Anhänger der Chrysi Avgi in Griechenland ermordet

Am Freitag wurden im Athener Vorort Neo Heraklio zwei Mitglieder der faschistischen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) durch einen professionell organisierten Anschlag getötet. Obwohl die Umstände der Tat noch unklar sind, wird diese von Regierung und Opposition genutzt, um die Staatsaufrüstung voranzutreiben.

Medienberichten zufolge zeigt das Video einer Überwachungskamera, wie zwei maskierte Männer auf einem Motorrad zum lokalen Büro der Chrysi Avgi fahren, das Fahrzeug 40 Meter vom Eingang entfernt abstellen und sich dann zu Fuß einer Gruppe von vier jungen Männern nähern, die den Eingang bewachen. Einer der beiden soll aus 15 Metern Entfernung mit einer halbautomatischen Pistole auf die Gruppe geschossen haben. Danach soll er sich der Gruppe genähert und Schüsse in den Kopf der Opfer abgegeben haben.

Zwei Männer starben direkt nach der Tat. Ein weiterer befindet sich mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, ist aber auf dem Weg der Besserung. Ein Vierter konnte sich in das Innere des Hauses flüchten und blieb unverletzt. Laut Polizeiangaben wurden am Tatort mindestens 13 9-mm-Patronenhülsen gefunden. Während die Polizei zunächst davon sprach, dass beide Täter Motorradhelme trugen, soll das Video zeigen, dass der Schütze eine Baseball-Kappe anhatte.

Chrysi Avgi erklärte, die beiden Todesopfern seien Mitglieder der Partei gewesen. Die Mutter des verletzten Alexandros Gerontas sagte, dass ihr Sohn eher ein Sympathisant als ein Mitglied der Partei gewesen sei.

Bei Chrysi Avgi handelt es sich um eine offen faschistische Organisation, die ein abgewandeltes Hakenkreuz als Emblem führt und für zahlreiche Überfälle auf Migranten, Homosexuelle und politische Gegner verantwortlich ist, darunter auch Mordanschläge. Der Führer der Chrysi Avgi, Nikos Michaloliakos, befindet sich derzeitig wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Haft. Bei den letzten Wahlen erreichte die Partei knapp sieben Prozent.

Über die Identität der Täter ist bisher nichts bekannt. Es gab weder ein Bekennerschreiben, noch konnte die Waffe mit früheren Taten in Verbindung gebracht werden. Ob es sich um parteiinterne Auseinandersetzungen, eine staatliche Provokation oder die reaktionäre Tat einer anarchistisch-terroristischen Gruppe handelt, ist derzeit noch ungeklärt. Angesichts der tiefen Verstrickung der Chrysi Avgi in das kriminellen Milieu kann auch eine Bandenfehde nicht ausgeschlossen werden.

Trotzdem war die Polizei von Anfang an bemüht, ein politisches Motiv für die Tat nahezulegen. Sie erklärte, die einzige Gruppe, die in den letzten Jahren solche Morde verübt habe, sei die „Sekte der Revolutionäre“, die sich 2009 zum Mord an einem Polizisten und 2010 an einem Journalisten bekannt hatte.

Zudem hätten Mitglieder der „Verschwörung der Feuerzellen“ aus der Haft heraus zu einer „Einheitsfront“ der terroristischen Organisationen gegen die Faschisten aufgerufen. Verdächtig sind nach Polizeiangaben außerdem Mitglieder der Gruppe „Revolutionärer Kampf“, insbesondere der flüchtige Nikos Maziotis.

Auch Medien und Parteienvertreter gingen unmittelbar nach der Tat von einem politischen Motiv aus. „Zwölf Kugeln gegen die Demokratie“, titelte etwa die Tageszeitung To Vima und schrieb von einem „eindeutig terroristischen Akt“. Die größte Oppositionspartei, die Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA), bezeichnete den Doppelmord in einer Presseerklärung vom Freitag als „Angriff auf die Demokratie“.

