Perspektive

Obama und Folter

Während sich die Obama-Regierung auf ihre zweite Amtszeit vorbereitet und ihre liberalen und pseudolinken Verteidiger auf eine progressive Politik hoffen, haben die Ereignisse wieder einmal gezeigt, dass der demokratische Präsident die Verbrechen seines Vorgängers fortsetzt und verschärft.

In seiner ersten Amtszeit legten Obama und sein Justizminister Eric Holder großen Wert darauf, alle Ermittlungen gegen die CIA wegen Folter und anderer Verbrechen im Namen des „Kriegs gegen den Terrorismus“ abzublocken. Sie mischte sich in alle Prozesse gegen diejenigen ein, die rechtswidrig Tausende von Verdächtigen entführt und gefoltert hatten. Sie versuchte, Verfahren zu torpedieren, in denen versucht wurde, Informationen über diese Verbrechen zu enthüllen, indem sie sie zu Staatsgeheimnissen erklärte.

Durch diese verkommene Politik genießen die Folterer und ihre Auftraggeber, von den CIA-Verhöroffizieren bis hinauf zum Weißen Haus, völlige Immunität. In diesem fauligen politischen Klima kann ein faschistoider Film wie Zero Dark Thirty, der unterschwellig Folter rechtfertigt und das ganze amerikanische Volk in dieses Verbrechen zieht, zahlreiche Auszeichnungen und Kritikerlob ernten.

Aber wie ein Artikel von letzter Woche in der Washington Post mit dem Titel „Überstellungen gehen trotz rechtsstaatlicher Bedenken unter Obama weiter“ zeigt, hat die Obama-Regierung mit ihrem Vorgehen nicht nur die Verbrechen der Vergangenheit geschützt und ihre Täter entlastet, sondern es auch möglich gemacht, sie auf einem qualitativ höheren Niveau fortzusetzen.

Der Artikel in der Post beschreibt das Schicksal von drei Männern. Zwei von ihnen sind schwedische Staatsbürger, der dritte hatte jahrelang in Großbritannien gelebt, alle drei stammten ursprünglich aus Somalia. Sie wurden bei der Durchreise durch das afrikanische Dschibuti verhaftet und in Gefängnisse gesperrt, in denen sie von amerikanischen Geheimdienstlern über mehrere Monate hin mehrfach verhört wurden.

Das vermeintliche Verbrechen der Gefangenen war es, die islamistische al-Shabab-Miliz zu unterstützen, die große Teile des Südens von Somalia kontrollierte. Diese Miliz hat sich zwar nicht an Angriffen gegen die USA beteiligt, wurde aber von Washington als ausländische Terrororganisation eingestuft; auf ihre Anführer wurden Kopfgelder ausgesetzt.

Der Hintergrund für diese Entscheidung ist, dass die US-Regierung versucht, den „Krieg gegen den Terrorismus“ als Vorwand zu nutzen, um die Kontrolle über Somalia zu verstärken. Somalia ist ein strategisch wichtiges Gebiet, seine Küste bildet das Südende der Meeresstraße Bab al-Mandab, die das Mittelmeer und den Indischen Ozean verbindet. Ein Großteil der weltweiten Öllieferungen wird durch diese Straße verschifft.

In dem Artikel heißt es: „Diese Männer sind nur das aktuellste Beispiel dafür, wie die Obama-Regierung die Praxis der Überstellung übernommen hat, d.h. die Verhaftung und das Verhören von Terrorverdächtigen in fremden Ländern ohne rechtsstaatliches Verfahren, obwohl diese Praxis in den Jahren nach den Anschlägen vom 11. September von vielen Seiten verurteilt wurde.“

Die drei Männer wurden im August verhaftet und erst am 21. Dezember vor ein Bundesgericht in New York gestellt. Die Staatsanwaltschaft ging nicht darauf ein, was in den vier Monaten dazwischen mit ihnen passiert war.

Ebenfalls erwähnt wird ein Fall von 2011, in dem ein angeblicher al-Shabab-Unterstützer aus Eritrea in ein nigerianisches Gefängnis überstellt und von Amerikanern verhört wurde. Laut Aussage eines amerikanischen Verhöroffizier wurde der Mann zuerst von einem „schmutzigen Team“ amerikanischer Agenten mit illegalen Methoden verhört, danach von einem „sauberen Team“, das ihn über sein Aussageverweigerungsrecht aufklärte und versuchte, ein Geständnis zu erlangen, das ein amerikanisches Gericht für gültig befinden würde.

