Untersuchungsausschuss in Großbritannien:

Rupert Murdoch als globaler Konzernleiter ungeeignet

Der Ausschuss für Kultur, Medien und Sport des britischen Unterhauses kommt in seinem Untersuchungsbericht zum Schluss, dass Rupert Murdoch „nicht geeignet ist, einen großen internationalen Konzern zu leiten“. Mit diesem Bericht hat die Krise von News International und ihrer globalen Stammfirma News Corp. ein neues Stadium erreicht.

Der Bericht rückt den Skandal um illegales Telefonabhören durch die inzwischen eingestellte News of the World (NotW) wieder in unmittelbare Nähe der Regierung selbst und enthält massive Vorwürfe von korrupten Beziehungen zu Polizei und Politikern.

Der Ausschuss hatte nur einen beschränkten Untersuchungsauftrag. Er entschied, er könne keine inhaltlichen Fragen in Bezug auf Personen aufgreifen, gegen die polizeiliche Untersuchungen laufen, was sich auf die ehemaligen NotW-Chefredakteure Rebekah Brooks und Andy Coulson bezog. Dennoch ist sein Inhalt vernichtend und wird politische und möglicherweise juristische Folgen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten haben.

Rupert Murdoch „hat sich nicht bemüht, über das Abhören von Telefonen voll informiert zu sein”, befand der Ausschuss. „[Er] schaute weg und wollte über die Dinge, die in seinen Firmen und Presseorganen vor sich gingen, nichts wissen.“

Sein Sohn James, der für Murdochs britische Firma News International verantwortlich war, habe „einen Mangel an Interesse und vorsätzliche Unwissenheit“ über das ganze Ausmaß des Telefonabhörens an den Tag gelegt, dem mehrfach „ein industrielles Ausmaß“ bescheinigt wurde. Der Bericht schließt: “Bei News Corp. und News International hat es an guter Unternehmensführung gemangelt.“

Der Ausschuss geht zwar vorsichtig mit Brooks um, besonders hinsichtlich ihrer Aussagen vor dem Ausschuss über das Abhören der Familie der ermordeten Schülerin Milly Dowler, aber er bezeichnet sie trotzdem als “für die Unternehmenskultur verantwortlich, die solche Praktiken zuließ”.

Andere hochrangige Vertreter von News International wurden regelrecht ans Kreuz genagelt, so der ehemalige Vorstandsvorsitzende Les Hinton, Ex-NotW-Redakteur Colin Myler und der ehemalige Chef der Rechtsabteilung Tom Crone. Alle drei werden unter anderem beschuldigt, mit ihren Aussagen vor dem Ausschuss das Parlament in die Irre geführt und offen missachtet zu haben. Ganz besonders Hinton sei „in die Verschleierungsaktion bei News International verwickelt“.

Der Untersuchungsbericht bedeutet, dass die drei verpflichtet werden könnten, sich vor dem Parlament zu entschuldigen. Das hat es seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr gegeben.

Die Affäre ist für die Regierung eine unmittelbare Bedrohung. Premierminister David Cameron beschäftigte Coulson als Berater und versucht im Moment, seinen Minister Jeremy Hunt vor dem Rücktritt zu bewahren. Hunt droht eine Untersuchung darüber, inwiefern er die Übernahmepläne Murdochs für den Satelliten-Kanal BSkyB unterstützt habe.

In der BSkyB-Frage könnte es zu einer Untersuchung der Aufsichtsbehörde Ofcom kommen. Sie hat schon erklärt, nach den Rundfunkgesetzen von 1990 und 1996 sei sie verpflichtet, zu untersuchen, ob der Betreiber einer Rundfunklizenz die moralischen und sonstigen Voraussetzungen dafür erfülle.

Cameron selbst wird beschuldigt, unangemessen enge Beziehungen zu Murdoch unterhalten zu haben.

Das erklärt die unterschiedlichen Meinungen im Ausschuss zu dem Bericht entsprechend der Parteizugehörigkeit. Die fünf Labour-Mitglieder und Adrian Sanders von den Liberaldemokraten stimmten für die Kritik an Rupert Murdoch und eine entschiedenere Verurteilung von James. Die vier konservativen Mitglieder stimmten gegen das Abschlussdokument und verunglimpften es öffentlich als parteiisch.

Die Tory-Abgeordnete Louise Mensch sagte auf einer Pressekonferenz: “Der Punkt, weswegen kein konservatives Ausschussmitglied dem Bericht selbst zustimmen konnte, war die mittendrin eingefügte Zeile, dass Rupert Murdoch nicht geeignet sei, eine internationale Firma zu leiten.” Sie sei „eingefügt worden, obwohl der Ausschuss dafür keinerlei Belege zu Tage gefördert hat“, sagte sie.

