Perspektive

Nach dem Wahlsieg der Republikaner:

Die Lehren aus Wisconsin

Am 5. Juni gewann der amtierende Republikanische Gouverneur, Scott Walker, klar die Gouverneurswahlen in Wisconsin und besiegte den Demokratischen Herausforderer Tom Barrett, den Bürgermeister von Milwaukee.

Diese Schlappe der Demokratischen Partei und der Gewerkschaften hat zu einer vorhersehbaren Reaktion des offiziellen politischen Spektrums geführt. Sie reicht von Triumphgeheul auf der äußersten Rechten bis zu händeringenden Rechtfertigungs- und Erklärungsversuchen unter liberalen und pseudo-linken Apologeten der Obama-Regierung.

Das Wall Street Journal feiert den Sieg von Gouverneur Scott Walker und bezeichnet ihn als Niederlage jener „wütenden, wohlgenährten Interessen, die einen permanenten, monopolartigen Zugriff auf die Portemonnaies der Steuerzahler anstrebten“.

Richard Trumka, Chef des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO, behauptete, „texanische Milliardäre“ und „multinationale Konzerne“ hätten Walker finanziell unterstützt. Trumka erklärt, er werde seine politische Strategie nicht ändern, ein Statement, in dem sich der ganze Zynismus und die Selbstgefälligkeit der offiziellen Gewerkschaften offenbaren.

Eine ernsthafte Analyse der Gründe für das Debakel vom 5. Juni sucht man in der gesamten Politik vergebens. Dabei war es das vorhersehbare Ergebnis der Intervention der Gewerkschaften und der Demokratischen Partei im vergangenen Jahr, als sie den massenhaften Arbeiterprotest unterdrückten. Damals hatten Zehntausende gegen die von Walker verfochtenen, arbeiterfeindlichen Etatkürzungen in Wisconsin protestiert.

Die Ereignisse vom Februar und März 2011 stellen eine wichtige Erfahrung für die amerikanische Arbeiterklasse dar und erlangten auch international die Aufmerksamkeit von Arbeitern. Als Reaktion auf Walkers überraschende Maßnahmen zur praktischen Abschaffung des Tarifrechts öffentlicher Bediensteter und zur Kürzung von Sozial- und Gesundheitsleistungen hatten zehntausende Arbeiter an Demonstrationen und einer Besetzung des Capitols (dem Amtssitz des Gouverneurs) teilgenommen

Nachdem die Republikaner die Proteste ignoriert und die neuen Gesetze verabschiedet hatten, wurde der Ruf nach einem Generalstreik immer lauter. Die South Central Federation of Labor in Madison sprach sich in einer Resolution für einen Generalstreik aus. Sie hatte zwar nie die Absicht, ihn durchzuführen, reagierte aber auf die wachsende Militanz der Basis. Die Socialist Equality Party und die World Socialist Website führten damals eine aggressive Kampagne zugunsten eines Generalstreiks. Sie gaben Erklärungen heraus und verteilten sie zu Tausenden auf Anti-Walker-Demonstrationen.

Die Führer der größeren Gewerkschaften (AFL-CIO, Gewerkschaft der öffentlichen Beschäftigten (AFSCME) und Lehrergewerkschaft) widersetzten sich unnachgiebig jedem breiteren Kampf gegen die neue Gesetzgebung. Sie boten an, alle von Walker geforderten Kürzungen durchzusetzen, sofern er die automatische Einziehung der Gewerkschaftsbeiträge – die Quelle ihres Einkommens – beibehielt und ihnen eine Rolle bei den Verhandlungen der Senkung der Einkommen und der Zusatzleistungen für ihre Mitglieder einräumte.

Die Gewerkschaftsführer würgten auf diese Weise die Anti-Walker-Bewegung ab und verzettelten sie in einer Reihe von Abwahl-Kampagnen, die darauf abzielten, republikanische Politiker durch Demokraten zu ersetzen. Das begann mit der Abwahlkampagne von Senatoren im Sommer und erreichte seinen Höhepunkt in der Petition, die fast eine Million Stimmen erhielt und zur Wahl vom 5. Juni führte.

Was die Demokraten betrifft, so betonten sie ihre Unterstützung für Walkers Angriffe auf die Zusatz- und Sozialleistungen für öffentliche Bedienstete und wandten sich nur gegen die Maßnahmen, die darauf abzielen, die Position der Gewerkschaftsbürokraten zu untergraben, die nach wie vor einen bedeutenden Rückhalt für die Demokraten darstellen.

Die WSWS erklärte schon damals, dass die Abwahlkampagne nichts als ein zynisches reaktionäres Manöver sei, das darauf abziele, die Arbeiterklasse zu demobilisieren, den Widerstand gegen die Angriffe auf Sozialprogramme und Arbeiterrechte zu zerstreuen und den Kampf gegen Walker in eine Sackgasse zu führen, nämlich in die Unterstützung für die Demokratische Partei. Die Socialist Equality Party setzte sich für die Absetzung Walkers durch einen Generalstreik ein. Das sollte ein erster Schritt zu unabhängigen Mobilisierung der Arbeiterklasse in einem politischen Kampf gegen das Profitsystem und beide Parteien des großen Geldes sein.

