Die Sommerschule der französischen Neuen Antikapitalistischen Partei markiert einen neuen Rechtsruck

Die Sommerschule der Neuen Antikapitalistische Partei (NPA) Frankreichs vom 28.-31. August erlebte einen vollständigen Einbruch bei den Teilnehmerzahlen. Auch die Mitgliederzahl der NPA ging scharf zurück. Es kam zu erbitterten internen Debatten. Die Kontroversen gingen um die Frage, wie die Beziehungen zu der wirtschaftsfreundlichen Sozialistischen Partei (PS) organisiert werden sollten, und um die Wahl von Philippe Poutou (einem Gewerkschaftsfunktionär bei Ford), der 2012 anstelle von Olivier Besancenot für die NPA bei der Präsidentschaftswahl antreten soll.

Mediapart – eine Internet Zeitung, die von Edwy Plenel, einem ehemaligen Mitglied der NPA-Vorgängerorganisation Ligue Communiste Revolutionnaire (LCR) und früherem Herausgeber von Le Monde, herausgegeben wird – überschrieb ihren Artikel zur Schulung mit “Ist das die finale Krise?”

Plenel schrieb, dass seit der Gründung der NPA im Jahr 2009, “die Hälfte der Mitglieder ausgetreten sind, und diejenigen, die übrig blieben, nun in zwei Fraktionen gespalten sind. Die Anhänger einer mehr 'revolutionären' Linie - die Verhandlungen mit der Linksfront ablehnen – sind dabei etwas im Vorteil. Sie wählten Philippe Poutou, einen 44-jährigen Schlosser, zum Präsidentschaftskandidaten. Die anderen, die für eine Einheitsfront waren, mussten ohnmächtig dem Prozess beiwohnen, den sie als Verrat betrachten. Wo werden sie nach der Sommerpause stehen? Ist die NPA tot oder nicht?”

Die Debatte der NPA auf der Sommerschulung war chaotisch und prinzipienlos. Der Libyenkrieg – das wichtigste militärische Engagement des französischen Imperialismus seit Langem, das von der NPA unterstützt wird – wurde nicht offen diskutiert. Über die Zusammenarbeit der NPA mit der PS und der von der Kommunistischen Partei (KPF) dominierten Linksfront, dem Juniorpartner der PS in Regierungskoalitionen, brachen verworrene Konflikte aus.

Ingrid Hayes, eine der Führerinnen der “Einheits”-Tendenz, die sich für engere Beziehungen zur Linksfront ausspricht, sagte: “Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass wir insgesamt im Schlamassel stecken. Und das macht mir Sorgen, weil dadurch das Überleben der Tendenz bedroht ist, der ich mich vor zehn Jahren angeschlossen habe. Die einzige Funktion von Philippe Poutous Kandidatur ist es, der NPA eine sektiererische Führung zu verpassen.”

Die Führung der sogenannten “revolutionären” Mehrheit wies wütend Behauptungen zurück, sie stünden der Linksfront nicht nahe genug. NPA Führer Alain Krivine sagte, die “revolutionäre” Fraktion “denkt, wir seien Verräter.” Ich glaube das überhaupt nicht. Drei Viertel der NPA Aktivitäten sind “einheits”-orientiert

Sein Stellvertreter Olivier Sabado fügte taktvoll hinzu, dass diejenigen, die die Politik der Mehrheit als “sektiererisch” bezeichneten, “Vollidioten” seien.

Die Ursache für diese ungeklärten Streitigkeiten ist die Krise der kleinbürgerlichen Perspektive der NPA, die durch den Aufschwung des Klassenkampfes erschüttert wird. Als die LCR im Jahr 2009 die NPA gründete, kappte sie alle Verbindungen zum Trotzkismus, die noch aus den 1970er Jahren übrig waren, als die LCR von jungen “trotzkistisch-guevaristischen” Studenten auf einer kleinbürgerlichen, pablistischen Perspektive gegründet wurde. Indem sie sich selbst in NPA umbenannte, versuchte sich die LCR als Diener des französischen Imperialismus zu etablieren - als zahnlose Kritikerin der PS, die eng mit Kräften in der Linksfront und der Gewerkschaftsbürokratie zusammenarbeitet.

