arbeiter wegen ihres Verhaltens während des Streiks gerichtlich vorzugehen. Dies rief unter den Arbeitern große Wut hervor und steigerte ihre Empörung über die Gewerkschaftsfunktionäre.

In dieser Situation übernimmt die pseudo-linke International Socialist Organization (ISO) die Verteidigung von CWA und IBEW. Sie hofft, eine Auflehnung der Arbeiter gegen diese diskreditierten Organisationen zu unterbinden. Was auch immer die ISO an schwacher Kritik an den CWA- and IBEW-Führern vorträgt, es wird durch ihre ständige unterschwellige Behauptung widerlegt, die Arbeiter hätten keine andere Wahl, als den Rahmen der bestehenden Gewerkschaften zu akzeptieren. Das ist eine durch und durch rechte Politik, die, würde sie befolgt, verheerende Folgen für breite Schichten der Bevölkerung hätte.

In einem Artikel vom 21. August mit dem Titel: „Warum haben sich die Gewerkschaften bei Verizon zurückgezogen?“ bietet der gewerkschaftliche Redakteur der ISO-Zeitung Socialist Worker, Lee Sustar, eine Rechtfertigung für den Dolchstoß und argumentiert in einer Weise, als müssten die Arbeiter in den CWA und IBEW-Bürokraten die Verteidiger ihrer Interessen sehen.

Die Sprache in diesem Artikel ist sehr aufschlussreich. Die Gewerkschaften, erklärt uns die Überschrift, hätten sich bei Verizon „zurückgezogen“. Später beschwert sich Sustar über die „zaghafte Vorgehensweise“ der Gewerkschaften. Er fügt dann hinzu, die CWA und IBEW „schreckten davor zurück“, einen rückhaltlosen Kampf zu führen. Die Gewerkschaften, so sagt man uns, „haben einen viel versprechenden Streik abgebrochen“. Die Grundidee des Artikels lautet, die verfahrene Situation könne durch Druck auf die Gewerkschaftsbürokratie gelöst werden, – durch „Erneuerung und Wiederaufbau der Stärke der Gewerkschaften“, wie Sustar es ausdrückt.

Der plötzliche, vertragslose Streikabbruch, erklärt Sustar, werfe „bei den Streikenden und den Unterstützern die Frage nach dem Warum auf. Sie diskutierten darüber, wie sie, zurück an ihrem Arbeitsplatz, den Kampf für einen guten Vertrag weiter führen könnten.“

Noch ehe er darauf eingeht, warum die Gewerkschaften den Streik abgebrochen haben, versucht Sustar, die Bedeutung des Streikbruchs von CWA-IBEW herunterzuspielen, und berichtet, mehrere „Gewerkschaftsaktivisten“ hätten vorgeschlagen, Dienst nach Vorschrift zu leisten, sobald die Arbeiter wieder an der Arbeit sind. Er beschwichtigt die Verizon-Arbeiter: „Die Gewerkschaften haben sich die Fähigkeit erhalten, jederzeit zu streiken.“ Mit anderen Worten: Alles halb so schlimm!

Sustar bemüht sich, zu verhindern, dass seine Leser klare Schlussfolgerungen aus dem Verrat der Gewerkschaften ziehen. Er suggeriert, CWA-Päsident Larry Cohen und andere Gewerkschaftsbürokraten würden die Interessen der Arbeiter gerne verteidigen, sie hätten nur leider „begrenzte Ziele“ und ungeeignete Methoden.

Wenn man unehrliche und „diplomatische“ Artikel, wie den von Sustar, untersucht, darf man nie vergessen, dass die ISO-Mitglieder und -Anhänger, die im Gewerkschaftskreisen arbeiten, tagtäglich mit vielen hohen und mittleren Gewerkschaftsfunktionären verkehren. Im März 2010 berichtete z. B. der Socialist Worker positiv über eine Konferenz der Labor Campaign for Single-Payer Healthcare (einer gewerkschaftlichen Kampagne für die Versicherung von Alleinstehenden). Diese zweifelhafte Kampagne wurde vom Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO gesponsert und zog alle Arten von kleinbürgerlichen „Aktivisten“ (zum Beispiel ISO-Mitglieder) an. Ein Sprecher, dessen Ausführungen der Socialist Worker wohlwollend zitierte, war niemand anderes als Mister Larry Cohen, der CWA-Präsident.