Wir schrieben: „Der Ruf nach Walkers Sturz bedeutet kein Vertrauensvotum für die Demokratische Partei. Außerhalb der Grenzen Wisconsins verlangen viele Gouverneure und Bürgermeister der Demokratischen Partei nicht weniger drastische Haushaltskürzungen als Walker. Die Obama-Regierung arbeitet mit den Staatsgouverneuren und dem Kongress in Washington bei der Durchsetzung von Haushaltskürzungen zusammen, die das Leben von Arbeitern im gesamten Land radikal zerstören werden. Aus diesem Grund stellt sich angesichts der Forderung nach Walkers Rücktritt die wichtigste Frage: die Notwendigkeit, dass Arbeiter ihre eigene unabhängige sozialistische Alternative zu den konzernkontrollierten Republikanern und Demokraten schaffen.“

Diese Perspektive ist durch die Ereignisse der vergangenen fünfzehn Monate vollständig bestätigt worden. Kein einziger der Kandidaten, die sich bei der Neuwahl um die demokratische Nominierung bewarben, hat sich dazu verpflichtet, die arbeiterfeindlichen Gesetze oder die Haushaltskürzungen zurückzunehmen. Der schließlich von den Demokraten ins Rennen geschickte Bürgermeister von Milwaukee, Tom Barrett, brüstet sich damit, er sei nicht die Wahl der Gewerkschaften, und hat die Tariffrage praktisch aufgegeben. Er selbst hat das Walker-Gesetz bereits eingesetzt, um Kürzungen in Höhe von neunzehn Millionen Dollar gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes von Milwaukee durchzusetzen.

Die Obama-Regierung gibt sich keine Mühe, ihre Ablehnung der Neuwahlkampagne zu vertuschen. Obama hat Barrett im Wahlkampf nicht unterstützt, und der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, spielte die Bedeutung der Abstimmung herunter, indem er sagte: „Wir hatten es mit einem Amtsinhaber zu tun, der bereits einmal in einer Wahl gewonnen hatte, in der er seinen Herausforderer im Verhältnis von sieben oder acht zu eins übertroffen hatte.“

Das Ergebnis der Neuwahl wird in den Medien und von führenden Demokraten bereits als angeblicher Beweis dafür gehandelt, dass die Öffentlichkeit solch brutale Sparmaßnahmen wie jene, die Walker durchsetzt, befürworte. Auf diese Wiese wird die Neuwahl benutzt, um innerhalb der Demokratischen Partei und im politischen System der USA noch weiter nach rechts zu driften, ganz unabhängig davon, wer am 6. November die Wahlen gewinnt.

Pseudo-linke Gruppen wie die International Socialist Organisation (ISO) spielten beim Abwürgend es Kampfes in Wisconsin eine entscheidende Rolle. Sie stärkten die Autorität der Gewerkschaften und vertraten die Meinung, die Demokratische Partei könne durch Massenproteste dazu gebracht werden, sich der arbeiterfeindlichen Politik der Republikaner zu widersetzen. Sie haben vorsätzlich den Klassencharakter der Demokratischen Partei verschleiert, bei der es sich genau wie bei den Republikanern um eine Partei der Konzerne handelt.

Nach der Niederlage der Demokratischen Partei setzt die ISO ihre Verschleierung fort. Sie beschreibt Walkers Sieg als „einen schmerzlichen Verlust für die Bewegung, die sich nach dem Aufstand gebildet hat“. Damit unterstützen sie die Behauptung der Gewerkschaften, die Neuwahlkampagne sei eine Fortsetzung der Massenproteste gegen Walker gewesen, obwohl sie in Wirklichkeit ihren Verrat und ihr Ende bedeutete.

Die Ereignisse in Wisconsin vom Februar und März 2011 fielen mit dem internationalen Aufstand der Arbeiterklasse in Tunesien und Ägypten und anschließend den Massenprotesten gegen Sparmaßnahmen in Spanien, Griechenland, Portugal, Italien und sogar Israel zusammen.

Die Ursachen der wirtschaftlichen und sozialen Spannungen, die zu dem Aufstand in Wisconsin führten, sind nicht beseitigt worden. Im Gegenteil, sie haben sich enorm intensiviert. Die Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten und in der gesamten Welt wird durch die Krise des Kapitalismus und die Entschlossenheit der herrschenden Klasse, ihren Wohlstand durch Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne, das Erziehungs- und das Gesundheitswesen und auf demokratische Rechte zu verteidigen, in den Kampf getrieben.

Der Kampf erfordert eine neue politische Perspektive und neue Kampforganisationen. Niemand darf den Gewerkschaften vertrauen, die als die Polizei der Großkonzerne und Großbanken innerhalb der Arbeiterklasse agieren. Die Arbeiterklasse muss neue Organisationen schaffen, die unabhängig von den Gewerkschaften sind: Basiskomitees, um Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, wie auch Jugendliche an ihrem Arbeitsplatz, in den Schulen und Stadtbezirken zusammenzuführen.

Die militante Verteidigung der Arbeitsplätze, des Lebensstandards und der sozialen Dienste muss zum politischen Kampf gegen das Profitsystem und die beiden Parteien führen, die von den Konzernen kontrolliert werden.

Die wichtigste Lehre aus den Ereignissen in Wisconsin ist die Notwendigkeit einer neuen Führung in der Arbeiterklasse – der Socialist Equality Party –, welche die Arbeiter in den kommenden sozialen Kämpfen mit einem revolutionären Programm und einer revolutionären Perspektive ausstattet.

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