Wie die Gruppe Lutte Ouvrière bei der Wahl in Frankreich Hollande unterstützte

Bei der zweiten Runde der französischen Wahlen Anfang des Monats zeigte sich, wie die ganze Bande kleinbürgerlicher Gruppen, die sich im Dunstkreis der Sozialistischen Partei (PS) bewegt, schnurstracks hinter deren Kandidaten, Francois Hollande einreihte. Zwar kam das nicht unerwartet, es war jedoch sehr aufschlussreich über den Charakter und die Rolle dieser Organisationen.

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl deutete Nathalie Arthaud, die Präsidentschaftskandidatin von Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf, LO) am 22. April in einer gewundenen Stellungnahme an, dass sie nicht gegen eine Wahl Hollandes eintreten werde, von dem erwartet wurde, dass er in der Stichwahl am 6. Mai gegen den amtierenden Nicolas Sarkozy gewinnen würde.

LO bekam mit 0,56 Prozent der Stimmen weniger als die Hälfte von 2007 und ein Zehntel ihres Ergebnisses von 2002. Arthaud erklärte, sie werde ihre Wähler aus der ersten Runde dazu aufrufen, in der zweiten Runde „nach ihrem Gewissen“ abzustimmen. Dann wies sie darauf hin, dass sie eine Stimmabgabe für Hollande für sinnvoll halte. Sie schrieb: „Es liegt auf der Hand, dass kein bewusster Arbeiter für Sarkozy, den Präsidenten der Reichen stimmen kann, der in seiner fünfjährigen Amtszeit ein loyaler Diener der Wirtschaftsbosse und Banker war. Einige meiner Wähler, die mit der aufgezwungenen Wahl zwischen dem erklärten Feind der Arbeiter und einem falschen Freund konfrontiert sind, werden sich enthalten oder einen leeren Wahlzettel abgeben. Andere werden für Hollande stimmen, um Sarkozy loszuwerden.“

Damit stellte sich Arthaud hinter die Pressekampagne der Linksfront Jean-Luc Mélenchons und der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), die bei ihrem Aufruf zur Wahl Hollandes von der gleichen Argumentation wie Arthaud ausgingen.

Arthauds Aussage fasst zusammen, worauf ihre Kampagne letztendlich hinauslief: sie stellte sich hinter Francois Hollande, den reaktionären Kandidaten, der in seinem Wahlkampf für die Durchsetzung von Haushaltsdisziplin, für die Neuverhandlung des Europäischen Fiskalpakts und die Fortsetzung der imperialistischen Kriege in Libyen und Syrien eintrat. Die Haltung der LO ist besonders zynisch: sie meint, für eine Wahl Hollandes eintreten und gleichzeitig zugeben zu können, dass sein Sieg Austeritätsmaßnahmen nach sich ziehen, und die Wahrscheinlichkeit eines Auftriebs für die neofaschistische Nationale Front (FN) erhöhen werde. In ihrem Statement am Abend des 22. April gab Arthaud dies zu: „Umso größer die Unzufriedenheit in Folge der Sparmaßnahmen sein wird, die Hollande unter dem Druck der Finanzkreise durchführt, umso mehr wird die extreme Rechte gestärkt werden.“

Das wirft eine wichtige Frage auf: wenn LO weiß, dass die Regierung Hollande die sozialen Rechte der Arbeiter angreifen und die Neofaschisten stärken wird, warum hat LO die Arbeiter nicht vor der Gefahr einer solchen Regierung gewarnt, und nicht auf die Notwendigkeit eines politischen Programms unabhängig von der bürgerlichen „linken“ PS hingewiesen? Warum hat sie Hollande nicht angegriffen, nicht von Hollandes Wahl abgeraten und nicht vor den sozialen Angriffen auf die Arbeiterklasse gewarnt, die sein Sieg zur Folge haben würde?

Fest in der Gewerkschaftsbürokratie und desorientierten studentischen Zirkeln verwurzelt, versucht LO jede Orientierung an einem Kampf gegen Hollande schon im Keim zu ersticken. Diese Schichten waren in Wirklichkeit schon mit von der Partie, als der Vorgänger Hollandes, Präsident Nicolas Sarkozy, die Angriffe auf die sozialen Errungenschaften der Arbeiter durchführte.

Unter Vorspiegelung eines Kampfes gegen die extreme Rechte beabsichtigt die LO, nach den Wahlen ein Bündnis mit den Hilfstruppen der PS zu schließen. Zu den Stimmenzuwächsen der Neofaschisten sagte Arthaud: „Nur die Stärkung der Kräfte auf dem politischen Terrain der Arbeiterklasse kann ein Gegengewicht zur Stärkung der extremen Rechten schaffen und sie daran hindern, als alleinige oppositionelle Kraft aufzutreten.“

Weder Arthaud noch LO unterstützen den unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse. Sie wollen, dass die Kämpfe der Arbeiter von der Gewerkschaftsbürokratie und den korrupten „linken“ etablierten Parteien in Schranken gehalten und entschärft werden.

LO bezeichnet die PS auch weiter als linke Partei – eine Formel, mit der die Illusion geschaffen werden soll, die PS werde auf öffentlichen Druck durch gewerkschaftlich geführte Demonstrationen oder eventuelle Streiks reagieren. Dies ist in der Tat die einzige Art „Kampf“, den die LO unter einer SP-Regierung gutheißen würde. Hinter dem Lobgesang im Leitartikel von LO vom 26. März auf die Arbeiterklasse als „große und unschlagbare Kraft“ verstecken sich in der Praxis Entwaffnung und Demoralisierung der weit verbreiteten Opposition.

Selbst in der Begründung Arthauds für ihren Wahlkampf zeigt sich der Konservatismus der Partei, für die alles, außer einer Revolution, denkbar ist. Das einzige, was man nach ihrer Ansicht tun kann, ist, die Fackel des Kommunismus hochzuhalten“, damit die Arbeiterklasse in ferner, rein spekulativer Zukunft „wieder in eine Phase des Kampfes eintreten“ kann.

In einem Interview mit Le Monde am 13. April erklärte Arthaud, was sie mit „dem Tragen der Fackel“ meint. Sie sagte: „Wir bei der LO sind diejenigen, die sie weiterreichen, das ist unsere Daseinsweise. Natürlich wünschte ich, der große Revolutionstag wäre morgen, aber in der Zwischenzeit kämpfe ich. Marx sah, dass die Pariser Kommune zusammenbrach, jedoch nicht die Revolution der Arbeiter, und was mich betrifft, vielleicht werde ich gar nichts zu sehen bekommen.“

Geht man davon aus, dass Arthaud 42 ist und statistisch noch eine Lebenserwartung von 40 Jahren hat, ist eine solche Aussage erstaunlich. Nach ihrer Einschätzung wird das Elend, das durch Wirtschaftskrise, Sparmaßnahmen und Kriege Frankreichs, Amerikas und anderer imperialistischer Mächte verursacht wird, noch bis 2050 fortdauern. Die demoralisierte und bankrotte Perspektive der LO könnte kaum drastischer demonstriert werden.

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