Diese Perspektive gründete sich auf ein Geflecht aus Lügen, das nun auseinander bricht. Die “Einheits” Fraktion der NPA wagt nicht, eine offene Kampagne für die Politik zu führen, die die die logische Konsequenz dieser Perspektive ist – nämlich sich in einer von der PS geführten Regierung der Linksfront auf der Grundlage von Krieg und sozialen Kürzungsprogrammen anzuschließen, falls sich diese Situation im Jahr 2012 ergeben sollte. Das würde die von der NPA entwickelte Fiktion entlarven, sie sei unabhängig von der PS.

Die “Mehrheit” um Krivine, Sabado und Besancenot, kann sich nicht gegen den Vorwurf” wehren, sie sei “sektiererisch“. Das liegt daran, dass sie sich nicht traut, die Zusammenarbeit zu erklären, wie sie zwischen der NPA, der PS und der KPF besteht. Jede ernsthafte Untersuchung dieser Beziehungen würde die Rolle der NPA als Werkzeug des reaktionären französischen Imperialismus entlarven.

Zu diesen Beziehungen gehören haarsträubende Hinterzimmer Absprachen mit der PS, die das öffentliche Erscheinungsbild der NPA aufpolieren sollten. Die umfangreichen geheimen Beratungen von Krivine und Sabado mit führenden PS Funktionären, bei denen es darum ging, öffentliche und politische Unterstützung für Besancenots Wahlkampf im Jahr 2002 zu organisieren, werden lieber tot geschwiegen. (Siehe: Why is the NPA's Olivier Besancenot sitting out the 2012 French presidential race? )

Allgemeiner ausgedrückt brachte die Zusammenarbeit mit der bürgerlichen “Linken” und den Gewerkschaften die NPA auf einen frontalen Kollisionskurs mit den anschwellenden Kämpfen der Arbeiterklasse.

Im Oktober letzten Jahres deckte die NPA den Verrat an den mächtigen Streiks der Öl-, Hafen- und Transportarbeiter, die gegen die Rentenkürzungen von Präsident Nicolas Sarkozy ausgebrochen waren. Die NPA unterstützte die stalinistische Gewerkschaft CGT, die sich weigerte, Solidaritätsaktionen zu organisieren, als Sarkozy die Polizei anwies, den Raffinerie-Streik zu brechen. Stattdessen veröffentlichten führende NPA Mitglieder Artikel, in denen die Arbeiter aufgerufen wurden, sich auf “spielerische” Proteste gegen den polizeilichen Streikbruch zu beschränken.

Die NPA hielt ihren nationalen Kongress vom Februar inmitten der revolutionären Kämpfe des tunesischen und dann des ägyptischen Proletariats ab, die zwei vom Westen gestützte Diktatoren zu Fall brachten, den tunesischen Präsident Zine El Abidine Ben Ali und den ägyptischen Präsident Hosni Mubarak.

Die NPA reagierte, indem sie sich mit der PS und dem französischen Imperialismus gegen die nordafrikanische Arbeiterklasse zusammenschloss. Nach dem Fall von Ben Ali in Tunesien, einer ehemaligen französischen Kolonie, deren herrschende Elite enge und korrupte Beziehungen zum französischen Imperialismus unterhielt, gab sie zusammen mit der PS eine zynische Erklärung heraus, die einen “echten demokratische Wandel” forderte. Das zielte darauf ab, die französischen imperialistischen Interessen in Tunesien zu schützen, indem sie der aus Repräsentanten Ben Alis und Gewerkschaftsbürokraten zusammengesetzten Übergangsregierung ein “demokratisches” Feigenblatt verlieh. (Siehe: Die tunesische Aufstandsbewegung entlarvt die kleinbürgerliche Linke Frankreichs ).

Der NPA-Kongress war ein politisches Fiasko, da vier Tendenzen konkurrierende politische Programme zur Diskussion stellten, von denen keines eine Mehrheit gewann. Später wurde für Ende Juni ein nationales Treffen geplant, wo versucht werden sollte, ein gemeinsames Programm zu formulieren.

Nach dem nationalen Kongress schlossen sich jedoch mehrere Mitglieder des “Einheits-” Flügels der NPA, darunter Leila Chaibi und Maël Goepfert, der Linksfront an. Sie bekleiden heute führende Positionen in der Linksfront und können hoffen, im Staat politische Positionen zu ergattern.

Die NPA unterstützte weiter die französische imperialistische Politik im Nahen Osten und deckte im März den französischen Kurs für einen Krieg gegen Libyen. Die westlichen Mächte versuchten sich zynisch als „Freunde“ der demokratischen Revolutionen gegen vom Westen unterstützte Diktatoren zu präsentieren und installierten gleichzeitig ein fügsames pro-westliches Regime in Tripolis, um die großen Ölreserven Libyens zu plündern.

