Die SEP im US-Wahlkampf:

Jerry White spricht in Kanada

Jerry White, Kandidat der Socialist Equality Party bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA, sprach am Sonntagnachmittag in Toronto in der kanadischen Provinz Ontario vor dreißig Arbeitern und Jugendlichen.

Jerry White spricht in Toronto Jerry White spricht in Toronto

Es war das dritte Mal, das Jerry White im Rahmen seiner Wahlkampagne nach Kanada reiste, um kanadischen Arbeitern das internationale sozialistische Programm der SEP vorzustellen.

Zum ersten Mal hatte er im vergangenen Sommer auf Einladung der SEP (Kanada) während des Studentenstreiks gegen die Erhöhung von Studiengebühren in Montreal gesprochen. Im September war er in Windsor in der Provinz Ontario aufgetreten, um die kanadischen Arbeiter gegen die nationalistische Politik der kanadischen Autoarbeitergewerkschaft CAW und den Tarifkompromiss, den sie ausgehandelt hatte, zu mobilisieren.

Das Treffen in Toronto wurde von Keith Jones, dem nationalen Sekretär der SEP (Kanada), geleitet. In seiner Eröffnungsrede widmete er sich dem internationalen Charakter des Angriffes auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse.

Griechenland, sagte er, sei „das Laboratorium der sozialen Konterrevolution für die europäische herrschende Klasse. Hier setzen die Finanzmärkte derzeit eine in Friedenszeiten nicht erlebte Senkung des Lebensstandards durch.“ Dieser global koordinierte Angriff auf die Arbeiterklasse, so Jones, müsse durch die Entwicklung einer Gegenoffensive der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms beantwortet werden.

Die kanadischen Gewerkschaften betrieben dieselbe nationalistische Politik wie ihre Gesinnungsgenossen im Ausland, sagte Jones. Wegen ihrer Kompromissbereitschaft hätten kanadische Auto- und Stahlarbeiter, Arbeiter der kanadischen Post, der Air Canada und der kanadischen Eisenbahn eine erhebliche Verschlechterung ihres Lebensstandards hinnehmen müssen.

Auf dem Höhepunkt des Studentenstreiks von Quebec, als Hunderttausende durch die Straßen zogen, hätten sich die Gewerkschaften geweigert, dem aufkeimenden Protest auch nur die geringste Unterstützung zu gewähren. Gleichzeitig habe auch die sozialdemokratische NDP, die sich immer weiter nach rechts bewege, den Studenten ihre Unterstützung mit der Begründung versagt.

Jerry White sagte, er habe auf seinen Wahlkampfreisen in den USA, Asien und Europa gesehen, dass Arbeiter überall den gleichen sozialen Problemen gegenüber stünden. Eine Regierung nach der anderen sei dabei, Sparprogramme im Interesse des Establishments durchzusetzen, und werde dabei von den Gewerkschaften und ihren pseudo-linken Verbündeten unterstützt.

In den USA spiele es keine Rolle, welche der beiden Parteien des großen Geldes die Wahl im November gewinne. „Die nächste Regierung wird die Zerstörung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse fortsetzen und verschärfen.“

Beide Parteien hätten ihren Kriegs- und Sparkurs in ihren Wahlprogrammen vertuscht. „Sie planen hinter dem Rücken des amerikanischen Volkes neue Verbrechen“, warnte White. „Darunter fallen auch die Vorbereitungen auf einen größeren Krieg gegen Iran.“

White zog eine Bilanz der verheerenden Folgen der Weltwirtschaftskrise für die Arbeiterklasse. „In Griechenland, Portugal und Spanien erzeugt die Politik der internationalen Finanzelite Massenarbeitslosigkeit, Armut und Hunger.“ Gleichzeitig bereite die herrschende Klasse der USA einen weiteren regionalen Krieg im Nahen Osten vor, der sich schnell zu einem Katalysator für eine kriegerische Konfrontation mit Russland und China ausweiten könne.

White zeigte Bilder protestierender Arbeiter und Jugendlicher in Montreal, Athen und Madrid und Bilder von Arbeiterfamilien in diesen Ländern, die gezwungen sind, den Müll nach Essbarem zu durchwühlen. „Diese Lebensbedingungen erzeugen eine Massenopposition unter Arbeitern und Jugendlichen“, sagte White. „Auch in den USA beginnen die Arbeiter zu rebellieren, wie sich kürzlich beim Lehrerstreik in Chicago gezeigt hat.“

Sowohl Republikaner wie Demokraten lehnten bei allen taktischen Differenzen die Vorstellung ab, dass die Bevölkerung soziale Rechte habe. Mitt Romney habe während eines privaten Wahlkampf-Dinners offen ausgesprochen, dass niemand in Amerika Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, auf eine Unterkunft, auf eine Ausbildung oder angemessenen Gesundheitsversorgung habe.

Obamas Antwort auf Romneys nackten Klassenhass sei rein taktischer Natur gewesen. In Wahrheit akzeptierten die Demokraten Romneys Argument, dass die Arbeiterklasse keinerlei soziale Rechte für sich beanspruchen dürfe, sagte White. „Die reformistische Politik der Regierung Roosevelt in den Dreißiger Jahren, die eine Antwort auf die Massenkämpfe der Arbeiterklasse war, und nachfolgende Programme wie Medicaid und Medicare, werden jetzt wieder zurückgenommen.“

„Es hat in den vergangenen dreißig Jahren eine eindeutige Umverteilung des Reichtums zugunsten der Reichen gegeben“, fuhr er fort und zeigte eine Graphik, die belegt, dass 1950 zwei Drittel des gesellschaftlichen Reichtums zum großen Teil in Form von Löhnen an die Arbeiterklasse gingen, während der höchste Steuersatz bei neunzig Prozent lag. Heutzutage fließt nur noch die Hälfte des gesellschaftlichen Reichtums in Lohnzahlungen, während der höchste Steuersatz in den USA nur noch rund 32 Prozent beträgt.

„Nur die Mobilisierung der enormen Stärke der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines Programms der sozialen Gleichheit, dass heißt auf der Grundlage des Sozialismus, kann dem kapitalistischen System ein Ende bereiten, das die Profite einiger weniger vor die Bedürfnisse der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft setzt“, schloss Jerry White

Auf den Vortrag folgte eine intensive und lebendige Diskussion. Versammlungsteilnehmer stellten Fragen zur Haltung der SEP gegenüber nationalen demokratischen Bewegungen in den Entwicklungsländern, zur Rolle ethnischer und religiöser Auseinandersetzungen, zum Wesen der „Occupy-Wallstreet“-Bewegung und wollten wissen, ob der Kapitalismus sich auf Grund seiner inneren Widersprüche nicht selbst zerstören würde. Viele Zuhörer blieben nach dem Ende des Treffens im Saal, diskutierten, tauschten Informationen aus und kauften die am Büchertisch ausliegende Literatur.

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