Streik bei GM Brasilien

Am Dienstag, dem 22. Januar, beteiligten sich Tausende von brasilianischen Autoarbeitern an einem eintägigen Streik im General Motors-Werk bei Sao Jose dos Campos, 80 Kilometer nordöstlich von Sao Paulo. Damit wehren sie sich gegen Pläne des Detroiter Autobauers, 1.600 der 7.500 Arbeitsplätze in dem riesigen Fabrikkomplex zu streichen.

Laut der Metallarbeitergewerkschaft Sindicato dos Metalurgicos de Sao Jose dos Campos beteiligten sich an diesem Tag alle 7500 Arbeiter an dem Ausstand in den acht Fabriken der Anlage. Die Produktion von 480 leichten LKW und 2400 Motoren und Getrieben stand still. Am Freitag, dem 25. Januar folgte ein weiterer zweistündiger Streik.

Wie berichtet wurde blockierten Arbeiter eine Straße außerhalb der Anlage mit brennenden Reifen und demonstrierten gegen die Entlassungen, die am darauffolgenden Samstag bekanntgegeben werden sollten. Insgesamt könnten bei GM und den Zuliefererbetrieben in Sao Jose dos Campos bis zu 15.000 Stellen wegfallen.

GM, der größte Autobauer der Welt, hat im Jahr 2011 einen Rekordgewinn von 7,6 Milliarden Dollar gemacht, und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2012 vier Milliarden Dollar. Dennoch ist er entschlossen, seine Kapazitäten in Brasilien zurückzufahren, da die Umsätze und Exportmöglichkeiten durch die weltweite Wirtschaftskrise stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ende November korrigierten Ökonomen und die Regierung ihre Wachstumsvorhersage für 2012 auf nur ein Prozent.

Die Entlassungen bei General Motors Brasilien, dem größten Tochterunternehmen von GM in Südamerika und einem der größten außerhalb der USA, sind Teil eines weltweiten Sanierungsplanes von GM und anderen Autobauern, der sich an den umfassenden Entlassungen und Lohnsenkungen orientiert, die den amerikanischen Arbeitern im Jahr 2009 aufgehalst worden waren.

Am gleichen Tag, an dem in Brasilien gestreikt wurde, kündigte der Vizepräsident von GM, Stephen Girsky, an, dass das Unternehmen die Schließung des Opel-Werkes in Bochum, die 3000 Arbeitsplätze kosten wird, um zwei Jahre vorziehen wird. GM fordert außerdem von seinen 20.000 Arbeitern in Deutschland einen Verzicht auf Lohnerhöhungen, bis das Geschäft in Europa wieder profitabel ist.

Abgesehen von den Entlassungen in Sao Jose dos Campos verzögert GM auch die Investition in ein Getriebewerk im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina in Höhe von 710 Millionen Real (348 Millionen Dollar). Ursprünglich sollte das Werk im Jahr 2014 mit 350 Arbeitern die Produktion aufnehmen.

Bereits im Juli wurde der Komplex in Sao Jose dos Campos durch einen eintägigen Streik lahmgelegt. Damals hatten GM und die Metallarbeitergewerkschaft ein Abkommen ausgehandelt, nach dem die Entlassungen bis zum 26. Januar verzögert wurden. Seither hat GM erklärt, es habe kein neues Modell als Ersatz für den PKW, dessen Produktion es im letzten Jahr eingestellt hatte. Also würden die Entlassungen durchgeführt werden.

GMs Arbeitsdirektor in Brasilien, Luiz Moan, erklärte, das Unternehmen wolle „seine Wettbewerbsfähigkeit steigern“. Er glaube aber, sich mit den Gewerkschaften einigen zu können, wenn sie „konkrete Vorschläge präsentieren“ und mehr Bereitschaft zeigen, Kosten zu senken. Die Gewerkschaft und das Unternehmen haben sich am 23. Januar zum letzten Mal getroffen.

Die Metallarbeitergewerkschaft hat sich auf eintägige Streiks beschränkt und jede ernsthafte Mobilisierung der Arbeiter in der Branche blockiert, um stattdessen GM davon zu überzeugen, dass es in dem Werk weiterhin mit Gewinn PKW bauen könne.

Auf der Webseite des Dow Jones hieß es: „Die Gewerkschaft hatte am Dienstag erklärt, sie versuche die Produktion des klassischen Automodells in Sao Jose dos Campos wieder aufzunehmen und auch die Produktion von Fahrzeugen an Land zu ziehen, die GM zurzeit aus Nachbarstaaten wie Argentinien importiert.