Diese Politik wurde hinter atemlosen Warnungen versteckt, dass Oberst Muammar Gaddafi ein Massaker an Demonstranten in Bengasi durchführen könnte. In einem im März auf der NPA Website veröffentlichten Artikel schrieb Gilbert Achcar: “Hier liegt ein Fall vor, wo eine Bevölkerung wirklich in Gefahr ist und wo es keine annehmbare Alternative gibt, die sie schützen könnte ... Man kann nicht im Namen anti- imperialistischer Prinzipien gegen eine Aktion sein, die ein Massaker an Zivilisten verhindert.”

Das war eine erbärmliche politische Lüge. Die NPA half dem vom Westen unterstützten aufständischen Übergangsrat (TNC) und forderte von der französischen Regierung, ihn für den Kampf gegen Gaddafi mit Waffen zu versorgen. Dieser Vorschlag wurde von Paris schließlich aufgegriffen und damit das UN-Waffenembargo gegen Libyen verletzt. Das Ganze lief einfach darauf hinaus, den Nato-Bombardements und Operationen der Spezialkräfte, die die Truppen des TNC im Kampf anleiteten, eine pseudo-„revolutionäre” Begründung zu liefern.

Der Mord an Tausenden von Menschen durch Nato-Luftangriffe und die rassistischen Repressalien gegen schwarzafrikanische Arbeiter in Libyen sind eine vernichtende Widerlegung der Behauptung der NPA, libysche Arbeiter könnten einen revolutionären Kampf führen, indem sie sich an den Imperialismus wenden.

Das nationale Treffen vom Juni, das in die Wahl von Poutou zum NPA-Kandidaten mündete, war gekennzeichnet von der explosiv wachsenden Unterstützung für die “Einheits”-Position B - die von rund einem Viertel zur Zeit des NPA-Kongresses auf über 40 Prozent stieg.

Position B denunziert Position A dafür, dass sie “die Isolation als eine Tugend kultiviert”. Sie forderte, dass die NPA ihre Politik formuliert, “ohne politische Kräfte und Strömungen auszuschließen. Wir wollen 2012 über die Rechte und die [neo-faschistische National Front] siegen.” Sie wurde von mehreren Besancenot-Mitarbeitern wie Pierre-François Grond und Frédéric Borras unterstützt, die die Presse als “ehemalige” Verbündete von Besancenot und der NPA Mehrheit bezeichnete.

Die Mehrheitsposition A kritisierte die “Einheits” Position B wegen des Wunsches, “einen Block zu bilden, der alle Kräfte links von der PS vereint und den Blick auf die KPF richtet, die bis zum Hals in den Institutionen des Kapitalismus steckt.” Position A erwähnt jedoch nicht, dass sie auch “bis zum Hals” in demselben Blut und Dreck steckt wie Position B.

Eine kleine Position C, das Kollektiv für eine revolutionäre Tendenz, tauchte auf und behauptete, dass sie die NPA zurück auf eine “revolutionäre” Linie bringen wolle. Das war nur ein politischer Trick und ein Versuch, der NPA völlig unverdient “revolutionäre” Glaubwürdigkeit zu verleihen. Position C machte deutlich, dass sie keine nennenswerten politischen Differenzen mit der NPA Mehrheit hatte. Im Gespräch mit Rue 89 lobten Unterstützer der Position C Besancenot und erklärten: “Die NPA wird gehört. Besancenot schafft es, von sich das Bild eines radikalen Führers zu erzeugen. Das hilft uns.”

Das macht nur deutlich, dass die so genannte “revolutionäre” Fraktion der NPA Besancenot und die NPA Mehrheit bei dem Versuch unterstützt, die Arbeiter politisch an die bürgerliche “Linke”, soziale Sparmaßnahmen und Krieg zu binden.

Diese konkurrierenden Tendenzen drohen nun in der Folge der Sommerschule die NPA zu spalten. Position B, die innerhalb der NPA für eine anwachsende Stimmung zugunsten eines direkten Wahlbündnisses mit den Parteien des französischen Imperialismus spricht, erwägt, sich formal einen eigenen Namen zu geben und eine Website unabhängig von der NPA Mehrheit zu eröffnen.

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