SS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber gestorben

Im Alter von 90 Jahren starb am 24. Mai 2012 der SS-Kriegsverbrecher Klaas Carel Faber aus den Niederlanden in einem Krankenhaus in Ingolstadt. Faber war nach Kriegsende aufgrund der Ermordung von Juden und Widerstandskämpfern in den Niederlanden zum Tode verurteilt worden. Ein Jahr später wurde die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt.

Nachdem er 1952 aus der Haft im Gefängnis Breda zusammen mit sechs weiteren SS-Kriegsverbrechern nach Deutschland fliehen konnte, lebte er hier weitere sechs Jahrzehnte weitgehend unbehelligt. Die deutsche Justiz lehnte alle Forderungen der niederländischen Behörden auf Auslieferung oder Absitzen seiner Strafe in Deutschland ab.

Klaas Carel Faber gehörte wie sein Bruder Pieter Johan zu den ersten, die sich nach der deutschen Besetzung der Niederlande 1940 beim Sicherheitsdienst als freiwillige Kollaborateure der Nazis meldeten. Sie gehörten zum SS-Sonderkommando "Silbertanne", das von Johannes Hendrik Feldmeijer angeführt wurde. Der Vater der beiden Brüder war schon 1933 der niederländischen Nazipartei NSB beigetreten. Er wurde im Mai 1944 von Widerstandskämpfern erschossen.

Laut dem Nachrichtenportal NiederlandeNet waren Klaas Carel Faber und sein Bruder Pieter Johan schon als Schüler in der Jugendorganisation der NSB, dem Jeugdstorm, aktiv. Nach ihrem Eintritt in die niederländische Abteilung der Waffen-SS wurde Klaas Carel Faber dort Ausbilder und im Mai 1942 sogar Leibgardist des NSB-Führers Anton Mussert.

Das SS-Sonderkommando „Silbertanne“ erwies sich als besonders berüchtigte Schläger- und Killertruppe. Es drangsalierte Gefangene in verschiedenen Straf- und Arbeitslagern, führte Razzien in Wohnhäusern durch, verhaftete willkürlich Menschen, die es des Widerstands verdächtigte, bedrohte Angehörige und plünderte Wohnungen. Auch das Misshandeln und Töten von Gefangenen geht auf sein Konto.

Beide Faber-Brüder waren im Durchgangslager Westerbork und im Gefängnis von Groningen als Aufseher eingesetzt. Über das Lager Westerbork deportierten die Nazis Zehntausende niederländische Juden in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager. Auch Anne Frank und ihre Familie passierten Westerbork auf ihrem Weg in die Vernichtung. Bereits in Westerbork wurden viele Juden von SS-Angehörigen misshandelt und ermordet.

1947 verurteilte ein niederländisches Sondergericht Klaas Carel Faber und seinen Bruder Piet Johan zunächst zum Tode. Klaas Carel Faber wurde die Ermordung von mindestens 22 Juden und Widerstandskämpfern zur Last gelegt. Während Piet Johan Faber tatsächlich hingerichtet wurde, wandelte ein Gericht die Todesstrafe von Klaas Carel Faber 1948 in lebenslange Haft um. Faber gab in diesem Verfahren die Ermordung von mindestens sechs Menschen zu.

Nachdem Klaas Carel Faber gemeinsam mit sechs anderen SS-Kriegsverbrechern im Dezember 1952 die Flucht aus dem Gefängnis im niederländischen Breda gelungen war, hatten sie, sobald sie die niederländisch-deutsche Grenze überschritten hatten, leichtes Spiel. Sie meldeten sich auf einer deutschen Polizeistation. Sie mussten ein Bußgeld von zehn Mark wegen illegalen Grenzübertritts entrichten, konnten aber ihre Flucht ungehindert fortsetzen.

An der Flucht und Fluchtvorbereitung war auch der SS-Mann Herbertus Bikker beteiligt, der bis zu seinem Tod im November 2008 ebenfalls weitgehend unbehelligt in Deutschland lebte. Er brüstete sich 1997 in einem Interview gegenüber Stern-Reportern: „Der Zollamtsleiter war ein Kriegskamerad.“

Ein Gerichtsdiener schenkte jedem der sieben Flüchtigen zwanzig Mark – zehn für die Strafe, zehn für die Reise. Bikker sagte dazu: „Beim Gericht, das waren alles Kameraden.“

Die niederländische Regierung hatte unmittelbar nach der Flucht der sieben Gefangenen deren Auslieferung beantragt. Doch obwohl alle rasch gefasst wurden, gelangte nur einer von ihnen in die Niederlande zurück: Jacob de Jonge, der von der britischen Militärpolizei unter Protest der Adenauer-Regierung entführt wurde.

Alle anderen, darunter Klaas Carel Faber, wurden vom Bundesgerichtshof zu Deutschen erklärt und durften deshalb laut Grundgesetz nicht ausgeliefert werden. Rechtsgrundlage für diesen Beschluss war der Führer-Erlass vom 19. Mai 1943. Mit ihm hatte Hitler Nichtdeutschen, die sich Nazi- und Wehrmachtsverbänden angeschlossen hatten, die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt. Dieser Erlass gilt praktisch bis heute und ist in über sechs Jahrzehnten seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland nie außer Kraft gesetzt und zurückgewiesen worden.

