Immer mehr Beweise für geplante US-Intervention in Syrien

Am 7. Dezember meldete die Webseite Military.com, dass an der türkisch-syrischen Grenze bereits mehr als vierhundert amerikanische und Niederländische Nato-Soldaten stationiert sind und Patriot-Raketen bereitmachen. Drei Tage zuvor hatte die Nato beschlossen, die Boden-Luft-Raketensysteme vom Typ MIM-104 Patriot in der Türkei einzusetzen.

In der Woche davor hatte Deutschland angekündigt, 170 Soldaten an die türkisch-syrische Grenze zu schicken. Deutschland liefert zwei der drei Raketensysteme an die Türkei, das dritte stammt von den Niederlanden.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta und Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatten dem Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad unterstellt, es erwäge den Einsatz von Chemiewaffen gegen seine Gegner, obwohl Washington dies zuvor als „rote Linie“, d.h. als Anlass für eine Intervention, bezeichnet hatte. Erst am Montag hatte US-Präsident Barack Obama erklärt, der Einsatz von Chemiewaffen sei „vollkommen inakzeptabel“ und werde „Konsequenzen“ haben.

Der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Miqdad bekräftigte am Freitag: „Syrien betont nochmals, zum zehnten oder zum hundertsten Mal, dass wir solche Waffen nicht gegen unser eigenes Volk einsetzen werden, wenn wir sie hätten. Wir werden nicht Selbstmord begehen.“

Die unbewiesenen Anschuldigungen, Syrien habe dies vor, sind ein ebenso durchsichtiger Vorwand für einen Angriffskrieg der Nato, wie es vor zehn Jahren die Lügen über irakische Massenvernichtungswaffen waren. Die USA haben, unabhängig von angeblichen „Geheimdienstinformationen“ über Chemiewaffen, umfassende Vorbereitungen für eine Intervention getroffen.

Wie die World Socialist Web Site bereits geschrieben hat, hat Washington vor der syrischen Küste eine Armada von Schiffen unter Führung der Glugzeugträgerkampfgruppe um die USS Eisenhower eingesetzt. Außerdem gehört dazu eine amphibische Kampfgruppe aus den Schiffen USS Iwo Jima, USS New York und USS Gunston Hall, die zusammen ein Kontingent von 2.500 Marines transportieren.

Insgesamt sind also siebzehn Kriegsschiffe, 70 Jagdbomber und zehntausend Militärangehörige in unmittelbarer Reichweite Syriens. Dazu kommen noch die 39. Air Base Wing der US-Luftwaffe, die auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei stationiert ist, und zehntausende amerikanische Bodentruppen in Kuwait, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain.

Bevor Deutschland Truppen in die Türkei geschickt hat, hatte das Bundesaußenministerium letzten Monat die „schnelle Reaktivierung“ der European Union Border Assistance Mission (EUBAM) gefordert, der Kontrollmission am ägyptisch-palästinensischen Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen, die 2007 ausgesetzt worden war. Außerdem forderte es, dass Ägypten bei der Ausstattung seiner Grenzpolizei Unterstützung durch die EU bekommen sollte, angeblich um den Waffenschmuggel nach Gaza zu unterbinden.

Das vergrößerte amerikanische Militäraufgebot entspricht den Einschätzungen des Pentagon, dass eine umfassende Militärintervention gegen Syrien 75.000 US-Soldaten erfordern würde. Das französische Magazin Le Point beschrieb diese Woche jedoch eine weitere mögliche Option. Laut dem Magazin gibt es bereits Pläne für eine Mission in Syrien unter Beteiligung Frankreichs. Ähnlich der Intervention des Westens in Libyen käme dabei eine relativ kleine Anzahl von Spezialkräften aus mehreren Nato-Staaten zum Einsatz. Die Intervention würde aus einem kurzen, heftigen Luftkrieg bestehen, am Boden würden Spezialkräfte Chemiewaffenlager, die syrische Luftwaffe und das Luftabwehrsystem zerstören.

Die französische Reportage wurde am Freitag von der Webseite DEBKAfile bestätigt, die gute Kontakte zum israelischen Militär und Geheimdienst hat. Sie schrieb unter Berufung auf Informationsquellen aus dem Umfeld des französischen Verteidigungsministeriums, dass eine gemeinsame Militärintervention aus westlichen und arabischen Staaten bevorstehe, unter anderem den USA, Frankreich, Großbritannien, der Türkei, Jordanien und anderen verbündeten arabischen Staaten. Laut DEBKAfile werden sich unter anderem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar daran beteiligen.