Sustar räumt ein, dass der CWA den Streik nicht ausgerufen habe, um den Angriff des Telefon-Giganten auf Renten, Krankenversicherung und Arbeitsplätze zurückzuschlagen, sondern nur, um die Firma zu zwingen, „ernsthaft zu verhandeln“. Tatsächlich hat der CWA, wie Sustar zugibt, beim Verizon-Konkurrenten AT&T bereits ähnlichen Forderungen zugestimmt und damit zehntausend Arbeiter gezwungen, zu akzeptieren, dass „in einigen Gebieten Neueingestellte keine Renten mehr erhalten und Arbeiter zum ersten Mal einen Teil der Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen“.

Sustar geht unbekümmert über diese nicht unwichtige Tatsache hinweg und stellt in Aussicht, die Gewerkschaften würden schon irgendwie kehrtmachen und kämpfen. „Wenn die Gewerkschaften bei Verizon die Stellung halten, dann wird das ein Sammelpunkt für Arbeiter, Gewerkschafter oder Nicht-Gewerkschafter, werden, die einen Weg suchen, um Widerstand zu leisten. Sie kämpfen gegen die Tendenz, die sich seit Beginn der Rezession vor vier Jahren entwickelt und die ihren Lebensstandard nach unten drückt.“ Aber wo gibt es auch nur das leiseste Anzeichen dafür, dass die Gewerkschaften „die Stellung halten“ werden?

Sustar zitiert den CWA-Organisator Steve Early, ein Anhänger der Labor Notes, der einfach nicht versteht, warum die CWA und die IBEW ihre Aussetzung des Streiks damit verknüpft haben, dass sie „in unkluger Art und Weise davon absehen“, weiter an nicht streikende Verizon-Wireless-Arbeiter zu appellieren.

„Aus Gründen, die zur Zeit undurchsichtig bleiben“, schreibt Early, „hat der Präsident von UNITE HERE, John Wilhelm, alle Unterstützungsaktionen abgeblasen, und der Direktor der gewerkschaftsnahen ‚Jobs With Justice’-Einrichtung, Sarita Gupta, hat angeordnet, dass jegliches Flugblattverteilen vor Geschäften, an den Arbeitsplätzen und bei anderen Gelegenheiten sofort ,gestoppt‘ werden müsse“, obwohl, wie Early jammert, „das Abkommen zur Wiederaufnahme der Arbeit dies alles nicht ausschließen würde“.

In Wirklichkeit ist nichts daran „undurchsichtig“. Die CWA, IBEW und der AFL-CIO haben den Streik genau an dem Punkt abgebrochen, als er eine breitere Unterstützung gewann und erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von Verizon hatte. Die Gewerkschaftsfunktionäre, auch Cohen vom CWA, gingen einzig und allein davon aus, ihren Platz am Managertisch von Verizon nicht zu gefährden und sicherzustellen, dass sie auch weiterhin Beiträge vom Gehalt der Arbeiter abbuchen können. Sobald das Unternehmen andeutete, es sei bereit, die Gewerkschaftsdienste in Anspruch zu nehmen, um seine Kostensenkungspläne durchzusetzen, brachen CWA und IBEW den Streik ab. Sie wollten die Arbeiter demobilisieren und für die dramatischen Zugeständnisse weich klopfen, welche die Gewerkschaft jetzt in der ein- oder anderen Form akzeptieren wird.

Sustar und die ISO wissen das ganz genau. Dennoch heucheln sie Überraschung und suggerieren, das Vorgehen der CWA-IBEW sei unerklärlich, da es von einer Organisation komme, die angeblich auf Seiten der Arbeiterklasse steht. Sustar reagiert nervös auf die wachsende Empörung vieler Arbeiter über „ihre“ Gewerkschaften und versucht, sie aus der Schusslinie zu ziehen.