Der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney bezeichnete dieses Vorgehen als „Schritt auf die dunkle Seite“ – einen Euphemismus für Überstellung, Folter und außergerichtliche Tötungen.

Nur wenige Wochen bevor der Artikel über die drei angeblichen al-Shabab-Unterstützer erschien, hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein wegweisendes Urteil gesprochen, laut dem die Entführung, Überstellung und das lange „erzwungene Verschwindenlassen“ von Khaled El-Masri, der vor fast neun Jahren in Mazedonien entführt worden war, an sich schon als Folter zu werten sei.

El Masri wurde jahrelang ohne Kontakt zur Außenwelt gefangen gehalten; in dieser Zeit wurde er mehrfach gefoltert, unter anderem durch Vergewaltigung, völlige Isolation, körperliche Gewalt, Zwangsernährung und die Verweigerung medizinischer Behandlung. Genau darum geht es bei der Überstellung und der Unterbringung in einem Geheimgefängnis: Der Widerstand des Gefangenen soll gebrochen werden. Das war unter Bush so, und wird unter Obama so bleiben.

Was hat sich geändert? Laut dem Post-Artikel haben ein Streit mit dem Kongress um die Zukunft des amerikanischen Militärgefangenenlagers Guantanamo Bay auf Kuba und Hindernisse bei dem Vorhaben der Regierung, angebliche Terroristen vor amerikanischen Gerichten abzuurteilen, dazu geführt, „dass die Regierung es für einfacher hält,“ Terrorverdächtige mit Drohnenangriffen zu töten, während Überstellungen „noch wichtiger geworden sind als je zuvor.“

Am gleichen Tag, an dem der Artikel in der Post erschien, lehnte ein New Yorker Richter eine Klage ab, die von der US-Regierung forderte, öffentlich die rechtliche Grundlage bekanntzugeben, mit der die Obama-Regierung sich das Recht herausnimmt, amerikanische Staatsbürger wie den Geistlichen Anwar al-Awlaki aus New Mexico ermorden zu lassen. Al-Awlaki wurde im Jahr 2011 bei einem Drohnenangriff im Jemen getötet.

Die Entscheidung der Richterin Colleen McMahon war ein Eingeständnis der Justiz, dass sie dem jahrzehntelangen Angriff auf demokratische Rechte und der offenen Kriminalität der Exekutive machtlos gegenübersteht.

Sie schrieb: „Ich kann in dem Gewirr von Gesetzen und Präzedenzfällen keine Möglichkeit finden, wie die Exekutive bestimmte Handlungen, die ganz offensichtlich nicht mit unserer Verfassung und unseren Gesetzen vereinbar sind, als rechtmäßig bezeichnen kann und gleichzeitig die Gründe für diese Entscheidung geheim halten kann.“

Wieder einmal zeigt sich, dass die herrschende Elite Amerikas kaum Wert auf den Schutz von verfassungsgemäßen Prinzipien und demokratischen Rechten legt. US-Präsident Barack Obama maßt sich das Recht an, amerikanische Staatsbürger für unbegrenzte Zeit in Militärgewahrsam zu halten und ihre Ermordung ohne Anklage oder Prozess anzuordnen, und seine einzige Erklärung dafür ist, dass sie „Staatsfeinde“ seien. Und weder die Justiz noch eine wichtige Persönlichkeit in einer der beiden Parteien, noch die Mainstream-Medien sind bereit, sich gegen dieses diktatorische Vorgehen auszusprechen.

Letzten Endes hat diese politische Entwicklung ihren Ursprung in der historischen Krise des amerikanischen Kapitalismus und ihrer bösartigen Manifestierung in der Kluft zwischen der Finanzoligarchie und der Arbeiterklasse – der großen Mehrheit der Bevölkerung. Das beispiellose Anwachsen sozialer Ungleichheit macht demokratische Rechte und die Prinzipien der Verfassung untragbar.

Die herrschende Elite weiß, dass es zu revolutionären Aufständen kommen wird, wenn sie die volle Last der Krise der arbeitenden Bevölkerung aufhalst, deshalb bereitet sie die Grundlagen für einen Polizeistaat vor. Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen Vorbereitungen treffen. Die Verteidigung demokratischer und sozialer Rechte erfordert die Mobilisierung der unabhängigen politischen Kraft der Arbeiterklasse für den Kampf für ein Ende des Kapitalismus.

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