Opel Bochum: Betriebsrat lehnt Kampfmaßnahmen ab

„Das ist absoluter Blödsinn, vollkommener Unsinn.“ Mit diesen Worten reagierte Betriebsratschef Rainer Einenkel auf die Forderung, einen unbefristeten Streik gegen die drohende Stilllegung des Bochumer Opelwerks zu organisieren.

Einenkel sprach am Montagabend auf einer Veranstaltung, zu der die Linkspartei unter dem Titel „Solidarität statt Armut - Opel Bochum muss bleiben!“ geladen hatte. Nachdem die Weigerung der IG Metall und des Betriebsrats, ernsthafte Kampfmaßnahmen gegen die angekündigte Werksschließung zu organisieren, auf Widerstand unter den Beschäftigten stößt, versucht die Linkspartei dem Betriebsrat den Rücken zu stärken.

Rainer Einenkel, Sevim Dagdelen und Sahra Wagenknecht

Die Linke fuhr ihre stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen und ihr Landesvorstandsmitglied Rüdiger Sagel auf, um zu verschleiern, dass die Opelarbeiter nicht nur mit dem Vorstand von General Motors (GM) und Opel konfrontiert sind, sondern auch mit dem Betriebsrat und der IG Metall.

Die Linkspartei bot dem ehemaligen DKP-Mitglied Einenkel eine Plattform – neben den Linkspartei-Spitzen saßen die IGM-Bevollmächtigte von Bochum-Herne, Eva Kerkemeier, und der Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Holger Schelte, auf dem Podium –, auf der er seine Absage an jeglichen Widerstand gegen die Schließung des Standorts Bochums verteidigen konnte.

Einenkel sprach nach der Begrüßung durch Dagdelen als erster Redner und erhielt auch das Schlusswort. Gleich in den ersten Sätzen deutete er an, dass die Autoproduktion in Bochum „spätestens 2016 auslaufen“ solle. Er betonte, dass dies „auch früher sein kann“.

Er verlor aber kein Wort über den Brief des Opel-Aufsichtsratsvorsitzenden Stephen Girsky, den am folgenden Morgen alle Opelarbeiter erhielten. Darin droht die Opel-Geschäftsleitung, die Produktion in Bochum bereits Ende 2014 einzustellen, wenn die Arbeiter nicht erneute Zugeständnisse bei den Löhnen machen.

Einenkel ist Mitglied des Aufsichtsrates. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er vorab über diesen Brief informiert war. Doch er sagte am Montagabend dazu kein Wort und überließ auch in dieser Frage die Initiative der Geschäftsleitung.

Als Einenkel auf die „Aktivitäten“ des Betriebsrates gegen die Schließung zu sprechen kam, verwies er auf eine dreistündige Arbeitsniederlegung – im Zeitraum von sechs Wochen seit der Ankündigung der Schließung – und kündigte eine Arbeitsniederlegung für den folgenden Tag an. Keiner der anwesenden Arbeiter konnte ahnen, dass er an diesem Tag mit dem erneuten Erpressungsversuch des Managements konfrontiert sein würde.

Girsky schreibt in seinem Brief an die „lieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“: „Solange wir Verluste erzielen, können wir uns beispielsweise keine Tariferhöhungen leisten. Was wir brauchen, sind weitere beträchtliche Einsparungen.“ Der bestehende Standortsicherungsvertrag laufe Ende 2014 aus. „Zum 1. Januar 2015 würde die Fertigung in Bochum komplett eingestellt. Es ist geplant, dass die Produktion des F13-Getriebes noch in diesem Jahr ausläuft.“

Die Kaltschnäuzigkeit und Arroganz der Geschäftsleitung ist ein direktes Ergebnis der engen und vertraulichen Partnerschaft mit dem Betriebsrat und der IG Metall. Girsky weiß, dass von Einenkel & Co. kein Widerstand kommt.

