Die NPA reagiert auf Schuldenkrise mit Allianzen mit der bürgerlichen "Linken"

Frankreich wird seit einigen Tagen von den Finanzmärkten unter Druck gesetzt, die Präsident Sarkozy drängen, die sozialen Kürzungen zu verstärken, obwohl Premierminister François Fillon bereits vergangene Woche ein zweites Sparpaket angekündigt hatte. Die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) und die Gewerkschaften reagierten darauf mit der Vorbereitung eines Aktionstages, an dem die gesamte "Linke" vereint werden soll.

 

Mit diesem Aufruf zu einer großen Versammlung der "Linken" versucht die NPA ihre Mitverantwortung für die Sparpolitik der Regierung zu vertuschen und die Wut der Arbeiter in Unterstützung für die stalinistische Französische Kommunistische Partei (KPF) und die Sozialistische Partei (PS) bei den Präsidentschaftswahlen 2012 zu kanalisieren.

 

Ein Artikel in Le Monde mit dem Titel "Die Investoren haben viel mehr Angst vor der Kreditvergabe an Frankreich als an Deutschland" berichtet, dass die Schere zwischen den Zinsen auf französische und auf deutsche Staatsanleihen sich in 2011 weit geöffnet habe. Das ist ein Zeichen des Misstrauens der Anleger bezüglich Frankreichs Möglichkeiten zur Zurückzahlung seiner Schulden. Der Artikel zieht eine Parallele zwischen Frankreich und Italien, dessen Regierung gerade zusammengebrochen ist: "Frankreichs Situation ähnelt mehr und mehr derjenigen von Italien, dessen Zinsen auf Rekordniveau gestiegen sind".

 

Der zweite Sparhaushalt der Regierung Fillon, der als Reaktion auf die Ängste der Märkte erstellt worden war, hatte nicht die erhoffte Wirkung; Gerüchte, dass Frankreich der Verlust seines AAA-Ratings droht, werden immer eindringlicher. Le Monde berichtet weiter: "In Finanzkreisen schätzen Beobachter, dass das Misstrauen der Finanzmärkte sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen erhöhen dürfte." Die Märkte verstärken den Druck auf den künftigen Präsidenten, das Programm der Banken umzusetzen und damit die Arbeiterklasse in Armut zu treiben.

 

Generalsekretär Bernard Thibault von der CGT hat "eine dringende Sitzung [aller Gewerkschaften] vorgeschlagen, um die beste und notwendige Antwort abzustimmen". Die Gewerkschaften haben einen einzelnen isolierten Aktionstag am 13. Dezember vorgeschlagen.

 

Seit Jahrzehnten werden die Arbeiterkämpfe von den Gewerkschaften verraten. Sie organisieren Aktionstage, die nur ein Ziel haben: als Sicherheitsventil zu dienen und die Arbeiter zu demoralisieren. Die Gewerkschaftsbürokratie hat kein Interesse, die Reformen zu verhindern, weil die "Reformen" aus Verhandlungen zwischen den Gewerkschaften und der Regierung hervorgegangen sind.

 

Die NPA ist Partner bei diesem politischen Schauspiel gegen die Arbeiter, denn ihre Strategie besteht darin, mit der Gewerkschaftsbürokratie und der bürgerlichen "Linken" zusammenzuarbeiten. In einem Artikel der Zeitschrift Tout est à nous mit dem Titel "Organisiert den Widerstand gegen die Sparmaßnahmen von Fillon und Sarkozy", schreibt der Autor: "Die NPA schlägt vor, dass sich die gesamte soziale und politische Linke, sowohl die Gewerkschaften als auch die Parteien, in den nächsten Tagen treffen." Sie erhob weder Kritik an der verräterischen Rolle der Gewerkschaften, noch an der politischen Rolle der stalinistischen KPF.

 

Die Linksfront von Jean-Luc Mélenchon und KPF, mit der die NPA zusammenarbeiten möchte, ist eine Agentur der Sozialistischen Partei (PS). Mélenchon, der Präsidentschaftskandidat der Linksfront, ist ein ehemaliger Minister der PS. Die KPF ist seit Jahrzehnten mit der PS verbündet, wobei sie finanziell und politisch von ihr abhängt ist, nachdem sie an mehreren ihrer Regierungen beteiligt war. In der Regierung der Mehrheitslinken von Premierminister Lionel Jospin (PS) unterstützte die KPF die Entsendung französischer Truppen zur Besetzung von Afghanistan, sowie zahlreiche Privatisierungen.

 

Die Linksfront hat ihre "Front für den Kampf und für die Wahlurne" ("Front des luttes et des urnes") als ein Manöver ins Leben gerufen, das darauf abzielt, für ihren Wahlkampf 2012 Unterstützung in den Betrieben zu gewinnen. Yves Cochin, Mitglied der Gewerkschaft Solidaires und Ex-NPA-Mitglied, erklärt mit Blick auf diese "Front": "Wenn wir zwischen 1981 und 1936 wählen können, dann ziehen wir 1936 vor. Und wir werden denen in den Hintern treten, die behaupten, sie müssten ihre [Wahl-] Versprechen nicht einhalten."