Auf DEBKAfile hieß es: „Der französische Flugzeugträger Charles de Gaulle wird mit einer Einheit Marineinfanterie im Mittelmeer eingesetzt. Er und mindestens fünf britische Kriegsschiffe, die ebenfalls starke Marinetruppen transportieren, haben sich der Trägerkampfgruppe um die USS Eisenhower angeschlossen.“

Le Figaro schrieb am Freitag, französische Militärberater hätten sich in Syrien mit Oppositionskämpfern getroffen, um mögliche Empfänger für Waffenlieferungen zu identifizieren. Ein anonymer Führer der syrischen Opposition berichtet, französische Agenten hätten sich „im Gebiet zwischen Damaskus und dem Libanon“ zu direkten Gesprächen mit einem Anführer der Freien Syrischen Armee getroffen. Sie wollten „die operativen Fähigkeiten jeder Gruppe und ihre politische Einstellung“ feststellen. Wie der Informant außerdem sagte, haben auch amerikanische und britische Agenten Treffen organisiert.

Ein anonymer Informant aus dem französischen Militär bestätigte, dass diese Treffen stattgefunden haben.

Außenministerin Hillary Clinton drängt besonders stark auf eine militärische Reaktion. Am 7. Dezember forderte sie in Belfast einen „konzentrierten Stoß,“ um den Konflikt in Syrien zu beenden, fügte aber hinzu, dass es am Donnerstag bei Gesprächen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow in Dublin nicht zu einem „großen Durchbruch“ gekommen sei.

Das Treffen mit Lawrow und dem Syrien-Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga Lakhdar Brahimi war der jüngste Versuch, Moskau dazu zu bringen, seinen ältesten Verbündeten im Nahen Osten fallenzulassen, der ihm die Nutzung eines Militärstützpunktes bei Tartus erlaubt. Es gab viele Spekulationen darüber, wie Lawrows Aussagen zu verstehen sind, Russland akzeptiere das Recht der Türkei auf Selbstverteidigung. Er betonte allerdings auch, Syrien sei nicht Libyen. Außerdem drückte er die Hoffnung aus, dass es keine Einmischung von außen geben werde und drängte zu Verhandlungen.

Der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko bezeichnete den Einsatz von Patriot-Raketen aus amerikanischer Fertigung als Beweis dafür, dass die Nato „Provokationen oder Zwischenfälle an der [türkisch-syrischen] Grenze“ als Vorwand ausnutzen will, um in den Konflikt einzugreifen.

Informationsquellen aus der türkischen Regierung bestätigten am Freitag, dass sich die Türkei und Russland geeinigt hätten, einen Plan für einen „politischen Wandel“ in Syrien auszuarbeiten. Laut einer türkischen Informationsquelle gibt es jedoch noch keine Einigkeit darüber, wie es weitergeht, da Russland auf „einem Prozess unter Leitung von Syrien besteht.“

Egal ob Russland Assad fallen lässt oder nicht, die Situation bewegt sich immer mehr auf eine Nato-Intervention zu – höchstwahrscheinlich mit Unterstützung der Türkei und/oder einer arabischen Stellvertretermacht. Clinton wird nächste Woche zu einem Treffen der Freunde Syriens nach Marrakesch in Marokko reisen. An dem Treffen wird auch die neu gegründete Syrische Nationalkoalition teilnehmen. „Da jetzt eine neue Opposition gebildet ist, werden wir sie so gut wir können unterstützen,“ erklärte Clinton in einem Interview in Brüssel.

Die Destabilisierung von Syrien hat das Ziel, den Iran zu isolieren und die amerikanische Hegemonie über die ölreiche Region zu sichern. Aber mit diesen Plänen riskiert Washington einen noch gefährlicheren Konflikt mit Russland und China. Vor dem Treffen mit Lawrow am Donnerstag erklärte Clinton vor der Presse, die USA seien entschlossen, Russland daran zu hindern, in Zentralasien und Osteuropa unter dem „Deckmantel“ der wirtschaftlichen Integration eine neue Sowjetunion zu gründen.

„[Russland] versucht, die Region wieder zu sowjetisieren“, erklärte sie. „Man wird es nicht so nennen. Man wird von einer Zollunion sprechen, von einer Eurasischen Union und so weiter. Aber Sie können sich sicher sein: Wir wissen, was das Ziel ist, und wir versuchen, es auf effektive Weise zu verzögern oder zu verhindern.“

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