Frankreich:

Innenminister will tausende Roma abschieben

Der französische Innenminister Manuel Valls hat wieder einmal die Roma ins Visier genommen und fordert ihre Ausweisung nach Osteuropa. Seine Angriffe auf die gesamte Volksgruppe der Roma beleuchtet den reaktionären Charakter der Sozialistischen Partei (PS). Sie reagiert auf die Unbeliebtheit ihrer Kürzungs- und Kriegspolitik, indem sie Rassismus schürt und sich den Positionen der neofaschistischen Nationalen Front (FN) annähert.

Am 24. September erklärte Manuel Valls: “Die Roma sollten nach Rumänien oder Bulgarien zurückkehren und dort bleiben.” Am darauf folgenden Tag bekräftigte er seine Aussage: “Ich habe nichts zurückzunehmen. Meine Äußerungen schockieren nur jene, die nichts von der Sache verstehen.“

Valls Bemerkungen, er befürworte die gewaltsame Deportation einer gesamten ethnischen Gruppe, sind ein Hinweis darauf, wie weit der Verfall der Demokratie in Frankreich bereits fortgeschritten ist. Prominente PS-Mitglieder, die von Rassenvorurteilen besessen sind, und denen in Meinungsumfragen die Nationale Front im Nacken sitzt, organisieren zurzeit die Deportation von Roma aus mehreren Städten. Das bekannteste Beispiel ist Marseille.

Viviane Reding, EU Justizkommissarin, reagierte auf Valls Aussage auf Radio France-Info: „Wir haben europäische Regeln, die Frankreich unterzeichnet hat“, sagte sie. „Diese Regeln beinhalten das Recht auf Reisefreiheit für drei Monate. Diese Leute sind nicht Roma, sondern Menschen. Es obliegt einem Richter zu entscheiden, ob sie die Gesetze des entsprechenden Landes verletzt haben, und ob sie vertrieben werden können.“

Reding sagte, sie vermute, die französische Regierung befinde sich schon im Wahlkampfmodus für die Kommunalwahlen im März 2014. Sie beschuldigte die SP-Regierung, diese Frage hochzuspielen, um von ihrer unpopulären Politik abzulenken.

Sie sagte: “Wenn ich mich nicht täusche liegen in Frankreich Wahlen in der Luft. Immer wenn wichtige Dinge wie der Haushalt oder die Schulden nicht angesprochen werden sollen, entdecken die Leute wieder die Roma-Frage.“

Obwohl Reding auf Valls reaktionäre Anschauungen reagierte, wäre es falsch, Vertrauen in sie oder die Europäische Union zu setzen. Wenn es darum geht, demokratische Rechte in Europa zu verteidigen, ist auf die EU kein Verlass. Sie verordnet Arbeitern der Mitgliedsstaaten systematisch Kürzungen ihres Lebensstandards und trägt so zur Krise des Kapitalismus und zur sozialen Unterdrückung bei. Dies liegt der Politik der europäischen Regierungen zugrunde, wenn sie Rassenhass und neofaschistische Stimmungen schüren.

Reding hat schon die Deportation von Roma durch die Vorgängerregierung unter Präsident Nicolas Sarkozy seit 2010 kritisiert. Die europäischen Medien wiesen diese Kritik jedoch zurück, und die EU gab dem französischen Staat praktisch freie Hand für die Verfolgung der Roma.

Die PS-Regierung unterstützt Valls offen. Regierungssprecher Najat Vallaud-Belkacem verteidigte die Politik, “die von Valls mit Festigkeit und Menschlichkeit umgesetzt wird”. Er bekräftigte: „Repatriierung kann eine Lösung sein.“

Vallaud-Belkacems Erklärung entlarvt den lügnerischen Zynismus der Regierung. Sie wendet den Begriff “Menschlichkeit” auf eine rassistische Politik an, die die Vertreibung von Roma, die Zerstörung ihrer Lager und eine ständige Hetze in den Medien gegen sie beinhaltet.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International widerspricht der Erklärung Vallaud-Belkacems zu den Maßnahmen der Regierung. Die Organisation schreibt: „Die Zwangsräumungen von Roma gehen trotz eines interministeriellen Erlasses vom August 2013 weiter und nehmen sogar zu. Die Lage ist genauso schlimm, wenn nicht schlimmer, als 2012.“

Die Verfolgung der Roma hat tiefe objektive Wurzeln in der Weltwirtschaftskrise und den zunehmenden politischen Spannungen in Europa. Arbeiter sind wütend über die Sparpolitik und die Kriege der PS-Regierung. Nach mehr als einem Jahr im Amt ist François Hollande der unpopulärste Präsident seit der Gründung der Fünften Republik 1958. Die Regierung setzt weiterhin die Reformen durch, die die Finanzaristokratie fordert, und will sie sogar noch beschleunigen.

Die kapitalistische Krise, die vor fünf Jahren ausgebrochen ist, nützt der offiziellen “Linken” wie der Linksfront oder der Neuen Antikapitalistischen Partei nicht. Das zeigt den Bankrott dieser Parteien. Sie haben sich in politische Abhängigkeit von der Sozialistischen Partei (PS) gebracht, die sie in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl 2012 unterstützten, obwohl sie zugeben mussten, dass Hollande Kürzungspolitik betreiben werde.

Seitdem bemühen sie sich, jede unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse gegen die PS zu verhindern. Sie bewahren ein politisch kriminelles Schweigen über den neofaschistischen Drall der Regierung, die sie mit gewählt haben. Das ermöglicht es den Rechtsradikalen als die einzige Opposition gegen die reaktionäre Agenda der PS aufzutreten.

Angesichts sozialer Unruhe, die vor allem der FN zugute kommt, stachelt die PS Rassismus an, um die Arbeiter zu spalten, und übernimmt praktisch Teile des Programms der Neofaschisten. Das verschafft der FN Legitimität und wachsenden Einfluss.

Die Aufmerksamkeit der Medien für Valls ist Ausdruck der Rechtsentwicklung der ganzen bürgerlichen Politik in Frankreich seit über einem Jahr. Der Einfluss der Law- and-Order Kräfte und des extrem rechten Nationalismus nimmt zu.

Besonders das Gewicht des Innenministers hat seit der Präsidentschaft von Jacques Chirac vor zehn Jahren immer weiter zugenommen. Sarkozys Position als „oberster Polizist des Landes“ erleichterte ihm 2007 den Gewinn der Präsidentschaft.

Unter Sarkozy war dieses Ministerium immer in den Händen seiner engsten Gefolgsleute. Leute wie der Chef der Inneren Sicherheit, Bernard Squarcini, der kein Geheimnis aus seinen Beziehungen zu korsischen Mafiakreisen machte, spielten in der Regierung Sarkozys wichtige Rollen.

Hollande vertraute das Innenministerium Valls an, einem der offensten Vertreter von Law-and-Order in der PS. Hollandes Unpopularität nützt Valls, den die bürgerliche Presse inzwischen als einen der zukünftigen Bewerber um die Präsidentschaft sieht.

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