Ex-TARP-Kontrolleur beschuldigt amerikanische Regierungen:

Bush und Obama vertuschen Kriminalität an der Wall Street

Der Sonderkontrolleur des Bankenrettungsprogramm Troubled Asset Relief Program (TARP), Neil Barofsky, hat vor kurzem ein Buch („Bailout“) über das 700 Milliarden schwere Bankenrettungsprogramm veröffentlicht. Seither klagt er die Verantwortlichen an, Kriminalität an der Wall Street systematisch zu verschleiern. Bankenkontrolleure und hohe Repräsentanten der Regierungen Bush und Obama hätten Straftaten sowohl vor als auch nach dem Finanzkrach vom September 2008 vertuscht.

In einem Interview am vergangenen Donnerstag mit dem Blog Daily Ticker beschuldigt Barofsky Finanzminister Timothy Geithner, die Manipulation des Libor-Zinssatzes durch die Banken begünstigt zu haben. Dies habe er schon in seiner Eigenschaft als Präsident der Federal Reserve von New York in den Jahren 2007-2008 getan, bevor er in die Obama-Regierung eintrat. Kürzlich veröffentlichte Dokumente belegen, dass Geithner schon 2007 wusste, dass die Londoner Barclays Bank falsche Daten an den Libor-Rat übermittelte, um die finanzielle Schieflage der Bank zu verbergen.

Geithner schrieb lediglich einen Brief an die Bank von England, in dem er gewisse Änderungen für den Mechanismus der Libor-Festsetzung vorschlug. Aber er brachte die Angelegenheit niemals an die Öffentlichkeit und informierte auch keine Aufsichtsbehörde im Justizministerium (weder die Commodity Futures Trading Commission, noch die Banken- und Börsenaufsicht), obwohl große amerikanische Banken in die betrügerische Manipulation der Zinssätze verwickelt waren.

In seinem Interview weist Barofsky Geithners Behauptung zurück, er habe damals angemessen reagiert. Der ehemalige TARP- Kontrolleur nannte den Liborskandal eine “globale Verschwörung zur Manipulation eines der wichtigsten Zinssätze der Welt”. Er sagte zu Geithners Rolle: „Er erhielt diese Information und entschloss sich, sie nicht weiter zu beachten. Geithner und andere Aufsichtspersonen müssen zur Verantwortung gezogen und in hohem Bogen gefeuert werden. Wenn sie von betrügerischen Machenschaften wussten und nichts dagegen unternahmen, dann sind sie für ihre Jobs ungeeignet. Ich wünsche mir diese Leute in Handschellen.“

In dem gleichen Interview, sowie in anderen, die er im Verlauf der Woche gab, hat Barofsky sich in scharfer Form zur bestimmenden Rolle der Wall Street in Washington und zur kriecherischen Haltung beider großen Parteien vor der Finanzelite geäußert. „Es war schockierend“, sagte er dem Daily Ticker, „wie weitgehend die Banken ihr eigenes Rettungsprogramm kontrollierten, wie sie oftmals die Bedingungen einiger TARP-Programme diktierten, und mit welcher Ehrerbietung Vertreter des Finanzministerium den Banken begegneten. Ich konnte in diesen Kernfragen keinen Unterschied zwischen der Bush-Regierung und der Obama-Regierung erkennen.“

In einem Interview mit Charlie Rose von CBS News am 23. Juli sprach Barofsky über Schlüsselelemente seines Urteils über das TARP. Er erwähnte zum Beispiel den Mangel an Kontrolle über die Verwendung der Rettungsmilliarden für die Banken und die Tatsache, dass sie der Regierung nicht einmal mitteilen mussten, wofür sie das Geld der Steuerzahler verwendeten, das ihnen ausgehändigt wurde.

“Als ich nach Washington kam”, sagte er, “sah ich, dass eine kleine Gruppe sehr mächtiger Wall Street Banken die Stadt in Geiselhaft genommen hatten. (…) Dabei macht es keinen Unterschied, ob Demokraten an der Regierung sind oder Republikaner, das ist überparteilich. (…) [Geithner] war für eine Politik verantwortlich, die unsere größten Banken, d.h. die Institute, die zu groß zum Scheitern sind, größer und mächtiger denn je machte, und die jetzt noch größeren politischen Einfluss haben.“

Über den Zynismus der Behauptung, der Bailout nutze dem kleinen Mann genauso wie der Wall Street, kann Barovsky nur lachen. Dies haben sowohl Präsident Bush, Barack Obama und die Kongressführer beider Parteien behauptet. Sie versuchten damit, das TARP-Gesetz gegen große Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen. Barovsky erklärt zum Beispiel, dass das Hypothekenhilfsprogramm der Regierung, das angeblich Millionen Hausbesitzern helfen sollte, überhaupt nur drei Milliarden von den zur Verfügung stehenden fünfzig Milliarden Dollar ausgezahlt hat.

Barofsky, der bis zu seinem Rücktritt im Februar als Sonderkontrolleur des Finanzministeriums für das TARP fungierte, ist in einer guten Position, um die Konspiration der Regierung mit den Banken zu dokumentieren. Als Kontrolleur wies er in zahlreichen Berichten auf das Fehlen einer ernst zu nehmenden Regierungsaufsicht über die Steuergelder hin, die den Banken zugeschustert wurden. Er entlarvte auch Entscheidungen, die es Wall-Street-Firmen wie Goldman Sachs ermöglichten, Milliardenverluste auf Kosten der Staatskasse wieder gut zu machen.

Weil das von Anwälten der Wall Street formulierte und vom Kongress verabschiedete TARP-Gesetz Barofsky keinerlei Vollmachten zum Eingreifen gab, ignorierten Geithner und die Obama-Regierung ihn einfach, und seine Berichte wurden von den Medien weitgehend tot geschwiegen.

Auf Barovskys Buch reagieren die Medien genauso wie auf die bisherigen Berichte von Untersuchungskommissionen zur Finanzkrise. Die betrügerischen und illegalen Aktivitäten der Banken in der Zeit vor dem Finanzzusammenbruch von 2008 sind schon mehrmals offengelegt worden.

Vier Jahre nach der von den Banken beschleunigten Krise ist nicht ein einziger Banker vor Gericht gestellt oder gar verurteilt worden. Gleichzeitig muten die gleichen Banker und die Regierungsvertreter, die sie schützen und dafür sorgen, dass sie noch reicher werden, amerikanischen Arbeitern Lohnverzicht und die Zerstörung von Renten, Krankenversorgung und Arbeitsbedingungen zu. Dies müsse als “neue Normalität“ akzeptiert werden.

Trotz seiner Enthüllungen zieht Barofsky, ein Demokrat, nicht die notwendigen Schlussfolgerungen. Er hofft, dass der Volkszorn „die Saat für Reformen legt, die eines Tages unser System von dem korrumpierenden Einfluss der Superreichen befreien“.

Der kriminelle Charakter des Finanzsystems und die Komplizenschaft aller offiziellen Institutionen sind aber nicht bloß Entgleisungen von der Norm oder dunkle Flecke auf einem ansonsten gesunden System. Sie sind Ausdruck der Fäulnis und des Versagens des kapitalistischen Systems selbst. Seine Todeskrise zeigt sich vor allem in der immer weiter wachsenden sozialen Ungleichheit.

Nur eine Massenbewegung der Arbeiterklasse, die mit einem sozialistischen Programm bewaffnet ist, kann die Macht der Finanzoligarchie brechen. Der geraubte Reichtum der Finanzmafia muss enteignet werden, und die Banken und Großkonzerne müssen unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung gestellt werden.

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