Perspektive

Im Kampf zur Verteidigung von Edward Snowden stehen demokratische Rechte auf dem Spiel

Es hat etwas zutiefst Beunruhigendes, mit anzusehen, wie ein junger Mann vor einer rachsüchtigen Regierung fliehen muss, weil er eine massive politische Verschwörung gegen die demokratischen Rechte der amerikanischen- und der Weltbevölkerung aufgedeckt hat.

Edward Snowden wird Spionage vorgeworfen und die amerikanischen Politiker und Medienkommentatoren verurteilen ihn als Verräter, der für den Feind spioniert. Aber an wen gibt er die Informationen weiter? An das amerikanische Volk. In den Augen von Snowdens Anklägern ist die amerikanische Bevölkerung der Feind.

Die Bevölkerung hat ein Recht zu erfahren, dass jeder Telefonanruf aufgezeichnet, jede E-Mail mitgelesen, jede Skype-Unterhaltung abgehört wird, dass alle Kommunikationen, Internet-Downloads und Kreditkartentransfers gesammelt und von der National Security Agency (NSA) in riesigen Datenbanken gesammelt werden. Diejenigen privaten Kommunikationen, die nicht sofort abgehört oder gelesen werden, werden für künftige Bespitzelungen gesammelt.

Die sogenannten „Metadaten“ von Telefon- und elektronischen Kommunikationen liefern dem Militär und den Geheimdiensten eine Fülle von Informationen über alle Menschen im Land – mit wem sie zusammen sind, was sie lesen, was sie kaufen, wie sie ihre Zeit verbringen.

Wer die Enthüllungen über staatliche Spionage kleinredet und behauptet, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, verrät Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegenüber der Frage demokratischer Rechte. Für ihn ist die Verfassung überflüssig.

Der endlose Schwall von Verleumdungen gegen Snowden seitens Politikern und Medienkommentatoren geht ungehemmt weiter. Es handelt sich um den Versuch, zum einen die öffentliche Meinung zu desorientieren und die Aufmerksamkeit von den realen Problemen abzulenken, die sich durch seine Enthüllung der amerikanischen Spionageprogramme ergeben, zum anderen, um an Snowden ein Exempel zu statuieren und andere davon abzuhalten, Verbrechen der Regierung zu enthüllen.

In den sonntäglichen Interviewsendungen standen Politiker beider Parteien Schlange, um Snowden als Kriminellen zu beschimpfen und die rechtswidrigen Überwachungsoperationen zu verteidigen. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die den Geheimdienstausschuss des Senats leitet, erklärte, sie wisse nichts von „Missbrauch durch diese Behörden“ und warf Snowden vor, er schade Programmen, die „gut funktionieren und Terrorverschwörungen vereitelt haben.“

Sie fügte hinzu: „Ich will, dass er verhaftet und vor Gericht gestellt wird... Die Jagd hat begonnen.“ Danach erklärte sie noch, WikiLeaks sollte wegen Beihilfe für Snowden angeklagt werden.

Der republikanische Senator Bob Corker erklärte, er betrachte Snowden als „Kriminellen“, der „gegen nationale Gesetze verstoßen und damit unsere Bürger gefährdet hat.“

Der republikanische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses Mike Rogers deutete in der Sendung „Meet the Press“ an, Snowden habe für Russland spioniert, und bezeichnete ihn als Menschen, der „sein Land verraten hat.“ Der republikanische Senator Lindsey Graham erklärte in „Fox News Sunday“: „Ich hoffe, wir verfolgen ihn bis ans Ende der Welt, stellen ihn vor Gericht und lassen die Russen wissen, dass es Folgen haben wird, wenn sie diesen Kerl aufnehmen.“

Dass beide Parteien die geheimen Spionageoperationen verteidigen und Snowden verteufeln, zeigt, dass trotz des angeblichen Stillstandes im Kongress vollständige Harmonie zwischen den beiden Parteien des Großkapitals herrscht, wenn es darum geht, offen verfassungswidrige Maßnahmen zu verteidigen.

Das ist ein Versuch, nicht das Verbrechen zu kriminalisieren, sondern dessen Enthüllung.

Die Behauptung, die riesige Polizeistaatsoperation habe etwas mit einem Krieg gegen Terroristen zu tun, ist außerdem der Versuch, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen. Der Grund für diese Operationen ist die Angst vor der Bevölkerung. Die herrschende Elite fürchtet das Anwachsen von sozialem Widerstand gegen ihre Spar- und Kriegspolitik. Sie versucht, soziale und politische Kontrolle über die Bevölkerung zu erlangen und baut dazu die Methoden und Strukturen einer Diktatur auf.

