Französische Präsidentschaftswahl:

Unabhängige Arbeiterpartei (POI) unterstützt “linken” bürgerlichen Kandidaten

Die kleinbürgerliche Unabhängige Arbeiterpartei (POI), die zur französischen „Linken“ gezählt wird, hat in den diesjährigen Präsidentschaftswahlen keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. In der entscheidenden zweiten Wahlrunde am 6. Mai tritt sie offenbar für François Hollande, den Kandidaten der Sozialistischen Partei (PS), ein, obwohl dieser einen strikten Sparkurs befürwortet.

Als Hauptforderung verlangt die POI, dass der künftige französische Präsident sich am 25. Mai weigern solle, den Fiskalpakt der 27 EU-Länder zu unterzeichnen. Dieser Pakt zwingt alle Unterzeichner, so auch Frankreich, zu einschneidenden Sozialkürzungen, um das Haushaltsdefizit auszugleichen. Die POI tut so, als wäre es möglich, dass ihre Forderung nach Nicht-Ratifizierung dieses Pakts von einem künftigen Präsidenten namens Hollande erfüllt werden könnte. Hauptsache, er hieße nicht mehr Nicolas Sarkozy.

In ihrer Erklärung vom 23. April schreibt die POI: „Diese Forderung richtet sich an alle Kräfte, die vorgeben, die Arbeiterklasse und Demokratie zu repräsentieren. An diesem 22. April richtet sie sich vor allem an die Person, die in dieser ersten Wahlrunde an die Spitze gestellt wurde: François Hollande. Er muss auf die Frage, die sich ihm stellt, klar antworten. Wird er das tun?“

Das ist eine absurde, unehrliche Fragestellung. Hollande hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die Absicht hat, rücksichtslose Sparmaßnahmen gegen Arbeiter durchzusetzen. Er hat öffentlich bekräftigt, dass er mit dem Fiskalpakt und mit der damit verbundenen, von ihm so genannten „Austeritätskomponente“ einverstanden ist. Er lässt hingegen offen, ob der Pakt für Bankerboni und Topmanagergehälter unbedingt eine „Wachstumskomponente“ beinhalten müsse. Sein Wahlkampf beruht auf der Verpflichtung, das Haushaltsdefizit bis 2017 auf Null zu reduzieren. Dies käme jährlichen Haushaltskürzungen von 115 Milliarden Euro gleich.

Unter diesen Bedingungen ist es vollkommen reaktionär, von Hollande zu verlangen, den Fiskalpakt zu verweigern, geschweige denn, ihn als jemanden hinzustellen, der auf der Seite der „Arbeiterklasse“ und der „Demokratie“ stehen könnte. Er ist weit davon entfernt.

Die Maßnahmen, die er gegen die arbeitende Bevölkerung im Schild führt, können nur verhindert werden, wenn Arbeiter bereit sind, jeden Präsidenten, der an die Macht kommt, politisch zu bekämpfen. Wenn Hollande gewinnt, bedeutet dies, dass der Kampf gegen die PS und ihre Verbündeten notwendig wird, also auch gegen die Linksfront von Jean-Luc Mélenchon, die Gewerkschaftsbürokratie und die kleinbürgerlichen Parteien der so genannten „Linken“, zu denen die POI selbst gehört. Genau das möchte die POI verhindern.

Die halbherzige Kritik der POI an der reaktionären EU-Bürokratie dient selbst nur dazu, ihre rechte, PS-freundliche Politik zu kaschieren. Ihre Erklärung vom 26. April beginnt mit einem Hinweis auf die „Austeritätswende“, die der damalige PS-Präsident François Mitterrand 1983 einleitete. Sie habe „aufgrund des Diktats der Europäischen Union einen dreißigjährigen, arbeiterfeindlichen Konsens“ eingeleitet.

Schon im nächsten Absatz widerspricht die POI jedoch ihrer eigene Einschätzung, wenn sie darauf hinweist, dass die EU erst 1992 unter aktiver Beihilfe Mitterrands geschaffen wurde. Dieser Versuch, die arbeiterfeindliche Politik Mitterrands der 1980er Jahre der EU in die Schuhe zu schieben, ist ein durchsichtiges Manöver, um die Rolle zu verbergen, welche die POI selbst dabei gespielt hat.

Der Vorläufer der POI, die Internationalistische Kommunistische Organisation (OCI), brach 1971 mit dem Trotzkismus und dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale. Das war kurz nach den Studentenprotesten und dem Generalstreik von 1968. Die OCI nahm damals die Forderung nach der vollkommen falschen Perspektive einer „Einheit der Linken“ auf. Sie besagte, dass die OCI eine revolutionäre Massenbewegung schaffen könnte, indem sie die PS und die stalinistische Kommunistische Partei Frankreichs(KPF) zu einer Wahlallianz drängte. Die OCI integrierte sich selbst in die PS-Maschinerie, und viele ihrer Mitglieder gingen in den 1970er und 1980er Jahren in der PS auf.

