Internationale Online-Veranstaltung der PSG zur Revolution und Konterrevolution in Ägypten

Am Sonntag führte die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) in Berlin ihre erste internationale Online-Veranstaltung durch. Sie trug den Titel „Revolution und Konterrevolution in Ägypten – Die politischen Lehren“ und bildete den Auftakt zu einer Serie solcher Veranstaltungen im Rahmen des Bundestagswahlkampfs der Partei. Dem internationalen Charakter der Wahlkampagne der PSG entsprechend wurde die Veranstaltung mit einer englischen Simultanübersetzung für eine weltweite Zuhörerschaft live ins Internet übertragen.

Zusätzlich zu den Besuchern in Berlin registrierten sich 118 individuelle Nutzer für die Veranstaltung. Unter den einzelnen Nutzern befanden sich größere Zuhörergruppen aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, der Türkei, Rumänien, den Vereinigten Staaten, Sri Lanka, den Philippinen und Australien. Weitere Zuhörer kamen unter anderem aus Spanien und Brasilien. In Deutschland wurde die Veranstaltung in München, Leipzig, Hamburg, Frankfurt und Essen von Gruppen gemeinsam verfolgt.

Nach einleitenden Worten des Parteivorsitzenden der PSG, Ulrich Rippert, sprach WSWS-Redakteur und führendes Mitglied der PSG Johannes Stern zur Entwicklung der Revolution und Konterrevolution in Ägypten und den politischen Lehren für die Arbeiterklasse.

Stern verwies zu Beginn seines Vortrags auf die Haftentlassung des gestürzten Diktators Hosni Mubarak: „Mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Beginn der Ägyptischen Revolution und dem Sturz Mubaraks, versuchen die Militärmachthaber ihren ehemaligen Führer zu rehabilitieren. Viele Vertreter des alten Regimes sind zurück in ihren Machtpositionen. Die Notstandsgesetze mit denen Mubarak über mehr als drei Jahrzehnte die ägyptische Bevölkerung unterdrückt hat, sind wieder in Kraft. In den vergangenen Wochen wurden tausende Demonstranten vom Militär und von Sicherheitskräften getötet, schwer verletzt und willkürlich festgenommen. Die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung diskutiert darüber, die Muslimbruderschaft wie zu Zeiten der Mubarak-Diktatur wieder offiziell zu verbieten. Nahezu die Hälfte ihrer Führungskader, darunter der abgesetzte Präsident Mohamed Mursi, sitzen mittlerweile in Haft.“

Stern verurteilte den Militärputsch als einen „Präventivschlag gegen die ägyptische Arbeiterklasse, die treibende Kraft der Revolution. Bevor das Militär intervenierte, waren Millionen von Arbeitern auf den Straßen und Plätzen in ganz Ägypten versammelt, um gegen Mursi und die Muslimbruderschaft und für die Ziele der Revolution zu demonstrieren: Für bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, höhere Löhne und mehr demokratische und soziale Rechte.“

„Nun scheint es“, fuhr Stern fort, „als ob das Rad der Zeit vor den 25. Januar 2011 zurückgedreht wurde“. „Wie ist es möglich, dass die Konterrevolution nach zwei Jahren bitterer Kämpfe mit Mubarak wieder ihr hässliches Gesicht zeigt? Wer trägt dafür die politische Verantwortung?”, fragte er und antwortete: „Um zu verstehen, wie es den Vertretern des alten Regimes und dem Imperialismus möglich war, trotz der massiven Bewegung der Arbeiterklasse ‚die Uhr zurückzudrehen‘, muss man vor allem den Klassencharakter der sogenannten liberalen und ‚linken‘ Organisationen untersuchen.“

Das gesamte liberale und pseudo-linke Milieu in Ägypten habe mit einer scharfen Rechtswende reagiert, als es realisierte, dass die Arbeiterklasse weit über ihr eigenes Interesse hinausging. „Je deutlicher die Arbeiterklasse im Verlauf der Revolution in den Vordergrund trat, desto mehr fürchteten die wohlhabenden Mittelschichten um ihre eigene soziale Position“, sagte Stern. „Nach zweieinhalb Jahren massiver Proteste und Streiks sind sie bereit, die Rückkehr zu einer Diktatur zu unterstützen, um ihren Wohlstand und ihre Privilegien gegen die Gefahr einer sozialistischen Revolution zu verteidigen.“

Der Redner ging dann ausführlich darauf ein, wie die Nationale Heilsfront, die Ägyptische Sozialistische Partei, die Revolutionären Sozialisten und andere liberale und pseudolinke Gruppierungen die Bewegung Tamarod („Rebellion“) unterstützten und so die entscheidende Rolle für das Militär und das alte Regime spielten, die Massenbewegung gegen Mursi für ihre eigenen reaktionären Ziele einzuspannen. Während Tamarod von Elementen wie dem Multimilliardär Naguib Sawiris und Ahmed Shafiq, dem letzten Premierminister unter Mubarak, unterstützt und finanziert wurde und zu einem Militärputsch aufrief, versuchten diese Kräfte, sie als Bewegung zur Fortsetzung der Revolution darzustellen.

