Wahlkampf der PSG

Partei für Soziale Gleichheit gewinnt Unterstützung im Ruhrgebiet und in Köln

In den letzten Wochen sammelten Mitglieder und Unterstützer der Partei für Soziale Gleichheit in Nordrhein-Westfalen die 2.000 Unterschriften, die für die Zulassung der Landesliste zur Bundestagswahl erforderlich sind. Mit der Wahlerklärung „Ein sozialistisches Programm gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit in Europa“, die sie im Ruhrgebiet und in Köln als Flugblatt verteilten, trafen die PSG-Mitglieder und Wahlhelfer den Nerv von Arbeitslosen, Arbeitern, Jugendlichen und vielen Migranten.

PSG-Kandidat Dietmar Gaisenkersting sammelt Unterschriften

Im Ruhrgebiet und auch in Köln ist die soziale Ungleichheit mit Händen zu greifen und daher das häufigste Thema der Diskussionen.

Fast 5 Millionen Menschen leben entlang der Ruhr zwischen Duisburg und Dortmund. Aber weniger als 1,5 Millionen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Die Arbeitslosenquote betrug im Mai 11,3 Prozent, in einigen Städten liegt sie bedeutend höher.

Doch selbst diese Zahlen täuschen über das wahre Ausmaß der Armut hinweg. Der sogenannte „Sozialäquator“, die Autobahn A40, teilt das Revier in „arm und weniger arm“ (Süddeutsche Zeitung). Nördlich davon, in den ärmeren Städteregionen, findet man Quoten von dreißig, vierzig und mehr Prozent. Teilweise existieren Straßenzüge, in denen kaum jemand Arbeit hat.

Die Teilung des „Ruhrpotts“ geht auf die lange Geschichte der Kohle- und Stahlindustrie zurück. Vor fast zweihundert Jahren begann der Steinkohlebergbau im Süden. Die Bergarbeiter buddelten sich unterirdisch gen Norden. Mit ihnen zogen ihre Familien. In dieser Zeit entstanden im Ruhrgebiet rund 3.200 Zechen. Heute gibt es im Ruhrgebiet nur noch zwei fördernde Bergwerke, nämlich Prosper-Haniel (Bottrop) und Auguste Victoria (Marl).

Der Süden des Ruhrgebiets kennt schon seit weit über hundert Jahren keinen Bergbau mehr. Dementsprechend grün ist es hier. Mit seinen an die Landeshauptstadt Düsseldorf und ans Bergische angrenzenden Gebieten ist der südliche Teil Refugium für die Reichen. Der reichste Mann Deutschlands, Aldi-Besitzer Karl Albrecht, wohnt im Essener Süden.

Im Norden sind die letzten Zechen erst in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach geschlossen worden. Auch die Stahlindustrie erlebte einen Niedergang. Allein zwischen 1980 und 2002 ging etwa die Hälfte der eine Million Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe des Ruhrgebiets verloren.

Das nördliche Ruhrgebiet hat sich bis heute nicht davon erholt. Eine Fahrt von Duisburg nach Dortmund mit der nördlichen S-Bahnlinie gleicht einer Reise durch ein Krisengebiet – verfallende Fabriken, heruntergekommene Siedlungen, vernagelte oder eingeschlagene Fensterscheiben, graue Bahnhöfe und vor allem: Menschen, denen man langanhaltende Armut ansieht.

Auf die Zechenkrise von 1957 reagierten Politik und Wirtschaft unter anderem mit dem Bau des Opel-Werks in Bochum auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Dannenberg. 20.000 Arbeiter standen hier einst in Lohn und Brot. Heute sind es gut 3.000, das Werk wird Ende nächsten Jahres geschlossen. 40.000 Arbeitsplätze hängen an diesem Werk.

Heute sind Zechen und Stahlwerke Kulturzentren, die Kinder der ehemaligen Industrie-Arbeiter müssen sich im niedrigbezahlten Dienstleistungsgewerbe verdingen, etwa in den trotz Pleite der Städte überall entstehenden Einkaufszentren wie in Essen, Oberhausen, Duisburg.

Diese Vorzeige-Projekte sind dann meist Hort der Korruption und Vetternwirtschaft, mit der sich die Lokal-Politiker bereichern. Während Schwimmbäder, Bibliotheken, Jugendzentren und andere öffentliche Einrichtungen von ihnen geschlossen werden, erhöhen die Stadtoberhäupter – egal ob von der SPD, der CDU oder den Grünen – die Gehälter der Geschäftsführer kommunaler Einrichtungen, bei denen es sich meist um Parteifreunde handelt.

Die Wut und Empörung über den von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linkspartei verordneten sozialen Niedergang schlug den PSG-Wahlteams an Jobcentern, Supermärkten, in Einkaufsstraßen und Stadtteilen entgegen. Schimpfende, wütende Männer und weinende Frauen verließen die Jobcenter.

Niemand hier hat vergessen, wer für die Hartz-IV-Gesetze, für die massenhafte Ausweitung der Leiharbeit und die Billiglöhne verantwortlich ist – nämlich SPD und Grüne. Niemand kann einen Unterschied zwischen SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Kanzlerin Angela Merkel finden.

