Paul Krugman unterstützt Obama und den Kapitalismus

Paul Krugman, der liberale Ökonom und Kolumnist der New York Times, verteidigte in einem Beitrag unter dem Titel „Die republikanische Wirtschaftspolitik“ aus ganzem Herzen die Obama-Regierung, gab den Republikanern im Kongress die Schuld an Obamas rechter Wirtschaftspolitik und ignorierte die Pro-Wall Street-Haltung, die Obama eingenommen hat, seit er im Weißen Haus sitzt und eigentlich schon länger.

Laut Krugman hat Obama nur deshalb keine keynesianische Inflationspolitik – mehr Staatsausgaben, um den Wirtschaftsabschwung auszugleichen – betrieben, weil ihn die Republikaner nicht lassen. Er behauptet: „Ein Großteil, wenn auch nicht die ganze Verantwortung für die politischen Fehlentscheidungen, liegt bei der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, die alles abblockt.“

„Diese Mehrheit hat den Präsidenten praktisch dazu erpresst, alle Steuersenkungen für Reiche aus der Bush-Ära beizubehalten, sodass der Steueranteil am Bruttoinlandsprodukt auf einem nahezu historischen Tief ist – vor allem viel niedriger als zu Ronald Reagans Zeiten. Wie ich schon sagte, haben wir es praktisch bereits mit republikanischer Wirtschaftspolitik zu tun.“

Scheinbar vertraut Krugman darauf, dass seine Leser unter politischer Amnesie leiden und deshalb vergessen haben, dass die Demokraten in den ersten beiden Jahren von Obamas Präsidentschaft in beiden Häusern des Kongresses eine Mehrheit von sechzig Stimmen hatten – genug, um alle Blockadeversuche der Republikaner abzuschmettern.

In dieser Zeit zeigten die Demokraten, dass sie der Finanzaristokratie genauso ergeben sind wie die Republikaner. Mitten in der schwersten Abschwungspirale der amerikanischen Wirtschaft seit der Großen Depression lehnte Obama mit Unterstützung der demokratischen Führung im Kongress alle Vorschläge ab, die Regierung solle für Arbeitsplätze sorgen und Arbeitsbeschaffungsprogramme organisieren.

Stattdessen bestand das Konjunkturpaket, wie Krugman damals anmerkte, hauptsächlich aus Steuersenkungen für die Wirtschaft, um Republikaner und konservative Demokraten für sich zu gewinnen, sowie einem vorübergehenden Hilfsprogramm für notleidende Bundesstaatsregierungen, das mittlerweile längst ausgelaufen ist und sie wieder der Finanzkrise ausliefert.

Heute behauptet Obama, er befürworte Steuererhöhungen für Reiche, wie die sogenannte „Buffet-Regel“, nach der Multimillionäre mindestens soviel Steuern zahlen müssen wie durchschnittliche Arbeiter. Er unterstützt diese Maßnahmen aus populistisch-demagogischen Erwägungen wegen der im Herbst bevorstehenden Präsidentschaftswahl, hat aber nicht die geringste Absicht, sie tatsächlich umzusetzen, da er weiß, dass die Republikaner dies im Repräsentantenhaus verhindern würden. Obamas millionenschwere Hintermänner verstehen das vollkommen.

In den ersten zwei Jahren seiner Regierung, als die Demokraten deutliche Mehrheiten im Kongress hatten, unternahm Obama nichts, um die Steuern für Reiche zu erhöhen. Führende demokratische Senatoren wie Charles Summer aus New York blockierten alle Versuche, die riesigen Einkommen von Hedgefonds-Milliardären zu besteuern. Die Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat lehnten gleichermaßen alle Versuche ab, Bushs Steuersenkungen für Reiche rückgängig zu machen.

Was die Beibehaltung dieser Steuersenkungen im Dezember 2010 angeht, die Krugman den Republikanern anlastet, so wurde dies beschlossen, als der Kongress noch von den Demokraten kontrolliert wurde.

Krugmans kurze Zusammenfassung von Obamas Wirtschaftsprogramm lässt eine der wichtigsten Entscheidungen der neuen Regierung außen vor: Das Rettungspaket für Wall Street zu verlängern und beträchtlich auszuweiten. Ungefähr 23 Billionen Dollar Steuergeld wurden bereits zur Verfügung gestellt, um die Banken zu stützen. Dagegen verblassen die Summen, die für das Konjunkturpaket ausgegeben wurden.

Ebenfalls unerwähnt bleibt, dass Obama Schlüsselpositionen im Finanzministerium und dem Weißen Haus mit Investmentbankern und zutiefst kompromittierten Personen wie Finanzminister Timothy Geithner besetzt hat, der während des Börsenkrachs im September 2008 Chef der New Yorker Federal Reserve war.

Unter der Losung, „Vorwärts schauen statt rückwärts“, verhindert die Obama-Regierung jede Untersuchung der Spekulationen und Betrügereien der Wall Street, die zur weltweiten Wirtschaftskrise führten. Kein einziger wichtiger Banker wurde verurteilt oder auch nur angeklagt, und Vorstandschefs wie Jamie Dimon von JPMorgan verdienen wieder acht- und neunstellige Gehälter und Boni, während der arbeitenden Bevölkerung das fünfte Jahr des Abschwungs und des sinkenden Lebensstandards bevorsteht.