1954 ermittelte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen Klaas Carel Faber. Das Landgericht Düsseldorf lehnte aber 1957 die Zulassung der Anklage mit der Begründung ab, es gebe keine ausreichenden Beweise. Die niederländische Regierung weigerte sich damals, Rechtshilfe zu leisten, weil sie auf der Auslieferung von Faber beharrte und berechtigterweise die deutschen Gerichte von alten Nazis durchsetzt hielt.

Die Ermittlungsverfahren gegen Faber und die anderen flüchtigen Kriegsverbrecher aus Breda wurden daraufhin eingestellt. Faber lebte bis 1961 unbehelligt im Ruhrgebiet und zog dann nach Ingolstadt in Bayern um. Dort arbeitete er bis zur Rente als Angestellter bei Auto Union und Audi. Anschließend konnte er über zwei Jahrzehnte lang gemeinsam mit seiner Frau seine Rente im Piusviertel in Ingolstadt genießen.

2003 versuchte die niederländische Justiz erneut, gestützt auf die Einführung des Europäischen Haftbehls im Jahr davor, Faber doch noch seiner Strafe zuzuführen. Sie beantragte, dass Faber seine lebenslängliche Haft aus dem niederländischen Urteil von 1948 in einem deutschen Gefängnis absitzen müsse. Doch das Landgericht Ingolstadt entschied 2004, dass die Vollstreckung dieses Urteils wegen der ergebnislosen Ermittlungen von 1954 nicht zulässig sei. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt erklärte den Fall daraufhin für abgeschlossen.

Auch alle späteren Versuche der niederländische Regierung, die Auslieferung Fabers oder einen Prozess gegen ihn in Deutschland zu erreichen, wurden von den deutschen Behörden abgeschmettert. 2006 war die deutsche Gesetzeslage an das Abkommen über den europäischen Haftbehl angepasst worden, doch das Abkommen beinhaltete die Klausel, dass deutsche Staatsbürger nur dann zur Strafvollstreckung ausgeliefert werden dürften, wenn sie dem Verfahren zustimmten. Im Mai vergangenen Jahres teilte die Generalstaatsanwaltschaft in München mit, dass Faber bei einer Anhörung vor dem Amtsgericht Ingolstadt eine Auslieferung an die Niederlande abgelehnt habe.

Die meisten bürgerlichen Medien in Deutschland berichteten nur sehr knapp über den Tod des 90jährigen SS-Kriegsverbrechers. Efraim Zuroff, der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, das Faber zuletzt auf Platz 3 seiner Liste der meistgesuchten NS-Verbrecher führte, bezeichnete es als Schande, dass Deutschland sich mit Berufung auf den „Führer-Erlass“ über Jahrzehnte geweigert habe, selbst einen Massenmörder auszuliefern, und dieser so seiner gerechten Strafe entgehen konnte.

Vor wenigen Wochen (Anfang Mai) führte die Nichtauslieferung Fabers in den Niederlanden erneut zu Kritik. Anlass war die Einladung an Bundespräsidenten Joachim Gauck, während der Feierlichkeiten am niederländischen Gedenktag zum Ende der Nazi-Besatzung eine Rede zu halten. Eine niederländische Aktionsgruppe nahm dies zum Anlass, erneut die Auslieferung des Kriegsverbrechers zu fordern. Statt Gauck solle Deutschland lieber Faber nach Breda schicken, berichtete NiederlandeNet.

Gauck, der in seinen Reden oft die Bundesrepublik als Hort von Freiheit und Demokratie gegenüber der „DDR-Diktatur“ preist, wich in Breda der Causa Faber aus und bemerkte nur, er könne als Bundespräsident in der Angelegenheit wenig tun. Gleichzeitig pries er die deutsche Rechtsstaatlichkeit.

Kein Wort darüber, dass die systematische Weigerung der deutschen Justiz einen verurteilten Kriegsverbrecher seiner gerechten Strafe zuzuführen, bei Weitem kein Einzelfall ist. Eine Strafverfolgung von Naziverbrechern hat in der Bundesrepublik kaum stattgefunden. Seit Kriegsende ermittelte die deutsche Justiz in über 100.000 Fällen, nur 6.500 Beschuldigte wurden verurteilt, und meist zu geringen Strafen.

Gauck lobte das „Geschichtsbewusstsein der Deutschen“ und sprach lange über die Bedeutung der Befreiung vom Nationalsozialismus. Doch über die Aktivitäten von Nazis in der Wirtschaft, Politik und im Staatsapparat der Nachkriegs-BRD sagte er nichts. Kein Wort über Hans Globke, den NS-Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, der in den fünfziger Jahren Kanzleramtschef der Adenauer-Regierung war. Nichts über Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger, den früheren NSDAP-Propaganda-Funktionär und Verbindungsmann zu Joseph Goebbels, und nichts über seine Vorgänger als Bundespräsidenten, Heinrich Lübke, Karl Carstens und Walter Scheel, die alle NSDAP-Mitglieder waren. Und er sagte nichts über den späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der seine berufliche Laufbahn als Rechtsanwalt in den Nürnberger Kriegverbrecherprozessen begann, als er seinen Vater, Ernst von Weizsäcker, verteidigte, der als NS-Staatsekretär im Reichsaußenministerium und als SS-Oberführer eng mit Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop zusammengearbeitet hatte und in Nürnberg rechtskräftig als Kriegsverbrecher verurteilt wurde.

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