Das Ergebnis war für die Arbeiterklasse eine politische Katastrophe. Diese Abwendung der OCI vom Marxismus enthält bittere Lehren. Die OCI rief 1981 zur Wahl Mitterrands auf und hielt ihre Orientierung auf die PS auch während und nach der „Austeritätswende“ von 1983 bei.

Die spätere Entwicklung der Organisation bestätigte ihre Orientierung auf den französischen Nationalismus und ihre Feindschaft gegen die Arbeiterklasse und den Trotzkismus. Im November 1991, als die stalinistische Bürokratie die UdSSR aufgab, verwandelte sich die OCI in die Arbeiterpartei (PT). Sie vereinigte drei kleinere Fraktionen: eine sozialdemokratische, eine anarcho-syndikalistische und eine stalinistische, und nahm ein vollkommen nationalistisches Programm an. Im Jahr 2007 nahm sie den Namen POI an, und seither lautet ihr Parteimotto: „Für Republik, Sozialismus und Demokratie“.

Heute unterstützt die POI einmal mehr die PS, indem sie Illusionen in Hollande schürt, der seine Karriere in den spätern 1970er Jahren als PS-Funktionär unter Mitterrand begonnen und dessen „Austeritätswende“ voll mitgetragen hat. Auch heute macht er kein Geheimnis daraus, dass er scharfe Angriffe auf die Arbeiter plant. Bezeichnenderweise geht die POI in ihrer Wahlerklärung mit keinem Wort auf die Interventionen des französischen Imperialismus in Libyen, der Elfenbeinküste oder Syrien ein.

Ihre politische Linie ist kaum vom nationalistischen, PS-freundlichen Wahlkampf von Jean-Luc Mélenchon zu unterscheiden. Mélenchon, Kandidat der Linksfront, war selbst früher OCI-Mitglied, trat 1976 in die PS ein und übernahm von 1997 bis 2002 Ministerfunktionen in der Regierung von Premierminister Lionel Jospin, eines weiteren früheren OCI-Mitglieds. Dieses Jahr tritt Mélenchon als Kandidat der KPF-dominierten Linksfront an, um im zweiten Wahlgang uneingeschränkt Hollande zu unterstützen.

In den Wahlen zur Nationalversammlung vom kommenden Juni präsentiert die POI 130 Kandidaten in sechzig Departements. Wie mehrere POI-Mitglieder schon zu WSWS-Reportern gesagt haben, erwägt die Partei eine Art Allianz mit Mélenchons Linksfront.

Die POI ist keine linke oder sozialistische Partei. Sie ist eine reaktionäre, von kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Interessen dominierte Partei. Der größte Teil ihrer Basis besteht aus Gewerkschaftsbürokraten von Force Ouvrière (FO) und Funktionären auf kommunaler Ebene, beispielhaft verkörpert in ihrem Sekretär, Gérard Schivardi, der 2001 mit den Stimmen der PS zum Bürgermeister von Mailhac gewählt wurde. Die POI preist die kommunalen Funktionäre, als seien sie vom Nationalstaat unabhängig, obwohl deren ganze Arbeit in Wirklichkeit von der Politik der nationalen Regierung und den sozioökonomischen Bedingungen des Weltmarkts bestimmt wird.

Weil in Frankreich zynische Karrieristen auf diese Art die gesamte offizielle “Linke” dominieren, ist die neofaschistische Nationale Front (FN) so stark angewachsen und hat im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen achtzehn Prozent der Stimmen erhalten. Große Teile der Arbeiterklasse betrachten Parteien wie die POI zu Recht als integrale Vertreter des korrupten Establishments. In Anbetracht des politischen Vakuums auf der Linken gehen viele Proteststimmen an die FN.

Die Manöver der POI sollen verhindern, dass die Arbeiterklasse sich nach links entwickelt. Sie verbessern objektiv die Bedingungen für einen Wahlerfolg der FN. In der Wahlerklärung der POI vom 23. April wird die FN erstaunlicherweise nicht einmal erwähnt.

In der darauf folgenden Erklärung erteilt die POI der PS einen vollkommen bankrotten Rat, wie der Aufstieg der FN zu stoppen sei: „Wenn François Hollande und Jean-Luc Mélenchon klar versprechen würden, die Verträge von Maastricht und Lissabon zu kündigen, mit der Europäischen Zentralbank zu brechen und die Gelder für die Schulden- und Reservefonds zu verweigern, wenn sie Arbeitsplätze verteidigen und Entlassungen verbieten würden, - wie viele Stimmen würde Madame Le Pen dann wohl erhalten?“

In Wirklichkeit könnten Hollande und Mélenchon all dies und noch viel mehr versprechen, ohne dass es großen Eindruck machen würde. Viele Arbeiter und Studenten würden ihnen nicht glauben. Der Zweck der Slogans der POI wäre nicht, den Kampf für diese Forderungen in der Arbeiterklasse aufzunehmen, sondern auf dieser Grundlage weitere Illusionen in die PS zu schüren.

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