 

Dies ist nur ein Versuch, den Charakter der von der KPF vorgeschlagenen Kampffront und damit auch den Charakter des von der NPA unterstützen Appells an "alle sozialen und politischen Linken", zu verschleiern. Cochin stellt die Frage so hin, als ob die KPF den Generalstreik - der im Jahre 1936 gegen den Willen der Volksfrontregierung und gegen den Willen der KPF erklärt wurde - der Strategie der Regierungszusammenarbeit mit der PS vorziehe, die seit der Wahl von Präsident François Mitterrand mit Unterstützung der KPF im Jahre 1981 praktiziert wird. In Wirklichkeit haben diese Parteien weder die Absicht noch die Fähigkeit, einen ernsthaften Streik gegen die Regierung zu organisieren.

 

Nach der Mitterrand-Ära waren die KPF und die NPA (damals noch LCR) sehr auf die wirtschaftliche, politische und mediale Unterstützung der PS angewiesen. Sie sind auch von der Gewerkschaftsbürokratie abhängig, die in mehreren politischen Kämpfen in den letzten zehn Jahren ihre Feindseligkeit gegenüber der Perspektive eines Generalstreiks gegen den Staat gezeigt hat. Wenn Cochins Geschrei, der herrschenden Klasse "in den Hintern zu treten" die Bourgeoisie tatsächlich stören würde, dann würden die Führer der KPF eine dezente Warnung erhalten und Herr Cochin wäre am Ende derjenige mit einem geschlagenen Hinterteil.

 

In der Tat zielt die von der Linksfront geschaffene Kampffront darauf ab, Unterstützung für die PS zu gewährleisten und eine offene Opposition der Arbeiterklasse gegen die Sparpläne zu verhindern, wobei eine solche Bewegung sich zu Recht gegen die Gewerkschaftsbürokratie richten würde.

 

Im Gegensatz zu dem, was Yves Cochin unterstellt, war der von den französischen Arbeitern im Generalstreik von 1936 errungene halbe Sieg (bezahlter Urlaub, eine 40-Stunden-Woche) unvollständig und kurzlebig. Dank der Entscheidung der KPF und der stalinisierten Kommunistischen Internationale, die Arbeiterklasse der Regierung Blum unterzuordnen, die sie nie zu stürzen versucht hatte, wurde der Bourgeoisie die Möglichkeit geboten, eine Gegenoffensive gegen die Arbeiterklasse vorzubereiten. Die revolutionäre Periode in Europa und international hätte die Übernahme der Macht durch die Arbeiterklasse erfordert.

 

Diese Offensive nahm zuerst die Form der Unterdrückung spontaner unabhängiger Arbeiterstreiks an, anschließend die zunehmend positive Haltung der herrschenden Klasse Frankreichs gegenüber dem Faschismus. Die Folge war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges die Kapitulation der Dritten Republik vor der Nazi-Invasion und die Installation des Pétain-Regimes.

 

Diese historischen Erfahrungen gewinnen heute, inmitten der Rechtswende der europäischen Politik nach der zunächst auf Griechenland konzentrierten Schuldenkrise, eine neue Bedeutung. Bei der Diskussion über den Sparkurs in Griechenland, der zur Entlassung des militärischen Oberkommandos und einem Wechsel in der Regierung führte, bei der die Neofaschisten von LAOS einbezogen wurden, schrieb die NPA: "Diese Ereignisse zeigen die Dringlichkeit des Bruchs mit dem Kapitalismus, der Weigerung, die Schulden zurückzuzahlen, die Banken zu enteignen und die Löhne zu erhöhen."

 

Die NPA weiß, dass die zukünftige französische Regierung, auch wenn sie von den Sozialdemokraten geführt wird, eine ähnliche Politik umzusetzen versuchen wird, wie die der griechischen Sozialdemokraten. Die NPA behauptet, es werde möglich sein, Druck auf eine solche Regierung auszuüben, um günstigere Maßnahmen im Interesse der Arbeiter zu erreichen. Diese Perspektive ist falsch und unbegründet.

 

Die NPA will die Menschen glauben machen, man könne eine Regierung, zum Beispiel die der PS, mit eintägigen von den Gewerkschaften organisierten Protesten zum Rückzug zwingen. Alle Erfahrungen der jüngsten Zeit, wie auch im Jahr 1936 zeigen, dass dies nicht der Fall ist.

 

Nach der im Fernsehen übertragenen Rede Sarkozys präsentierte sich François Hollande von der PS als bester Kandidat für die Finanzmärkte. Er nahm eine protektionistische Haltung gegenüber China ein und beklagte den Verlust der europäischen Souveränität gegenüber China.

 

In den letzten NPA-Artikeln über Griechenland ignoriert die Partei bewusst die Tatsache, dass Papandreou nach seiner Ankündigung einer Volksabstimmung über den Rettungsplan Brüssels einen Militärputsch befürchtete. Die Einsetzung einer Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten, Konservativen und den Neofaschisten der LAOS unterstreicht mehr und mehr den rechten Charakter aller bürgerlichen Parteien in Europa, sei es mit einer konservativen oder sozialdemokratischen Färbung.

 

Die Antwort der NPA auf Sarkozys Sparplan besteht in der Zusammenarbeit mit dem stalinistischen Milieu und durch diese mit der PS. Die Arbeiterklasse in Frankreich und in der ganzen Welt muss mit diesen Organisationen brechen. Sie muss um die politische Macht und für die Bildung einer Arbeiterregierung auf Grundlage sozialistischer Politik kämpfen.

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