Während einer Telefonkonferenz mit Betriebsräten von Verizon, erklärt unser Autor, habe der CWA-Präsident Cohen gesagt: „Der Kampf für einen guten Vertrag wird weitergehen.“ (Tatsache ist, dass die CWA einen solchen Kampf weder plant noch im Geringsten führt.) Sustar erklärt weiter, Cohen „schilderte die Unterstützung, die der Streik erhielt, als Beleg für eine neue Demokratie-Bewegung in den USA und verwies auf die Arbeiter-Proteste von Wisconsin zur Verteidigung der Tarifautonomie der Angestellten im öffentlichen Dienst. Er stellte einen Zusammenhang her zwischen dem Kampf bei Verizon und den Revolutionen in Ägypten und Tunesien.“

„Indem er den Kampf bei Verizon mit diesen mutigen Kämpfen verglich“, erklärt Sustar, „betonte Cohen jedoch nur, wie defensiv die Gewerkschaftsstrategie ausfällt.“

Also würden Cohen und andere Gewerkschaftsfunktionäre laut Sustar und ISO gerne einen ernsthaften Kampf führen (vielleicht sogar die Revolution!), aber sie gehen einfach ein bisschen zu zaghaft vor.

Sustar spricht von den Gewerkschaftsführern höflich als „Befürworter von begrenzten Streiks“ und versichert, die CWA-Funktionäre hätten sich Sorgen gemacht, sie müssten die IBEW bei der Auszahlung von Streikgeldern unterstützen, weil diese keinen eigenen Streikfonds hat. Außerdem glaubten die Gewerkschaftsfunktionäre, wie er schreibt, Verizon könne einen langen Streik durchhalten, indem sie die Profite ihrer Funksparte benutze, und deshalb sei es „besser, einen kurzen Streik zu organisieren, der den Betrieb unterbricht, ohne einen kostspieligen Zermürbungskrieg zu führen“. Sustar präsentiert seinen Lesern diese erbärmlichen und feigen Ausflüchte als legitime, wenn auch falsche Positionen. Er versucht damit, der CWA-IBEW ein Alibi zu verschaffen.

Es stimmt natürlich, dass ein Hauptfaktor für den brutalen Streikabbruch der Wunsch der CWA-Funktionäre war, keine (mageren) Streikgelder auszuzahlen. Sie ziehen es vor, das Geld zu behalten, um die sechsstelligen Gehälter und den gehobenen Lebensstil von Cohen und Co. aufzubessern.

„Offensichtlich“, fährt Sustar fort, „glauben die Führer von CWA und IBEW nicht, dass die Gewerkschaft direkt und öffentlich die Errungenschaften verteidigen könne, die ihre Mitglieder über Jahrzehnte hinweg errungen haben, ob das jetzt um die sichere Rente oder die Unternehmerbeiträge für die Krankenversicherung sind.“

Die Gewerkschaften sind jedoch gar nicht daran interessiert, diese Errungenschaften zu verteidigen, weder öffentlich noch auf anderem Wege. Sie sind entschlossen, dass kapitalistische System zu erhalten, und deshalb sind die Gewerkschaftsführer vollauf damit einverstanden, wenn Arbeiter ihre Renten, Krankenversicherung und was sonst für die Profite der Unternehmer erforderlich ist, aufgeben müssen.

Das Letzte, was die gutbetuchten Gewerkschaftsführer wollen, ist eine Bewegung, über die sie die Kontrolle verlieren könnten und die ihre korporatistischen Beziehungen zu den Großunternehmen zerstören würde. Außerdem hätte ein ernsthafter Kampf bei Verizon das Potential, sich zu einer Konfrontation mit der gegenwärtigen Obama-Regierung in Washington zu entwickeln, welche die Gewerkschaften bei der Wiederwahl um jeden Preis unterstützen. Diese Regierung fördert das Bestreben der Unternehmer, die medizinische Versorgung und andere Leistungen massiv zu kürzen.

Von Beginn des Streiks an hat die ISO die Rolle der Gewerkschaften und die großen politischen Fragen, mit denen die Arbeiter von Verizon konfrontiert sind, verschleiert. Ihre Behauptung, die Gewerkschaftsfunktionäre seien seriöse Führer der Arbeiterklasse, und sie bräuchten nur den Druck der einfachen Mitglieder, um zu kämpfen, zielt darauf ab, die Arbeiter an diese arbeiterfeindlichen Organisationen zu binden. Das unterstreicht nur die Tatsache, dass die ISO nichts mit dem Sozialismus zu tun hat und den Interessen der Arbeiterklasse genauso feindlich gegenübersteht wie der Gewerkschaftsapparat selbst.

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