Langatmig schilderte der Betriebsratschef am Montag die Zugeständnisse, die den Belegschaften in den anderen Opel-Werken in Deutschland, Spanien und Großbritannien von den dortigen Betriebsräten und Gewerkschaften aufgezwungen worden sind. Er betonte, dass auch die Belegschaft in Bochum zahlreiche Kürzungen hingenommen habe.

Als einige Opel-Arbeiter die erneute Stundung der 4,3-prozentigen Lohnerhöhung im letzten Herbst kritisierten, verteidigte Einenkel dies vehement. „Wir haben nach langen Überlegungen dieser Stundung einstimmig zugestimmt, um uns nicht zu isolieren“, betonte er.

Mit anderen Worten: die Zustimmung zur Lohn-Stundung diente dazu, die Belegschaften in Europa gegeneinander auszuspielen. Wenn die Bochumer Belegschaft dieser Lohnkürzung nicht zugestimmt hätte, wäre Bochum sofort geschlossen worden, erklärte Einenkel. Für jemanden, der so argumentiert, gibt es keine Untergrenze bei den sozialen Zugeständnissen.

Dietmar Kupfer, der Betriebsratsvorsitzende von Johnson Control, einem Autozulieferer in Bochum, meldete sich in der Diskussion zu Wort. Johnson Control hat bereits angekündigt, dass es das Werk mit rund 800 Beschäftigten schließt, wenn Opel in Bochum die Produktion einstellt.

Kupfer regte an, die Diskussion nicht auf alternative Produkte für Opel zu konzentrieren – ein Lieblingsthema für die Co-Manager im Betriebsrat und der Gewerkschaft –, sondern vielmehr auf folgende Fragen: „Wie verhalten wir uns? Wollen wir die Schließung kampflos hinnehmen?“

Einenkel antwortete ihm nicht direkt, ließ aber keinen Zweifel an seiner Haltung. Als ihn der ehemalige Opel-Betriebsrat Aribert Günther fragte, ob er richtig gehört habe, dass „du Vertrauensleute drangsalierst, weil sie kämpfen wollten“, bejahte Einenkel dies.

Er wolle zwar nicht von „drangsalieren“ sprechen, aber ein Kollege habe vorgeschlagen, nicht nur wenige Stunden, sondern eine Woche zu streiken. „Da habe ich allerdings eine klare Meinung“, hob Einenkel an, um dann laut zu dröhnen: „Das ist absoluter Blödsinn, vollkommener Unsinn.“ Andere Werke hätten schon nachgefragt, ob sie die Bochumer Produktion übernehmen könnten.

Es ist also Einenkel, der die Erpressung des Konzerns an die Beschäftigten weitergibt und jeden Versuch, dagegen anzukämpfen, im Keim erstickt. Einen gemeinsamen Kampf aller Autoarbeiter an allen Standorten lehnt er entschieden ab, obwohl es in den europäischen Nachbarländern in den vergangenen Wochen mehrfach Streikaktionen gab. So streikten Arbeiter im Peugeot-Werk Aulnay-sous-Bois bei Paris und im Ford-Werk im belgischen Genk. In Genk beteiligten sich auch die Beschäftigten der Zulieferwerke am Streik.

Die IGM-Bevollmächtigte Kerkemeier konnte aufgrund einer Kehlkopfentzündung am Montagabend kaum sprechen, aber eines musste sie dann doch loswerden. „Streitet euch doch nicht jetzt schon“, der Kampf habe doch gerade erst begonnen. „Lasst uns am 3. März erst einmal gemeinsam feiern.“

Am 3. März, einem Sonntag, fast drei Monate nach Bekanntgabe der Werksschließung, veranstaltet die IGM gemeinsam mit dem Betriebsrat ein „Solidaritätsfest“ in Bochum. Einenkel erklärte, dass sich nicht nur die Kirchen und die Beschäftigten des Bochumer Schauspielhauses solidarisch erklärt hätten und dabei sein würden, sondern auch die Industrie- und Handelskammer Bochum. „Darauf sind wir stolz und wir werden das weiterführen.“

Ihre rechte Politik verbergen Linkspartei, IG Metall und Betriebsrat hinter einen Wortschwall sozialkritischer Phrasen. Diese Aufgabe übernahm an diesem Abend Sahra Wagenknecht. Sie wetterte gegen die „Entscheidungsgewalt der Aktionäre, die nach Renditevorgaben“ handeln, gegen Hartz IV („Hartz IV muss weg!“) und die europäische Krisenpolitik der Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU).

