Präsident Hollande nimmt nach Amtseinführung an Gipfel in Berlin teil

Der französische Präsident Francois Hollande brach nach seiner Amtseinführung gestern in Paris sofort nach Berlin auf, wo er sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel traf, um über Wirtschaftspolitik zu diskutieren.

Vor dem Treffen waren Versuche, in Griechenland eine Regierung zu bilden, gescheitert, während der Widerstand der europäischen Arbeiterklasse gegen die Sparpolitik wächst, die von der Europäischen Union (EU) unter Führung von Merkel und Hollandes konservativem Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy gefordert wird. Bei dem Treffen herrschten Spannungen, da Hollande im Wahlkampf die Politik von Merkel und Sarkozy kritisiert und erklärt hatte, Austerität sei „kein unausweichliches Schicksal.“

Nach dem Treffen mit Merkel erklärte Hollande auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, er richte ein „Signal“ an die griechische Bevölkerung: „Wir werden ihnen mit wachstumsfördernden Maßnahmen entgegenkommen, damit sie weiterhin in der Eurozone bleiben können.“

Auch Merkel sagte, sie wolle, dass Griechenland den Euro behält, obwohl das Land vor dem Staatsbankrott stehe. Seine Wirtschaft ist durch verheerende Sozialkürzungen in die Knie gezwungen worden, die ihm von den Banken und der EU aufgezwungen wurden,.

Hollandes Bemerkungen zeigen jedoch, dass er generell die Haushaltskürzungen und die Sparkampagnen bei den Sozialleistungen akzeptiert, die im März im europäischen Fiskalpakt festgelegt wurden. Das entspricht Auch seiner Innenpolitik. In seinem Wahlkampf versprach er, das französische Haushaltsdefizit bis 2017 auf null zu senken – das heißt, es sollen mehr als hundert Milliarden Euro jährlich durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen eingespart werden.

Er deutete an, dass er sich statt mit einer Neuverhandlung des Fiskalpaktes – wie er es im Wahlkampf versprochen hatte – auch mit einer separaten Erklärung für „Wachstumspolitik“ zufrieden geben könnte. Er forderte die Verwendung von EU-Geldern für Investitionen und die Herausgabe sogenannter „Eurobonds“. Das sind Schuldverschreibungen, die gemeinsam von den EU-Staaten finanziert werden, um die Staatsschulden der Länder auszugleichen. Er erklärte: „Alle Seiten müssen alles vortragen, womit man für Wachstum sorgen kann.“

Merkel ihrerseits betonte, sie werde mit Hollande zusammenarbeiten: „Uns ist die Verantwortung unserer beiden Länder für eine gute Entwicklung Europas bewusst. In diesem Geist werden wir Lösungen suchen.“

Ihre weiteren Äußerungen zeigten jedoch, dass die deutsche Regierung nicht beabsichtigt, von ihrer Sparpolitik abzurücken. Sie nannte Wachstum ein „allgemeines Konzept,“ das durch verschiedene Herangehensweisen erreicht werden könne und deutete an, Hollandes Politik sei gar nicht so verschieden von ihrer eigenen: „Für Außenstehende sehen die Unterschiede größer aus, als sie wirklich sind.“

Damit spielte Merkel wohl auf Hollandes Signale an, er werde nach der Parlamentswahl im Juni viele seiner Wahlversprechen fallenlassen und einen offeneren Sparkurs einschlagen.

Diese Woche rieten Hollandes Berater ihm nochmals, die Veränderungen, die er anstrebe, im Rahmen der bestehenden Sparpolitik zu halten.

Am Montag erklärte Phillipe Aghion, Harvard-Absolvent, Ökonomieprofessor und Wirtschaftsberater Hollandes in der Financial Times: „[Hollandes] Vorbild ist Jacques Delors, der ehemalige Chef der Europäischen Kommission und Architekt des europäischen Binnenmarktes. Europa und die Sorge um Haushaltsdisziplin stecken ihm im Blut... Merkel sollte optimistisch sein. Der schnell denkende, langsam handelnde neue Präsident wird sich als bereitwilliger Partner bei der Wiederbelebung Europas, erweisen.“

Obwohl vieles darauf hindeutet, dass Hollande sich an Merkels Kürzungspolitik zu Lasten der Arbeiterklasse beteiligen wird, gibt es scharfe Spannungen darüber, wie die unterschiedlichen Interessen der herrschenden Klassen Europas befriedigt werden sollen. Berlin hat sich oft geweigert, die Europäische Zentralbank (EZB) Geld drucken zu lassen, um Banken mit europäischen Staatspapieren in ihren Bilanzen zu finanzieren – Hollande hat genau das mehrfach gefordert.

