Protestkonzert der Musikschullehrer in Berlin

ProtestkonzertDas Konzert der Musikschullehrer

Beim Protestkonzert der Musikschullehrer in Berlin am vergangenen Samstag versammelten sich rund 2.000 Lehrer, Eltern und Schüler (siehe auch: Weitere Kürzungen bei Berliner Musikschullehrern). Viele hatten eigene Transparente und Schilder mitgebracht, mit Aufschriften wie “Musik ist kein Luxus”, “Musikunterricht ist kein Ehrenamt”, “Wenn Musiklehrer im Regen stehen, wird unsere Kultur bald untergehen”, und ähnliches.

Juliane Juliane

„Bildung ist die schlechteste Stelle zum Sparen“, meint Juliane, eine junge Mutter, die Blockflöte in Treptow-Köpenick unterrichtet und künftig auch im Bereich der musikalischen Früherziehung tätig sein will. Juliane ist vor allem darüber empört, dass die Grundschulkooperation, die einen elementaren Bestandteil der musikalischen Bildung vieler Kinder darstellt, durch die Senatspläne zerstört würde. Der Senat schaffe damit im Bildungsbereich, wo eigentlich Kontinuität notwendig wäre, Unsicherheit und ständigen Wechsel der Lehrkräfte. „Dabei sind die Verhältnisse jetzt schon prekär“, sagt sie. Wenn beispielsweise ein Schüler eine Unterrichtsstunde rechtzeitig absagt, werde diese dem Lehrer nicht zugestanden. Die 80-prozentige Lohnfortzahlung bei Krankheitsfall gilt nur für diejenigen, die über 15 Stunden beschäftigt sind. Je nach Situation können die Einnahmen schwanken. Jetzt sollen die minimalen Absicherungen gestrichen werden, darunter auch das 10-prozentige Urlaubsgeld. Für die Ferienzeit muss Juliane sich somit immer etwas Geld beiseitelegen. Der Frage, ob sie glaubt, dass mit der heutigen Konzertaktion der Senat einlenken würde, begegnete sie, halb lachend halb resignierend, mit: “Ja, im Traum.”

Musiklehrerin der Leo Kestenberg SchuleMusiklehrerin der Leo Kestenberg Schule

Eine Musiklehrerin der Leo Kestenberg Schule (Tempelhof-Schöneberg) betonte: “Musik ist kein Luxus. Ein Musikinstrument zu lernen, sollten sich alle Kinder leisten können.” In dieser Hinsicht fühle sie sich dem Geiste des Namensgebers der Musikschule verpflichtet. “Geld ist genug da! Die Verteilung ist das Problem”, fügte sie hinzu. Sie selbst arbeitet bereits 21 Jahre als Honorarlehrerin und hat in dieser Zeit nie ein Angebot für eine Festanstellung erhalten.

Die rund 1600 Honorarkräfte an den Musikschulen verdienen 59% weniger als fest Eingestellte. Das Honorar liegt momentan bei einem Bruttolohn von etwa 19 Euro pro 45 Minuten Unterricht. Nicht berücksichtigt wird die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit. Der Arbeitsaufwand, der mit dem Gruppenunterricht und zum Teil sogar Klassenunterricht verbunden ist, ist unverhältnismäßig größer, als im Einzelunterricht, wird aber genauso wie letzterer honoriert. Hinzu kommt, dass Honorarlehrer keinen Mutterschutz, keinen Kündigungsschutz und keine Alterssicherung genießen. Dennoch wird nahezu der gesamte Musikschulbetrieb durch sie aufrechterhalten.

ver.di-Vertreterin Anja Bossen ver.di-Vertreterin Anja Bossen

Anja Bossen, ein Mitglied der Gewerkschaft ver.di im Vorstand der Fachgruppe Musik, und Annette Breitsprecher vom Vorstand der LBM (Landes-Lehrervertretung der Berliner Musikschulen e.V.) erklärten gegenüber den WSWS-Reportern, dass die besonders hohe Zahl von Honorarlehrern in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern auf die Geschichte seit dem Krieg zurückgehe. In Westberlin seien nach der Gründung der BRD hauptsächlich freiberufliche Musiker als Lehrkräfte eingesetzt worden, während in der ehemaligen DDR Musikschulen mit fest angestellten Pädagogen etabliert wurden. Nach der Wende hätte der Senat die Musiklehrer aus Ostberlin systematisch in Honorarkräfte verwandelt oder entlassen, auch unter Führung von SPD und Linkspartei in den letzten zehn Jahren. “Dass sogar der rot-rote Senat diesen Abbau fortgesetzt hat, ist der eigentliche Skandal!” meint Anja Bossen.

Wütend ergänzt Annette Breitsprecher, die SPD, die den Bildungssenator stellt, betätige sich aktiv als Förderer prekärer Arbeitsverhältnisse. Sie zitiert ein Schreiben der Bildungsbehörde an die Bezirke, in dem es heißt, “die Gefahr des Entstehens eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses” sei zu vermeiden. Diese Aussage sei “unglaublich” und empörend.

Das Angebot des Bildungssenators am Nachmittag vor der Protestkundgebung, die Honorare um 7.3 Prozent zu erhöhen, wies die Anja Bossen als taktisches Manöver zurück. Hier handele es sich um eine längst vereinbarte Angleichung, die aber die Grundforderung nach gesicherten Arbeitsverhältnissen nicht einmal im Ansatz berühre. Sie trat dafür ein, dass ver.di weitergehende Aktionen organisiert und bundesweit die Betroffenen wie auch allen anderen Beschäftigten im Bildungsbereich in die Proteste einbezieht. “Nur so können wir Erfolg haben.”

Von verdi ist allerdings kein ernsthafter Widerstand zu erwarten. Die bisherigen Kürzungen bei den Musiklehrern wurden ebenso wie die Lohnsenkungen im öffentlichen Dienst und die Einsparungen im gesamten Bildungsbereich in enger Zusammenarbeit des Senats mit der Dienstleistungsgewerkschaft durchgesetzt.

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