Das nationalistische Programm der Metallarbeitergewerkschaft – das brasilianische Arbeiter gegen argentinische ausspielt – lässt den angeblichen „weltweiten Aktionstag“ gegen GM, den die Gewerkschaft am Mittwoch organisieren wollte, zur Farce werden. Statt wirklich zu kämpfen organisieren die Gewerkschaften von sechs Ländern – Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Spanien, Deutschland und den USA – kraftlose Proteste, um ihre eigene Mitschuld an den Entlassungen und Lohnsenkungen zu vertuschen.

Die Metallarbeitergewerkschaft versucht, den Ärger der GM-Arbeiter zu beschwichtigen, indem sie an Präsidentin Dilma Rouseff appelliert, einzuschreiten und die Entlassungen zu verbieten. Rouseff, Chefin der angeblich linken Arbeiterpartei (PT), kam im Januar 2011 an die Macht. Davor war sie jahrelang Stabschefin von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva gewesen. Genauso wie Lula, früher Chef der Metallarbeitergewerkschaft, versuchte Rouseff den brasilianischen Kapitalismus für internationale Konzerne wie GM so attraktiv wie möglich zu machen.

Das Magazin Forbes schrieb im Oktober 2012 in einem Artikel mit dem Titel „Warum die Autobauer der Welt Brasilien lieben,“ Rouseff, „eine ehemalige Marxistin, die zum Kapitalismus konvertiert ist,“ habe auf den starken Niedergang der Autoproduktion reagiert, indem sie den Autokonzernen riesige Steuererleichterungen und andere Anreize gegeben hat.

Die Gewerkschaft behauptet, GM verstoße mit den Entlassungen gegen das Abkommen über die Steuersenkungen, das sie dazu verpflichtet, das aktuelle Personalniveau beizubehalten. GM behauptet, es habe die Entlassungen durch die Eröffnung anderer Werke mehr als ausgeglichen.

Gewerkschaftspräsident Antonio Ferreira de Barros äußerte sich in einer Stellungnahme: „Wir wollen, dass Präsidentin Dilma sich nächste Woche mit den GM-Arbeitern trifft. GM erhält Steuergelder, deswegen muss sie das Unternehmen daran hindern, Massenentlassungen durchzuführen.“

In den letzten zehn Jahren sind internationale Autokonzerne in großer Zahl nach Brasilien gekommen. Analysten sagen voraus, dass Brasilien bis 2015 Japan als drittgrößten Automarkt nach China und den USA überholt haben könnte. Bisher wurde Brasilien von VW, Fiat, GM und Ford dominiert, aber diese Firmen stehen zunehmend unter Druck durch Rivalen wie Kia, Hyundai, Honda, Nissan und BMW und aufstrebende Konzerne wie Chery, Geely, JAC und Hafei aus China und die indischen Unternehmen Tata und Mahindra.

In den nächsten Jahren sollen etwa 22 Milliarden Dollar für neue Werke ausgegeben werden. GM und andere beklagen sich über Überproduktion: „Überproduktion ist etwas, was uns Sorgen macht,“ sagte Jaime Ardila, der Chef von GM Lateinamerika im Wall Street Journal. „Der Markt wächst nicht schnell genug, um die wachsenden Kapazitäten aufzunehmen.“

Ein „Trost“ ist da, dass „viele der neuen Werke, die wir angekündigt haben, nicht wirklich gebaut werden“, sagte Ardila voraus, ohne genauer zu sagen, welche Unternehmen damit gemeint sind. Wenn die neuen Werke jedoch die Produktion aufnehmen, „wird sicherlich ein Druck auf unsere Gewinnmargen entstehen.“

Der Leiter von GMs Nord- und Südamerika-Geschäft, Mark Fields, erklärte, die Werke, die in Brasilien gebaut werden, können ein Fünftel mehr Fahrzeuge produzieren als der Markt verkraften kann, „das wird mehr Druck auf die Preise ausüben.“

Die internationalen Autokonzerne sind entschlossen, die Möglichkeit eines Kapazitätsabbaus als Druckmittel auszunutzen, um die Lohnkosten der brasilianischen Autoindustrie zu senken, die laut dem Wall Street Journal in den letzten zehn Jahren um 125 Prozent gestiegen sind.

Genau wie in Europa und den USA soll auch die Arbeiterklasse Lateinamerikas für die Anarchie des kapitalistischen Marktes und den unausweichlichen Rückgang der Nachfrage durch Austerität, wachsende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne zahlen. Daran zeigt sich die Notwendigkeit einer Strategie zur Vereinigung der Autoarbeiter weltweit, um für die Umgestaltung der internationalen Autoindustrie auf rationaler – d.h. sozialistischer – Grundlage zu kämpfen.

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