Hollandes Amtseinführungsfeier zeigte noch deutlicher den gemäßigten, wirtschaftsfreundlichen Charakter seiner Präsidentschaft. In einer Einführungsrede im Elysee-Palast warnte er vor Frankreichs „hohen Schulden“ und „sinkender Wettbewerbsfähigkeit“. Er erklärte es sei sein Ziel, „Frankreich gerecht wieder aufzubauen, einen neuen Weg für Europa zu öffnen und den Weltfrieden zu bewahren.“

Hollande versprach, den französischen Staat noch weiter zu dezentralisieren, staatliche Ausgaben auf kommunale Behörden zu übertragen und die Verhandlungen mit „Sozialpartnern“ zu intensivieren – d.h. mit den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaftsorganisationen, die die Sozialausgaben kontrollieren.

Er würdigte alle Präsidenten der Fünften Republik, die mit Ausnahme von Francois Mitterand, der wie Hollande aus der Sozialistischen Partei (PS) kam, allesamt der bürgerlichen Rechten angehörten. Hollande lobte Charles de Gaulle, der „sein Prestige in den Dienst an der Größe und der Souveränität Frankreichs gesteckt hat“, George Pompidou, der die Industrie zur nationalen Priorität erhoben hat, und Valery Giscard d’Estaing, der Frankreichs Modernisierung weiter voran gebracht hat. Eine besondere Widmung ging an Mitterand, sowie an dessen konservativen Nachfolger Jacques Chirac.

Danach stellte Hollande seine Mitarbeiter im Elysee-Palast und den neuen Premierminister der Übergangsregierung vor, die bis zu den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni im Amt bleiben soll.

Er entschied sich für Pierre-Rene Lemas als Generalsekretär des Elysee Palastes, der früher im Innenministerium für die Dezentralisierung verantwortlich war. Lemas wird unterstützt von Emmanuel Macron, einem ehemaligen Miarbeiter der Rothschild-Bank, der ihn in Wirtschaftsfragen beraten wird, sowie Nicolas Revel, den ehemaligen Stabschef des Pariser Bürgermeisters Bertrand Delanoe.

Diplomatische Berater im Elysee-Palast wird Paul Jean-Ortiz, der bisher Direktor für Asien und Ozeanien im Außenministerium war.

Lemas erklärte, Hollande habe als provisorischen Premierminister Jean-Marc Ayrault ernannt. Dieser war früher Chef der sozialistischen Fraktion in der Nationalversammlung. Für heute wird die Bekanntgabe der provisorischen Minister erwartet. Die französische Presse beschreibt die Nominierung von Ayrault, des Bürgermeisters von Nantes und ehemaligen Deutschprofessors, als Signal, dass Hollande enge Beziehungen mit Deutschland beibehalten will.

Vertreter der rechten Union für eine Volksbewegung (UMP) kritisierten Ayraults Nominierung, da er im Jahr 1997 für Günstlingswirtschaft bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu einer Geldstrafe von 30.000 Franc (4.600 Euro) und einer (zur Bewährung ausgesetzten) Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. Hollande hatte am 15. April erklärte, er werde, wenn er gewählt werde, „niemanden mit mir in den Elysee-Palast nehmen, der von einem Gericht verurteilt worden ist.“

Die Neofaschistin Marine Le Pen sagte, Ayraults Nominierung sei „ein erster Bruch des Vertrauens, welches das französische Volk in Hollande setzt. Jean-Marc Ayrault erfüllt wegen seines Prozesses und seiner Verurteilung nicht die Kriterien, die Hollande selbst gesetzt hat.“

Sie kritisierte die Vorstellung, dass Ayrault helfe, die Beziehungen zu Deutschland zu verbessern: „Wir brauchen keinen deutschsprachigen Premierminister. Gegenüber Merkel muss man nur ein deutsches Wort kennen: ‚Nein’.“

Ayrault antwortete, seine „persönliche Rechtschaffenheit“ sei durch das Urteil, das 2007 aufgehoben worden sei, nicht in Frage gestellt worden. Seine Anwälte sagten auf TF1, dieses Urteil zu erwähnen, sei „ein Verstoß gegen das Strafrecht.“

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