Stern betonte, dass die Rechtsentwicklung der wohlhabenden Mittelschichten ein internationales Phänomen sei, das seine Ursache in der tiefen Krise des Kapitalismus und der Dynamik des Klassenkampfs in Ägypten und international habe.

Er fragte: „Kann irgend ein Zweifel darin bestehen, welche Rolle die Linkspartei hier spielen würde, wenn Millionen von Arbeitern auf die Straße gehen? Ihre Standpunkte und die ihrer Schwesterparteien in Ägypten unterstreichen, wie sie reagieren würde: Mit einem Ruf nach Diktatur und Gewalt.“ Er zitierte dann aus einem Strategiepapier der Rosa-Luxemburg-Stiftung, das sich gegen Demokratie in Ägypten ausspricht und zur Zusammenarbeit mit der Militärjunta aufruft.

Stern machte klar, dass die ägyptische Arbeiterklasse zwar zweifellos einen deutlichen Rückschlag erlitten habe, aber der Militärputsch nicht das Ende der Revolution bedeute, sondern von einem ihrer Anfangsstadien. Die Ägyptische Revolution werde letzten Endes von der sich verschärfenden Krise des kapitalistischen Systems angetrieben, und die nächste Explosion entwickle sich bereits unter der Oberfläche.

Der Redner betonte, das zentrale Problem der ägyptischen und internationalen Arbeiterklasse sei die Frage der revolutionären Führung. In einer Situation, in welcher die Arbeiterklasse in eine neue Epoche revolutionärer Kämpfe eintrete, bestehe die entscheidende Aufgabe darin, die politischen Lehren aus der Ägyptischen Revolution zu ziehen, um die zukünftigen Klassenauseinandersetzungen vorzubereiten. Dies bedeute den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale im Nahen und Mittleren Osten und weltweit.

Im Anschluss an den Bericht gab es für alle Teilnehmer die Möglichkeit, über das Internet Kommentare zu schicken und Fragen zu stellen. Wir können an dieser Stelle nur einige der zahlreiche Beiträge dokumentieren.

Aus Rumänien: „Diese internationale Konferenz ist von großer Bedeutung. Sie unterstreicht die zentrale Bedeutung der WSWS für die Entwicklung einer internationalen Perspektive für die Arbeiterklasse.“

Aus Sri Lanka: „Der Vortrag war eine brillante Zusammenfassung der Ereignisse in Ägypten und hat deren internationale Bedeutung herausgearbeitet und die notwendigen Lehren gezogen. Grüße aus Sri Lanka!“

Unter anderem wurde gefragt:

Aus England: „Kannst du mehr zu den engen Verbindungen zwischen Tamarod und den Revolutionären Sozialisten sagen?“

Aus Sheffield in Großbritannien und Kansas (USA) kam die Frage: „Was ist die Verbindung zwischen den Entwicklungen in Syrien und Ägypten?“

Aus Deutschland: „Kann der Redner etwas über die Rolle der deutschen Regierung bei der Unterdrückung der ägyptischen Arbeiterklasse sagen? Ist es dabei möglich, genauer auf die Rolle der Linkspartei einzugehen?“

Stern beantwortete am Ende der Veranstaltung die wichtigsten Fragen.

Vor allem betonte er die enge Verbindung zwischen den jüngsten Entwicklungen in Syrien und der Situation in Ägypten. „Die imperialistischen Mächte und allen voran die USA verbreiten nun Lügen über einen Giftgaseinsatz der syrischen Regierung und bereiten einen Militärschlag vor. Es ist klar, dass es bei dem Krieg gegen Syrien um geostrategische Interessen geht, aber auch darum, die revolutionäre Offensive der ägyptischen Arbeiterklasse einzudämmen.“

Nach der Veranstaltung sprachen WSWS-Reporter mit Nikolas H., der das erste Mal an einem Treffen der PSG teilnahm. Er erklärte, dass ihn die Veranstaltung sehr beeindruckt habe. „Ich fand das wirklich gut. Was der Redner gesagt hat, machte Sinn, und ich habe viel über die Situation in Ägypten gelernt.“

H. hat für die anderen Parteien, die zur Bundestagswahlen antreten, nichts übrig. „Sie wollen uns alle manipulieren und sind Teil der Verschwörung gegen die Bevölkerung, die von Edward Snowden aufgedeckt wurde. Sie unterstützen alle den Kapitalismus.“ Er sagte, dass er vor allem an der Veranstaltung zu Edward Snowden und der Gefahr eines Polizeistaats interessiert sei, die von der PSG in zwei Wochen geplant ist.

Insgesamt kennzeichnete die Veranstaltung vor allem auf Grund ihres wahrhaft internationalen Charakters einen wichtigen Schritt im Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

In den verbleibenden Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September wird die PSG vier weitere Online-Veranstaltungen abhalten, die am 21. September mit der „Europäischen Arbeiterversammlung gegen Krieg, Diktatur und Sozialabbau“ ihren Höhepunkt finden.

Den vollständigen Bericht von Johannes Stern wird die WSWS in den nächsten Tagen veröffentlichen.

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