Wahlkampf der PSG in Frankfurt-Gallus

PSG-Infostand im Gallus

 

Am vergangenen Samstag informierte die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) im Frankfurter Gallusviertel über ihren Bundes- und Landtagswahlkampf. Das Gallus ist ein traditionelles Arbeiterviertel, in dem seit jeher Leute mit geringerem Einkommen und viele zugewanderte Arbeiter leben.

Obwohl Frankfurt das wirtschaftliche und Finanzzentrum Hessens ist, liegt die Arbeitslosigkeit in der Stadt mit 7,5 Prozent höher als im hessischen Durchschnitt (5,9 Prozent). Überhaupt sind die sozialen Gegensätze in der Bankenmetropole besonders krass. Dem glitzernden Reichtum hinter den Fassaden der Finanzpaläste stehen zehntausende Menschen gegenüber, die ihr Dasein in Niedriglohnjobs und prekären Arbeitsverhältnissen fristen.

Zwei große Probleme der Stadt, die hohen Mieten und die Immobilienspekulation, sind im Gallusviertel mit Händen zu greifen. Die Stadt lässt auf fünf großen Grundstücken private Immobilienfirmen tausend so genannte hochwertige Wohnungen bauen, die sich kein Alteingesessener leisten kann. Auch die Wohnungsbaugesellschaft FAAG (Frankfurter Aufbau AG), die der Stadt gehört, folgt diesem Trend und schlägt Profit aus teuren Appartements, wo ihre genossenschaftlichen Vorgänger noch Sozialwohnungen geschaffen haben.

Die gespannte soziale Lage kam am Infostand in zahlreichen Diskussionen zum Ausdruck. Frau K, die in einer nahegelegenen FAAG-Siedlung wohnt, berichtete von den Auswirkungen der neuen Luxusbauten: „Früher sind die Mieten in unsrer Straße regelmäßig alle drei Jahre angehoben worden“, sagte sie. „Aber seit 2011 passiert das plötzlich jedes Jahr.“ Viele Mieter, so auch sie selbst, müssten sich entweder einen guten Rechtsanwalt nehmen oder ausziehen.

Frau K. interessierte sich dafür, dass die PSG Wohnungen in Gemeineigentum überführen will. Die PSG geht davon aus, dass eine anständige, bezahlbare Wohnung ein elementares soziales Grundrecht ist, und das PSG-Programm sieht vor, die Bau- und Immobilienkonzerne entschädigungslos zu enteignen und unter die demokratische Kontrolle der Arbeiter und der Mieter zu stellen.

Yvonne K., eine Grundschullehrerin und Mutter von fünf Kindern, hat kein Vertrauen in die traditionellen Parteien. Obwohl die Entwicklung von Kindern ein öffentliches Anliegen ist, und viele Lehrer, Studenten und Rentner sich freiwillig engagieren, um Kindern zu helfen, haben die politischen Parteien schlicht kein Interesse, die Voraussetzungen für eine gute Erziehung und Bildung zu schaffen.

Yvonne K.

 

„Der Staat stellt einfach keine ausreichenden Mittel in Form von Geld und ausgebildetem Personal bereit, um den Kindern gerecht zu werden“, sagte Yvonne. „Besonders Kinder aus sozial schwachen Familien sowohl mit deutschem als auch mit ausländischem Hintergrund werden vernachlässigt.“

Als Lehrerin sehe sie täglich, dass die Integration und Gleichberechtigung aller Kinder auf der Strecke bleibe. Die Grundschule spiele eine so wichtige Rolle für die weitere Entwicklung eines Kindes, und doch hätten Gleichberechtigung und Integration in keiner der vier Grundschulen, in denen sie schon unterrichtet habe, in der Praxis funktioniert.

„Die CDU-Landesregierung prahlt damit, dass es in den Schulen ‚keine Fehlstunden‘ und eine ‚Unterrichtsgarantie‘ gibt. Realität ist aber, dass beim Fehlen einer Lehrkraft eine nicht ausgebildete, unvorbereitete Person geschickt wird, die die Kinder bloß beaufsichtigt. Einfach gesagt, es werden keine Lehrer eingestellt, und die Belastung der vorhandenen Lehrer ist sehr hoch. In den Grundschulen unterrichtet ein Lehrer 22 Schüler; da ist es sehr schwierig, sich ausreichend Zeit für die Kinder zu nehmen.“

In der Tat verschlechtert sich die Lage. In Frankfurt hat die Stadtregierung aus CDU und Grünen Anfang des Jahres ein massives Sparprogramm aufgelegt, durch das zahllose städtische Einrichtungen und soziale Dienste teurer werden. Der Eintritt in Schwimmbäder, Museen, den Palmengarten, um nur einige Beispiele zu nennen, wird angehoben, die Kitagebühren steigen und die Ausgaben für Schul- und Kita-Materialien werden gekürzt, während die Grundsteuer, die vor allem Mieter trifft, angehoben wird. Die Gewerbesteuer, die von den Milliarden verdienenden Banken und Konzernen zu zahlen ist, soll hingegen nicht angehoben werden.

Die Hauptkritik der Frankfurter SPD an diesen Kürzungen besteht darin, dass sie zu wenig Geld einsparen. Und Die Linke hängt sich an die SPD und strebt ein rot-rot-grünes Bündnis an.