Die Infrastruktur eines Polizeistaates ist schon weit gediehen. Die Gewalttat eines desorientierten Individuums, möglicherweise unter Mithilfe von Elementen des Staatsapparates, kann als Vorwand für die Einführung autoritärer Herrschaftsformen genutzt werden.

Das Ausmaß, in dem die Obama-Regierung die Verfassung und die Bill of Rights verletzt hat, die unbegründete Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ausdrücklich verbietet, geht weit über das hinaus, was vor 39 Jahren zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Richard Nixon führte. Heute fordert jedoch kein einziger prominenter Politiker oder Medienkommentator ein Amtsenthebungsverfahren gegen Obama, obwohl er als Präsident die außergerichtliche Ermordung von tausenden von Menschen, darunter von amerikanischen Staatsbürgern angeordnet hat, und niemand fordert Strafverfahren gegen Funktionäre der NSA, des FBI, der CIA oder des Pentagons.

James Clapper, der Direktor des nationalen Geheimdienstes, der offiziell die NSA überwacht, wurde des Meineids überführt, als er im Kongress unter Eid aussagte. Aber niemand fordert ein Verfahren gegen ihn.

Dies zeigt, in welchem Grad das demokratische Bewusstsein innerhalb der herrschenden Elite, des Staates und der Medien zerstört und durch Konzepte von autoritärem und sogar faschistoidem Charakter ersetzt wurde.

Amerikas Demokratie bricht unter dem Gewicht beispielloser sozialer Ungleichheit und der allgemeinen Militarisierung der Gesellschaft zusammen. Demokratische Prozesse lassen sich nicht mit einer Gesellschaft vereinbaren, in der Macht und Reichtum in den Händen einer kleinen Schicht an der Spitze der Gesellschaft konzentriert ist. Sie können auch nicht unter Bedingungen existieren, in denen gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung Kriege geführt werden und sich das Militär eine immer größere Rolle in zivilen und politischen Angelegenheiten anmaßt.

Vor 52 Jahren hatte Präsident Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede vor den Gefahren gewarnt, die das Wachstum des „militärisch-industriellen Komplexes“, wie er ihn nannte, berge.

Diese Verbindung aus einem immensen militärischen Establishment und einer starken Rüstungsindustrie ist für Amerika eine neue Erfahrung“, erklärte er. „Der totale Einfluss – wirtschaftlich, politisch, sogar geistig – wird in jeder Stadt, jedem Staatsgebäude und jedem Amt der Regierung gespürt... Wir dürfen seine schweren Folgen nicht missverstehen... Wir in den Regierungsgremien müssen uns vor unbefugtem Einfluss -- beabsichtigt oder unbeabsichtigt -- durch den militärisch-industriellen Komplex schützen. Das Potential für die katastrophale Zunahme fehlgeleiteter Kräfte ist vorhanden und wird weiterhin bestehen.“

Eisenhower erklärte: „Nur eine aufmerksame und kenntnisreiche Bürgerschaft“ könne sicherstellen, dass „Sicherheit und Freiheit zusammen gedeihen können“

50 Jahre später bewahrheiten sich Eisenhowers Warnungen. Snowden hat versucht, die Bevölkerung auf die Gefahr aufmerksam zu machen, die aus der Verbindung zwischen dem Militär- und Geheimdienstapparat und den riesigen Telekommunikations- und Internetkonzernen droht, und dafür wird er gejagt.

Es ist die Pflicht der arbeitenden Bevölkerung, der Jugendlichen und der Studenten der Vereinigten Staaten und der Welt, Snowden, Julian Assange und Bradley Manning zu verteidigen. Es ist klar, dass kein Teil des politischen Establishments dies tun wird.

In Betrieben, Hochschulen, Schulen und in Wohnvierteln muss Unterstützung mobilisiert werden. Die Forderung muss erhoben werden, alle Vorwürfe gegen Snowden fallenzulassen und alle Dokumente über staatliche Überwachung zu veröffentlichen.

Die Verteidigung derjenigen, die ins Fadenkreuz des US-Imperialismus geraten, weil sie seine Verbrechen enthüllen, muss zum Ausgangspunkt einer Offensive zur Verteidigung demokratischer Rechte werden. Diese Bewegung muss bewusst zu einem Teil der politischen Bewegung der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus gemacht werden, der die Ursache für Krieg, soziale Ungleichheit und die Gefahr einer Diktatur ist.

Die World Socialist Web Site und die Socialist Equality Party setzen sich für die Verteidigung von Edward Snowden ein. Weitere Informationen und Mithilfe, hier.

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