Auch nicht Manfred Stock aus Bochum. Er bezieht eine kleine Rente und ist sichtlich zornig über die „verkommene Politik aller Bundestagsparteien“. Alle seien doch gleich: „Zwischen Steinbrück und Merkel passt kein Blatt“. Für alles sei Geld da, „für unterirdische Bahnhöfe, protzige Hauptstadtflughäfen, Drohnen usw.“. Aber für Bildung und die Versorgung der Alten gebe es nichts „oder Hartz IV vom Gazprom-Kanzler“, schimpft er über den ehemaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder.

„Ich fasse gar nicht, wie die sich als sozial darstellen können. Damit hat deren Politik doch nichts zu tun, im Gegenteil“, sagt Manfred Stock. Er wolle sich die Wahlerklärung der PSG genau durchlesen. Die im Bundestag vertretenen Parteien wähle er auf jeden Fall nicht.

Alfred Franke ist seit Jahren Leiharbeiter. Er erhält derzeit für Sicherheitsaufgaben den Mindestlohn von 8,19 Euro pro Stunde. Er ist ledig. „Eine Familie kann man von dem Geld ohnehin nicht finanzieren.“ Alle Frauen seiner Kollegen müssten arbeiten, um auch nur halbwegs über die Runden zu kommen.

Derzeit arbeitet er auf einer Baustelle von Nestlé. Er hat schon in vielen Bereichen und Aufgabengebieten gearbeitet. „Die festangestellten Kollegen haben immer mehr verdient“, sagt er. Alle sollten für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten, lautet seine bescheidene und doch so scheinbar weit entfernte Forderung.

„Das sehen auch alle festangestellten Kollegen so“, berichtet Alfred Franke. Er erzählt auch von den Vereinbarungen der Gewerkschaften über gestaffelte Branchenzuschläge, nach denen man nach sechs Wochen einen ersten Zuschlag von 15%, nach drei Monaten von 20% bis hin zu 50% nach neun Monaten erhält. Auf unsere Frage, ob er jemals lang genug gearbeitet habe, um diese Zuschläge zu erhalten, antwortet er resigniert: „Meist war kurz vorher Schluss.“

Holger Loewink aus Bochum ist auf Hartz IV angewiesen und pflegt einen todkranken Freund. Er kommt sofort auf die Armut zu sprechen. „Für die Banken sind Milliarden da, aber für Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger und Arbeitslose nicht.“

Als wir mit ihm sprachen, waren gerade die Steuersparmodelle von Apple und anderen Großkonzernen bekannt geworden, auch die Steuerhinterziehung von Reichen durch die Verlagerung ihrer Vermögen in Steueroasen.

„Die Reichen und Unternehmen stöhnen immer über die Steuerbelastung, aber zahlen in Wirklichkeit gar keine Steuern. Bei jedem Arbeiter werden die Steuern sofort vom Lohn einbehalten“, sagte Holger Loewink. „Bei Reichen ist das nicht so. Sie müssen angeben, was sie verdient haben. Da rechnen sie dann ihre Millionen klein. Sie kaufen Häuser, Kunst und sonst noch was, um ihr Geld anzulegen. Steuern bezahlen sie dann nicht. Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit.“

Dreist findet er das Geschäftsgebaren des Energie-Konzerns EON, von dem er im Fernsehen gehört hat. „Alle Gewerbesteuern, die ein Unternehmen zu viel zahlt, müssen von den Kommunen mit einer Verzinsung von 6 % zurückgezahlt werden.“ Da die Zinsen derzeit im Keller seien, überweise EON seit ein paar Jahren freiwillig völlig überhöhte Gewerbesteuervorauszahlungen an die Städte. „Die parken ihr Geld einfach bei den klammen Kommunen, und ihre Rückforderungen führen dann zum Bankrott der Städte und Gemeinden oder zumindest zu weiteren Kürzungen. Das kann doch so nicht weiter gehen.“

Wie zweitausend andere unterstützt auch er die Wahlteilnahme der PSG mit seiner Unterschrift. Das Sammeln der Unterschriften geht zügig voran, auch wenn einige wegen der jüngst aufgebrochenen Überwachungsskandale verunsichert sind und zögern, ihre Daten herauszugeben. Dem Staat trauen sie nicht.

Am Kölner Arbeitsamt interessieren sich wie im Ruhrgebiet viele für eine sozialistische Alternative, versichern sich aber hier noch genauer, wer die PSG ist. Die erste Frage ist meist: „Ihr seid aber keine Rechten, oder?“ Das ist Ausdruck der starken Ablehnung von Gruppierungen wie Pro Köln und Pro NRW, die vor allem hier in Köln gegen Muslime und Ausländer hetzen.

Inzwischen sind viele türkischstämmige Schüler, Studenten und Arbeiter wahlberechtigt. Sie waren in den letzten Wochen stark von der jüngsten Entwicklung in der Türkei bewegt und sympathisierten stark mit den Protesten gegen die Erdogan-Regierung. Sie unterschrieben nach einer Diskussion über deren internationale Perspektive für die PSG.

Über diese Perspektive wird am kommenden Donnerstag, dem 27. Juni in Bochum diskutiert. Marcel, 20 Jahre, bestätigte vor dem Kölner Arbeitsamt: „Man muss jetzt selber eingreifen.“ Die Teilnahme an der Diskussionsveranstaltung in Bochum sollte der erste Schritt sein, aktiv gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit zu werden – für soziale Gleichheit.

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