Perspektive

Arbeitslosigkeit und die weltweite Finanzaristokratie

Am Montag erschien der Bericht der International Labor Organization (ILO) zur weltweiten Lage der Arbeitslosigkeit. Er zeichnet ein schonungsloses Bild vom Weltkapitalismus.

Drei Jahre nach Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 ist die Lage auf dem weltweiten Arbeitsmarkt katastrophal. Laut der ILO müssten in den nächsten zwei Jahren achtzig Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, um auch nur das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen. Die ILO geht aufgrund von äußerst optimistischen Schätzungen davon aus, dass nur die Hälfte dieser Zahl geschaffen werden wird.

In den fortgeschrittenen Industrienationen, darunter den Vereinigten Staaten und Europa, gibt es heute dreizehn Millionen weniger Arbeitsplätze als noch vor vier Jahren. Es wird erwartet, dass sich der Arbeitsmarkt dieser Länder erst deutlich nach 2016 erholen wird. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über zwanzig Prozent und die Langzeitarbeitslosenquote ist auf Rekordhöhen gestiegen.

Außer auf die unmittelbaren Indikatoren für soziales Elend – zu denen noch viele weitere hinzugefügt werden könnten – weist der Bericht der ILO auch auf den beispiellosen Zustand der weltweiten Klassenbeziehungen hin. Es entwickeln sich die Bedingungen für eine soziale Explosion im Weltmaßstab.

Einer der Kommentare der ILO war besonders aufschlussreich. Er bezog sich auf das „Paradoxon“ der letzten drei Jahre: nämlich dass „die Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise von 2007-2008 auf den Finanzsektor anfangs kurzlebig waren – obwohl sie die Hauptursache für den Abschwung sind.“

Allerdings ist daran nichts paradox. Der Grund für den Crash von 2008 war das Platzen einer riesigen Spekulationsblase. Seither haben die Regierungen der Welt alles getan, den Reichtum der Finanzaristokratie, die diese Krise verursacht hat, auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung zu schützen.

Den Banken wurden unbegrenzte Geldmittel bedingungslos zur Verfügung gestellt, zum einen in Form von direkten Bailouts, zum anderen in Form von billigem Geld. Allein in den Vereinigten Staaten wurden ihnen vierzehn Billionen Dollar zur Verfügung gestellt. Das Argument, mit dem diese Umverteilung begründet wurde, hat sich als Lüge herausgestellt – nämlich sie sei notwendig, um das Wirtschaftswachstum wiederzubeleben und „Arbeitsplätze zu schaffen“. Das Geld wurde einfach ins Finanzsystem gesteckt, und in die Geldbeutel der herrschenden Elite.

Die ILO beklagt, dass selbst Unternehmen, die nicht im Finanzsektor tätig sind – und besonders in den USA Rekordsummen angespart haben – keine produktiven Investitionen tätigen, sondern ihr Geld lieber in Aktienrückkäufe und andere Finanztransaktionen investieren. Wirklich zu produzieren scheint nicht gewinnbringend genug zu sein.

Die Reaktion der herrschenden Klasse auf die Finanzkrise hat nicht nur zu einem beispiellosen Niedergang - oder sogar Zusammenbruch - der Lebensstandards der Arbeiter auf der ganzen Welt geführt, sondern ist auch daran gescheitert, die Widersprüche zu lösen, durch die es überhaupt erst zu der Krise gekommen war. Faule Papiere wurden an die Regierungen abgegeben, und jetzt droht ihnen der Staatsbankrott, vor allem in Europa. Der Finanzsektor, der selbst stark in Staatsanleihen investiert hat, steht vor einem weiteren Zusammenbruch.