Wagenknecht kam gerade aus Berlin, wo sie sich als führendes Mitglied des achtköpfigen Bundestagswahlkampfteams der Linkspartei vorgestellt hatte. Wie schon im Landtagswahlkampf in Niedersachsen dienen sich Wagenknecht und ihre Partei als Mehrheitsbeschafferin für die SPD an, der Partei, die die Hartz- Gesetze in Kraft gesetzt hat.

Die glühende Verehrerin von Ludwig Erhard (CDU), dem Wirtschaftsminister und Bundeskanzler der Nachkriegszeit, ging in ihrer Rede auch auf die Frage der Verstaatlichung ein. „Die Linke hat 2009 gefordert, dass die staatlichen Bürgschaften für Opel mit einer Beteiligung am Konzern verknüpft werden.“ Auch Dagdelen behauptete in ihrer Einleitung, „bei einer Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung Opels säßen wir nicht in der jetzigen Situation“.

Dieses Argument ist eine gezielte Täuschung. Eine Verstaatlichung Opels unter kapitalistischen Bedingungen durch die Bundesregierung löst keines der Probleme der Arbeiter. Die GM-Beschäftigten in den USA können davon ein Lied singen. Unter Präsident Obama übernahm der US-Staat über 60 Prozent der GM-Aktien. Obamas Auto-Task-Force sorgte dann dafür, dass die Belegschaft halbiert, viele Werke geschlossen und die Einstiegslöhne auf die Hälfte gesenkt wurden. All das konnte Obama mit Unterstützung der Autoarbeitergewerkschaft UAW (United Auto Workers) durchsetzen, die dafür mit großen Anteilen an den Autokonzernen belohnt wurde.

Offenbar strebt die Linkspartei eine solche Entwicklung auch in Deutschland an. Ihr Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi traf vor kurzem den amerikanischen Botschafter. Ob er dabei auch über Opel und eine staatliche Reorganisation nach amerikanischen Vorbild sprach, ist nicht bekannt.

Mitglieder der Partei für Soziale Gleichheit verteilten vor und nach der Veranstaltung in Bochum Flugblätter, in denen es heißt:

„Anstatt von der Regierung Merkel Unterstützung und Almosen zu erbetteln, ist es notwendig, die Verteidigung der Arbeitsplätze bei Opel Bochum zum Ausgangspunkt für eine breite politische Bewegung der Arbeiterklasse zu machen, um die Bundesregierung zu stürzen. Das ist der erste Schritt im Kampf für eine Arbeiterregierung, die die großen Konzerne und Banken enteignet und unter demokratische Kontrolle stellt.

Gegen die Machenschaften der Betriebsräte müssen unabhängige Aktionskomitees aufgebaut werden, die enge internationale Kontakte zu anderen Werken und Arbeitern auf der ganzen Welt knüpfen und den Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards international koordinieren.

Im Mittelpunkt dieser sozialistischen Perspektive steht der Aufbau einer neuen, internationalen Arbeiterpartei, die den prinzipiellen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze mit dem Kampf gegen Krieg und Kolonialismus verbindet.“

Der „Solidaritätsabend“ der Linkspartei zeigt, dass sie alle Kräfte mobilisiert, eine solche Perspektive zu verhindern. Ihre „Solidarität“ gilt Einenkel und seinem Betriebsrat, der Gewerkschaft und damit den Herrschenden.

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