Die Regierung nutzt den Anschlag, um von ihren brutalen sozialen Angriffen gegen die große Mehrheit der Bevölkerung abzulenken und den Staatsapparat aufzurüsten. „Die griechische Gesellschaft wird vereint und rücksichtslos gegen die Mörder handeln“, sagte Regierungssprecher Simos Kedikoglou.

Schon der Mord an dem antifaschistischen Hip-Hop-Musiker Pavlos Fyssas durch einen Sympathisanten der Chrysi Avgi war dazu genutzt worden, den Staatsapparat zu stärken und gegen die soziale Opposition von Arbeitern in Stellung zu bringen. Vertreter der Regierung wurden nicht Müde zu betonen, dass sich der Staat gegen „beide Extreme“ wenden müsse.

Unterstützt wurde die Regierung dabei von SYRIZA. Vor zwei Wochen hat die Partei eine Initiative der Regierung unterstützt, die staatliche Finanzierung von Parteien einzuschränken, die verdächtigt werden, eine kriminelle Vereinigung aufzubauen. Das Gesetz stützt sich auf den reaktionären Paragrafen 187 des Strafgesetzbuchs, der sich gegen kriminelle Vereinigungen richtet und explizit auch Streikaktivitäten und soziale Proteste als potentiell kriminelle Handlungen einbezieht.

Die Regierung setzt in wachsendem Maße auf Repressionsmaßnahmen, um soziale Proteste zu unterdrücken. In diesem Jahr wurden bereits drei Mal streikende Arbeiter unter Kriegsrecht gestellt und zurück an die Arbeit gezwungen.

Seit Wochen reißen die Proteste der öffentlich Beschäftigten gegen die Massenentlassungen der Regierung nicht ab. Für Mittwoch ist ein Generalstreik angekündigt, an dem sich neben den Beschäftigten des Nahverkehrs, der Krankenhäuser und Ämter auch Arbeiter aus der Privatwirtschaft beteiligen. Sie protestieren unter anderem gegen die geplante Grundsteuer, die in Griechenland auch viele einfache Arbeiter trifft.

Zudem übt die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission Druck auf die Regierung aus, rasch weitere Kürzungen zu verabschieden. Ansonsten droht sie mit dem Stopp der Hilfskredite. Weitere Verhandlungen sind für diese Woche geplant.

Unter diesen Bedingungen liegt die Möglichkeit nahe, dass es sich bei dem Anschlag vom Freitag um eine staatliche oder halbstaatliche Provokation gehandelt hat. Die griechische Geschichte ist reich an Beispielen, bei denen Anschläge von anarchistischen Gruppen für die Aufrüstung des Staatsapparats gegen die Arbeiter genutzt wurden. Diese Gruppen unterhalten regelmäßig enge Verbindungen zum Staat.

Im Jahr 2002 wurden die Mordanschläge der Gruppe „17. November“, insbesondere die Exekution des britischen Militärattachés Stephen Saunders, genutzt, um den bereits erwähnten Artikel 187 im Strafgesetzbuch zu verankern.

Die Gruppe bekannte sich in der Zeit von ihrer Gründung 1975 bis zu ihrer Auflösung im Jahr 2002 zu insgesamt 23 Morden. Dennoch wurde bis 2000 kein einziges Mitglieder der Gruppe festgenommen. Immer wieder gab es Hinweise auf Verbindungen der Organisation bis in die höchsten Ebenen der Politik.

Die „Sekte der Revolutionäre“, die „Verschwörung der Feuerzellen“ und „Revolutionärer Kampf“ sind direkt oder indirekt aus den Resten des „17. November“ hervorgegangen. Ideologisch zeichnen sich diese Gruppen durch eine Kombination aus extremem Individualismus und Nationalismus aus. Ihre terroristischen Aktionen dienen objektiv der Aufrüstung des Staats gegen die Arbeiter und dem Aufbau autoritärer Herrschaftsstrukturen.

Mit einem Kampf gegen die faschistische Gefahr haben individuelle Gewaltakte gegen Nazis nicht das Geringste zu tun. Dieser Kampf erfordert vielmehr die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dem stehen diverse bewaffnete und unbewaffnete kleinbürgerliche Tendenzen entgegen, die eine solche Bewegung verhindern wollen.

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