Jeder Dollar, den die Finanzaristokratie erhält, muss aus dem Fleisch der Arbeiterklasse gezogen werden. Durch die Sparmaßnahmen wurde das Wachstum nur noch weiter geschwächt, und dadurch die Staatskassen geleert, was weitere Sparmaßnahmen erfordert. Die ILO schreibt: „Kurz gesagt, es ist ein Teufelskreis: Eine schwächer werdende Wirtschaft wirkt sich auf den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft aus, und hemmt Investitionen und Konsum, damit wird die Wirtschaft schwächer, und so geht es immer weiter.“

Die Ereignisse am Dienstag zeigten auf drastische Weise das Verhältnis zwischen der Finanzaristokratie und der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung. Aus Eigennutz schlug der griechische Premierminister Giorgos Papandreou vor, die Sparpläne für das neueste Rettungspaket durch ein Referendum bestätigen zu lassen. Die Finanzmärkte reagierten mit Schrecken auf die Vorstellung, dass die griechische Bevölkerung, oder die eines anderen Landes, ein demokratisches Mitspracherecht bei den Ereignissen haben soll. Die Großmächte und ihre Propagandamaschinerien brachten sich in Stellung und bestanden darauf, dass das Paket um jeden Preis durchgesetzt werden muss, und am Ende des Tages wurde die Zukunft der griechischen Regierung infrage gestellt.

Gleichzeitig verhindert der Streit zwischen diesen Mächten darüber, wer die Kosten tragen soll und wer das meiste vom Gewinn erhält, jegliche koordinierte internationale Reaktion. In der Krise der Eurozone zeigt sich das Wiedererstarken nationaler Konflikte, die im 20. Jahrhundert zu zwei katastrophalen Weltkriegen geführt haben.

Die Vorhersage der ILO, dass die weltweiten Bedingungen die Voraussetzungen für zunehmende „soziale Unruhe“ schaffen, ist schon fast ein Allgemeinplatz. Tatsächlich gab es im Jahr 2011 große Bewegung im weltweiten Klassenkampf. Zuerst die Aufstände in Tunesien und Ägypten im Januar bzw. Februar, dann die Proteste in Europa, den Vereinigten Staaten und Lateinamerika. Die Occupy-Bewegung ist ein erster Ausdruck des Wiederauflebens explosiver Klassenkämpfe im Zentrum des Weltkapitalismus, wie es sie seit mehreren Generationen nicht mehr gegeben hat.

Die Finanzaristokratie ist ein unverrückbares Hindernis selbst für die kleinsten Reformen. „Alles für die Reichen!“ ist das Schlagwort der herrschenden Eliten. Angesichts dieser Tatsachen ist der Rat der ILO, Regierungen sollten ausreichend große Arbeitsbeschaffungsprogramme finanzieren und gegen die wachsende soziale Ungleichheit gegensteuern, hoffnungslos utopisch. In den Vereinigten Staaten hat die Erfahrung mit der Obama-Regierung, der „Regierung des Wandels“, anschaulich gezeigt, wie sehr die Finanzelite das ganze politische System im Würgegriff hat.

In der Krise zeigen sich die wirklichen Beziehungen zwischen den Klassen. Seit drei Jahren durften die herrschende Klasse und ihre politischen Vertreter ihre Lösung versuchen, und ihre Lösung hat nur den Weg freigemacht für eine noch größere Katastrophe. Die Antwort der internationalen Arbeiterklasse kommt jetzt als neuer und entscheidender Faktor in der weltweiten Situation ins Spiel.

Aus dieser Krise gibt es nur einen Ausweg im Sinne der Interessen der Arbeiterklasse, der die Macht der Wirtschafts- und Finanzelite und das Gesellschaftssystem, das diese Macht verteidigt, ins Visier nimmt. Beim Kampf um ihre Grundrechte, vor allem das Recht auf einen Arbeitsplatz, werden die Arbeiter überall zum Kampf gegen den Kapitalismus getrieben.

Der Erfolg dieses Kampfes erfordert vor allem den Aufbau einer neuen sozialistischen Führung der internationalen Arbeiterklasse.

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