„Es gibt im Bundestag – wie auch im hessischen Landtag – keine Partei, die die Interessen der Arbeiterklasse vertritt“, sagte PSG-Kandidat Helmut Arens am Stand. „Es macht keinen Unterschied, ob die CDU oder die SPD die Wahl gewinnt. Wir haben faktisch eine große Koalition von bürgerlichen Parteien, die von der CSU bis hin zur Linkspartei reicht. Das ist der Grund, warum die PSG an den Wahlen teilnimmt: Sie ist die einzige Partei, die den Arbeitern eine Stimme gibt.“

Weil sich alle Parteien in den grundlegenden Fragen einig sind, greifen sie im Wahlkampf kein brennendes Thema auf: weder die ungelöste Eurokrise noch die Kriegsgefahr in Syrien, noch die NSA-Spitzelaffäre oder die permanenten Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Renten. Das bestätigten viele Gesprächsteilnehmer. Der Wahlkampf werde vollkommen unpolitisch geführt, außer bunten Plakaten sei nichts zu sehen, erklärten sie.

Frau D., eine Hausfrau, die mit dem Fahrrad am Infotisch vorbei kam, bestätigte dies. Sie könne keine wirkliche Debatte zwischen den etablierten Parteien feststellen. Früher habe ja die SPD zumindest in Worten die Interessen der arbeitenden Bevölkerung noch verteidigt. „Aber jetzt hat sie ihre traditionellen Wähler völlig vergessen. Ich glaube den hohlen Versprechungen dieser Parteien nicht mehr.“

Frau D. sagte, sie gehe wohl gar nicht mehr wählen, nahm aber das Programm der PSG dennoch bereitwillig mit. Die Forderung nach der internationalen Einheit der Arbeiterklasse fand sie richtig und notwendig.

Sie berichtete, ihr toter Vater sei Mitglied der SS gewesen. Darunter habe sie sehr gelitten, obwohl sie niemals etwas mit seinen Taten zu tun gehabt habe. Sie glaube, dass der Staat immer noch von rechtsradikaler Ideologie beeinflusst sei. Anders sei nicht zu erklären, dass die NSU-Terroristen jahrelang unbehelligt blieben. Sie glaube nicht daran, dass durch Gerichtsprozesse Klarheit geschaffen werde. „Die Leute, die an diesen Morden schuld sind, werden nicht wirklich zur Verantwortung gezogen.“

PSG-Kandidat Helmut Arens (links) und Noura

Auch Noura, eine Radiologieassistentin, die aus dem Sudan stammt, hält nichts von Wahlen. „Nach der Wahl kümmert sich sowieso keiner mehr darum, was er vor der Wahl versprochen hat“, war der Kommentar der jungen Frau, die gerade von der Nachtschicht kam. In ihrem Bereich seien die Arbeitsbedingungen ganz vernünftig, sagte sie. Dennoch gebe es bei den Pflegekräften wegen Personalmangel viel Unzufriedenheit. Noura fand es gut, dass die PSG eine Privatisierung wie im Falle des Klinikums in Offenbach strikt ablehnt.

Ein polnischer Arbeiter war vor allem vom Internationalismus der Partei angetan. Eine internationale Partei sei notwendig, erklärte er, „weil Arbeiter überall die gleichen Probleme haben“. Der Arbeiter wusste aus eigener Erfahrung, dass auf den großen Baustellen derzeit zahlreiche Wanderarbeiter aus Polen, Rumänien und Bulgarien unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften.

Immer häufiger werden Bauarbeiter aus Osteuropa mit Versprechungen nach Deutschland gelockt, die hier auf den Großbaustellen dann für Sub-Sub-Subunternehmer arbeiten, während Gewerkschaften und Behörden zuschauen. Der Arbeiter war sehr angetan von der prinzipiellen Haltung der PSG, dass jeder Arbeiter das Recht hat, im Land seiner Wahl zu leben und zu arbeiten.

Gegen Rassismus

Die Partei für Soziale Gleichheit kämpft für die gemeinsame Mobilisierung aller europäischen Arbeiter und für ein sozialistisches Programm, wie die PSG-Mitglieder am Stand erläuterten. Nur so kann verhindert werden, dass die Arbeiterklasse gespalten und Fremdenhass gegen osteuropäische Arbeiter geschürt wird.

Johanna, die trotz ihrer neunzig Jahre noch sehr rüstig ist, stimmte dem zu. Sie hält es ohne weiteres für möglich, dass die gegenwärtige Krise zu einer neuen Katastrophe wie zur Zeit des Faschismus führen könnte.

Johanna kann sich noch gut daran erinnern, wie die Nazis Leipzig terrorisierten, als sie zehn Jahre alt war. Sie berichtete, wie sie ihren Vater, der in der SPD war, bei Kampagnen gegen die Nazis begleitete. Eine Parole ist ihr bis heute in Erinnerung geblieben, die lautete: „Fürchtet die braunen Horden, die Männer, Frauen und Kinder morden.“

Johannas Hauptsorge heute sind die vielen Arbeitslosen. „Arbeit ist ein Grundbedürfnis für die Menschen“, sagte sie. Sie glaube nicht daran, dass eine der etablierten Parteien – SPD, CDU oder Grüne – Arbeitsplätze schaffe. Sie hat in ihrem Leben hart gearbeitet und erhält eine relativ gute Rente. Aber es bereitet ihr große Sorgen, dass ihre Tochter, die Mitte Vierzig ist, seit Jahren arbeitslos ist. Johanna ist bis heute gezwungen, von ihrer Rente die Tochter und die Enkelin zu unterstützen. „Was ihr gesagt habt, hört sich gut an, ich wünsche Euch Erfolg für euren Wahlkampf!“

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