Ermittlungen gegen Berliner Polizisten eingestellt

Die Ermittlungen gegen den Berliner Polizisten, der den 31-jährigen Manuel F. im Berliner Neptunbrunnen erschoss, sind letzten Monat eingestellt worden. „Notwehr“ urteilte die Staatsanwaltschaft.

Im Juni war der offensichtlich psychisch gestörte Manuel F. nackt in den Neptunbrunnen gegenüber dem Sitz des Bürgermeisters gestiegen und hatte sich mit einem Messer selbst Verletzungen zugefügt. Einer der von Passanten herbeigerufenen Streifenpolizisten stieg daraufhin in den Brunnen. Als der Mann mit dem Messer in der Hand auf ihn zuging und der Aufforderung, es fallen zu lassen, nicht nachkam, schoss ihn der Beamte aus einer Distanz von 1,5 Metern in die Brust. Dann stürzten sich etwa acht Polizisten, die bis dahin am Brunnenrand gestanden hatten, auf den Mann und entrissen ihm das Messer. Manuel F. starb an der Schussverletzung.

In der Berliner Bevölkerung sorgte der Fall für Entrüstung. Der Einsatz war ein durch nichts gerechtfertigter brutaler Übergriff. Es war nicht der erste.

Im Jahr 2011 wurde die 53-jährige Andrea H. von einem Polizisten in ihrer Wohnung aus „Notwehr“ erschossen. Sie wohnte in einer Einrichtung für betreutes Wohnen und sollte auf Anweisung des sozialpsychologischen Dienstes in eine geschlossene Psychiatrie eingeliefert werden. Als Polizisten und eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes sie mitnehmen wollten, griff sie in panischer Angst zu einem Messer und wurde daraufhin erschossen.

Im Oktober 2012 erschoss ein Polizist den 50-jährigen André Conrad, der mit einer Axt und zwei Messern durch den Stadtteil Wedding lief. Was er vorhatte, war unklar. Als er sich gegen eine Festnahme durch die Polizei wehrte, reagierte diese mit äußerster Brutalität. Das Handyvideo eines Anwohners zeigt, wie Polizisten brutal auf ihn eintreten, einen Hund auf ihn hetzen, ihn mit Pfefferspray besprühen und ihn mit Stöcken auf die Arme schlagen, nachdem er bereits durch Schüsse in Bein und Bauch hilflos am Boden lag.

Der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes erklärte kurz darauf in einem Interview der Zeit, in diesem wie ähnlich eskalierten Fällen ginge es Polizisten darum zu zeigen, „wer Herr im Hause ist“.

Ein weiterer Fall liegt drei Jahre zurück. Ein Polizist schoss im Wedding einen scheinbar angetrunkenen Mann ins Bein. Dieser hatte ihn, laut Polizei, mit einem abgebrochenen Flaschenhals bedroht. Für den mit Schlagstock ausgerüsteten Polizisten stellte er keine Gefahr dar. Trotzdem griff der Beamte vor den umstehenden Anwohnern und Passanten zur Pistole.

Der Wedding ist ein sozialer Brennpunkt mit hoher Arbeitslosigkeit und einem hohen Anteil von Migranten. Die Machtdemonstration der Polizei war unmissverständlich. Wer es gegenüber Staatsdienern an Respekt und Unterwürfigkeit fehlen lässt, wird hart bestraft.

Bodo Pfalzgraf, Vorsitzender der Berliner Polizeigewerkschaft, verteidigt das brutale Vorgehen. „Wer Polizisten mit einem Messer angreift, muss damit rechnen, erschossen zu werden“, rechtfertigte er die Erschießung der psychisch kranken Andrea H. „Wenn am Ende jemand mit der Waffe auf einen losgeht, dann ist auch das staatliche Gewaltmonopol gefragt“, lautete sein Kommentar zur Tötung von Manuel F. Die Einstellung des Verfahrens gegen den Todesschützen vom Neptunbrunnen ist da eine Art Freibrief für Berliner Polizeibeamte.

Die Presse bemüht sich seit längerem, eine Atmosphäre ständiger Bedrohung zu suggerieren. Glaubt man ihren Berichten, kann sich die Polizei kaum der vielen Angriffe, meist Jugendlicher, auf Polizisten erwehren. Dabei werden auch Fälle angeführt, in denen angetrunkene Jugendliche einen Polizisten anspuckten.

Die brutalen Übergriffe nicht nur der Berliner Polizei zeigen, mit welcher Verachtung der Staat heute den schwächsten Schichten der Gesellschaft begegnet. So wurde Christy Schwundeck 2012 in einem Jobcenter in Frankfurt am Main von einer Polizistin erschossen. Sie hatte kein Geld mehr zum Leben, wurde vom Amt abgewiesen und aufgefordert, das Haus zu verlassen. Sie starb, weil sie dieser Aufforderung in ihrer Verzweiflung nicht nachkam.

Wann wird die Polizei in „Notwehr“ auf Demonstranten oder Streikende schießen, um ihnen zu zeigen, wer „Herr im Hause“ ist? In der krisengeschüttelten Weimarer Republik gehörten polizeiliche Übergriffe, bei denen oppositionelle Arbeiter zu Tode kamen, zum Alltag.

Vor einem ernsthaften Vertrauensverlust warnte im Juli die Zeit. Sie erinnerte daran, dass 2011 der Auslöser für die Jugendrevolte in London der tödliche Schuss eines Polizisten auf einen Jugendlichen gewesen war.

Der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) hat im Zusammenhang mit dem Todessschuss am Neptunbrunnen wieder den Einsatz von Tasern in die Diskussion gebracht. Diese „milde“ Distanzwaffe, die den Opfern lähmende Elektroschocks versetzt, wird in den USA bereits seit längerem eingesetzt. Der hartnäckige Ruf nach ihrer Anwendung in Deutschland ist ein Indiz dafür, dass der Staat auf die wachsenden sozialen Probleme keine andere Antwort kennt als Gewalt und in der Zukunft mit größeren Konfrontationen rechnet.

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