Zu James Murdoch hieß es in dem ursprünglichen Bericht, die Abgeordneten “neigten zu der Ansicht”, er habe die Dokumente von 2008 nicht gesehen, die belegten, dass Abhöraktionen weit verbreitet waren. Daraus wurde die Formulierung, dass es „keine schlüssigen Beweise gebe, dass James Murdoch die [entscheidende] Email gesehen hat, oder ihre tiefere Bedeutung verstanden hat“ (Hervorhebung hinzugefügt).

Das Ausschussmitglied Tom Watson (Labour) hat den Murdochs besonders zugesetzt. Er war eine Zielperson von News Internationals Angriffen und ein enger Verbündeter von Ex-Premierminister Gordon Brown, den Murdoch zugunsten der Konservativen aufgegeben und auch persönlich bekämpft hatte.

Watson formulierte die umstrittenen Passagen des Schlussberichts. Nach seiner Veröffentlichung nahm er kein Blatt vor den Mund und erklärte: „Diese Leute haben unser Land korrumpiert. Sie haben Schande über unsere Polizei und unser Parlament gebracht. Sie haben gelogen, betrogen, erpresst und unter Druck gesetzt, und wir sollten uns alle schämen, wenn wir daran denken, wie lange wir uns vor ihnen geduckt haben.“

Seine Beteuerungen sind natürlich durchaus fragwürdig. Denn alle Betroffenen haben sich als nur allzu bereit erwiesen, von Murdoch „korrumpiert“ zu werden. Die Labour Party ist davon nicht ausgenommen. Ihre Führer Tony Blair und Gordon Brown krochen vor seinem Medienimperium auf dem Bauche und vertraten seine Interessen, bis er sie kurz vor der Wahl fallen ließ.

Trotzdem wirft Watson politisch explosive Fragen auf. Er ruft alle aktiven und ehemaligen Premierminister und Schatzkanzler auf, detailliert über ihre SMS- und Email-Kontakte mit den Spitzen von News Corp. und News International Auskunft zu geben.

Sein Kollege im Ausschuss, Paul Farrelly, schrieb am 1. Mai eine Meinungskolumne im Guardian mit dem Titel „Warum wir glauben, dass Rupert Murdoch nicht geeignet ist, News International zu führen“. Der Guardian spielte als Konkurrent von News International in der Offensive gegen Murdoch eine Schlüsselrolle.

Bei Farrelly wurde deutlich, dass in dem Skandal noch einiges zu erwarten ist. Er schrieb: „Zentrale Beweise liegen noch bei Gericht. Auch wenn wir das parlamentarische Privileg haben, alles sagen zu dürfen, was wir wollen, (…) so wollen wir doch kommende Gerichtsverfahren nicht präjudizieren.“

Aber er sagte dann doch, News International habe beide Augen zugemacht, „wofür die Firmendirektoren, darunter Rupert Murdoch und James Murdoch, letztlich die Verantwortung übernehmen müssten”.

“Die Polizei und die Staatsanwaltschaft haben sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Wir behalten uns das Recht vor, nach Beendigung der polizeiinternen Untersuchungen und noch kommenden Prozesse weitere Ergebnisse zu veröffentlichen“, schloss er.

Die mehrfache Verwendung des Ausdrucks “vorsätzlich” – „vorsätzliches Wegschauen“ oder „vorsätzliche Unwissenheit“ – hat für Großbritannien keine juristische Bedeutung, könnte aber in Amerika für News Corp. eine Büchse der Pandora öffnen.

Am Mittwochabend erhielt Murdoch die einstimmige Unterstützung des Aufsichtsrats von News Corp. Schließlich halten die Murdochs vierzig Prozent der Stimmrechte. Doch ein externer juristischer Angriff ist eine viel größere Bedrohung.

Adrian Sanders bemerkte in seiner Befragung von James Murdoch, dass “vorsätzliches Wegschauen” schon „im Enron-Skandal eine Rolle spielte“ und einen „juristischer Begriff“ darstelle. Die Feststellung „ist deswegen besonders pikant, weil sie auf Formulierungen im US Foreign and Corrupt Practices Act (US-Auslands- und Korruptionsgesetz) anspielt“, kommentiert der Guardian. „Verschiedene Untersuchungen des amerikanischen Justizministeriums und des FBI machen klar, dass James und Rupert Murdoch persönlich für Vergehen der News Corp. verantwortlich gemacht werden können, weil sie es hätten wissen müssen, gleichgültig, ob sie an den Vergehen persönlich beteiligt waren.“

Eine Untersuchung gegen News Corp. wegen angeblicher Bestechung ausländischer Personen läuft schon. Jay Rockefeller, Vorsitzender des Senatsausschusses für Handel, Wissenschaft und Verkehr, schrieb diese Woche an Lord Justice Leveson, den Vorsitzenden der Justizkommission Ethik in den Medien. Rockefeller schrieb: „Ich möchte von Ihnen wissen, ob ihre Untersuchung darauf hindeutet, dass diese unethischen und manchmal direkt illegalen Geschäftspraktiken auch in den Vereinigten Staaten stattfanden, und ob amerikanische Bürger daran beteiligt waren.“

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