Krugman verhüllt einen grundlegenden Faktor der amerikanischen Politik: Demokraten und Republikaner sind beides Parteien der Wall Street, sie spielen nur unterschiedliche Rollen in der Manipulation und der politischen Desorientierung der großen arbeitenden Bevölkerungsmehrheit.

Die Republikaner treten offen und ungehemmt als Partei des Reichtums und des Profits auf. Sie feiern die „Macher“ (die Kapitalisten), die seit mehr als zehn Jahren keine neuen Arbeitsplätze geschaffen haben. Die Stagnationsperiode hat schon drei präsidiale Amtszeiten überdauert. Wenn die Republikaner an der Macht sind, agieren sie als die rücksichtslosesten Verteidiger der Klasse, die sie repräsentieren. Wenn sie in der Opposition sind, nutzen sie hartnäckig jeden Winkelzug und jeden politischen Trick, um die Profite der Superreichen zu schützen.

Die Demokraten stehen genauso unter der Fuchtel der Finanzaristokratie, spielen aber eine politisch andere Rolle, da sie sich historisch als Vertreter der Arbeiter und der Armen präsentiert haben. Wenn sie sich für ihre angebliche Wählerschaft, die Arbeiterklasse, „in den Kampf stürzen“, tun sie das halbherzig, ängstlich und geben sich geschlagen, bevor es richtig losgeht. Der Grund dafür ist, dass sie unter falscher Fahne segeln.

Daraus ergibt sich die merkwürdige Situation, dass die Republikaner das Repräsentantenhaus kontrollieren, während die Demokraten zwar den Senat und das Weiße Haus kontrollieren, sich aber von den Republikanern die Politik diktieren lassen. Diese Politik besteht in Defizitsenkung, Verhinderung von Steuererhöhungen für die Reichen, etc.

Der Wahlkampf 2012 verdeutlicht den völligen Bankrott des amerikanischen Zweiparteiensystems, was die Arbeiterklasse betrifft. Nach fünf Jahren der schwersten Rezession seit den Dreißigern ist das politische System nicht in der Lage, Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen oder zur Linderung des sozialen Elends auch nur zu erwägen, – geschweige denn umzusetzen. Obama und Romney und die diversen Kandidaten für Senat und Repräsentantenhaus überbieten sich mit Vorschlägen, wie die Arbeiterklasse mit Sozialabbau angegriffen und Geld an die Konzerne und die Superreichen verteilt werden soll.

Wenn Krugman Obama auffordert, sich ein Beispiel an [US-Präsident] Harry Truman zu nehmen und gegen einen blockierenden republikanisch beherrschten Kongress zu kämpfen, vertuscht er etwas sehr wichtiges: Beide Parteien greifen die Arbeiterklasse an.

Nichts an Krugmans politischer Rolle ist unschuldig oder naiv. In den letzten Wochen trat er als aggressiver Verteidiger von Obamas Wirtschaftspolitik auf, schrieb in der Times, im New York Review of Books, wurde vom Spiegel interviewt und erschien auf der Titelseite des Guardian.

Krugman versucht, Obama als möglichen Roosevelt darzustellen, lässt aber am Ende der Kolumne die Maske fallen: Er bezieht sich dort auf „große wirtschaftliche Errungenschaften“ der Obama-Regierung, „vor allem die erfolgreiche Rettung der Autoindustrie, die zu einem Großteil für das Wachstum auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich ist, das wir erleben“.

Die Rettung der Autoindustrie bestand darin, die Löhne für Neueingestellte zu halbieren, zehntausende Arbeitsplätze abzubauen und Renten- und Gesundheitsleistungen drastisch zu kürzen. Obama half aktiv mit, die Autoriesen wieder profitabel zu machen, indem er die gesellschaftliche Stellung der Autoarbeiter angriff.

Nicht nur wurden Zehntausende entlassen, verloren ihre Löhne und Zusatzleistungen, sondern es wurde auch ein Exempel statuiert, das von anderen Arbeitgebern in der Industrie und der gesamten amerikanischen Wirtschaft eifrig mit ähnlichen Methoden nachgeahmt wurde. Wie das Wall Street Journal vor kurzem in einer Serie aufzeigte, haben diese Maßnahmen die Produktionskosten stark gesenkt und die Gewinnmargen so weit erhöht, dass amerikanische Unternehmen im Mittleren Westen der USA billiger produzieren können als in China, Indien und anderen Niedriglohnstaaten.

Krugman ist ein ausgesprochener Gegner von Marxismus und Sozialismus und ein glühender Advokat des Profitsystems. Dass er die Obama-Regierung verteidigt, zeigt nur, dass der Liberalismus in einer Sackgasse steckt und den Arbeitern das gleiche Programm anbietet wie die Ultrarechten: die Zerstörung von Arbeitsplätzen, die Senkung des Lebensstandards und die Streichung von Sozialleistungen.

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