Genfer Verhandlungen:

Abkommen über iranisches Atomprogramm möglich

Am Freitag gehen die zweitägigen Genfer Verhandlungen der P5+1 Gruppe (USA, Großbritannien, Frankreich, China, Russland und Deutschland) mit dem Iran über dessen Atomprogramm zu Ende. Die Washingtoner Regierung ließ erkennen, das ein erstes begrenztes Abkommen zur Vertrauensbildung möglich sei.

US-Präsident Barack Obama sagte gestern auf NBC News, bei den Nukleargesprächen bestehe „die Möglichkeit eines Stufenabkommens“ mit dem Iran. Im Tausch für das Pausieren seines Nuklearprogramms könne der Iran mit „sehr moderaten Erleichterungen“ bei den verheerenden amerikanischen Wirtschaftssanktionen rechnen. Diese treiben die iranische Wirtschaft seit langem in den Ruin.

Auf CNN zeichneten anonyme hohe US-Vertreter Donnerstagabend grobe Umrisse des in Genf angebotenen Abkommens. Demnach stimmten die USA zu, einen Teil des eingefrorenen Geldes freizugeben. Bisher sind Dutzende Milliarden Dollar iranischer Ölgelder in internationalen Banken eingefroren. Auch wird möglicherweise der internationale Handel mit Edelmetallen und petrochemischen Produkten mit dem Iran in bestimmtem Umfang zugelassen. Im Gegenzug müsse der Iran die Urananreicherung auf zwanzig Prozent stoppen und den größten Teil der vorhandenen Vorräte solchen Brennstoffs unbrauchbar machen. Außerdem müsse er zustimmen, Hochgeschwindigkeitszentrifugen vom Typ IR-2 nicht zu nutzen und den noch nicht fertig gestellten Plutoniumreaktor in Arak nicht in Betrieb zu nehmen.

Die amerikanischen Vertreter betonten, das Abkommen sei noch nicht geschlossen, aber es könne dazu kommen, wenn der Iran den amerikanischen Forderungen nachkomme. Alle amerikanischen Sprecher betonten, die Sanktionen gegen die iranischen Ölexporte könnten auch in Kraft bleiben und alle Sanktionserleichterungen „wieder zurückgenommen“ werden.

Hohe Diplomaten versammeln sich offenbar in Genf, um dieses Abkommen unter Dach und Fach zu bringen. US-Vertreter gaben am Donnerstagabend bekannt, dass Außenminister John Kerry seine Nahostreise unterbreche, um nach Genf zu kommen. Auch der iranische Außenminister Javad Zarif, der die iranische Verhandlungsdelegation in Genf leitet, sagte eine Reise nach Rom ab, um weiter an den Gesprächen in Genf teilzunehmen.

Zarif signalisierte, dass Teheran ernsthaft über den US-Vorschlag nachdenke. „Ich halte es für möglich, eine Übereinkunft oder ein Abkommen zu erreichen, bevor diese Gespräche am Freitagabend zu Ende gehen“, sagte er.

Zarif sagte, dass die Verhandlungsdelegationen „einen Durchbruch erwarten“, lehnte aber genauere Angaben ab. „Wir sind an einem sehr sensiblen Punkt der Verhandlungen angelangt, und sie werden am besten am Verhandlungstisch weitergeführt, und nicht live im Fernsehen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir bereit sind, den unmittelbarsten Anliegen der Gegenseite Rechnung zu tragen, und wir erwarten im Gegenzug, dass die P5+1 unsere Anliegen ernst nehmen.“

Eine solche erste Übereinkunft, so sie denn zustande käme, wäre nur ein vorläufiges Abkommen, um den diplomatischen Rahmen für einen längerfristigen Vertrag zu dem iranischen Atomprogramm zu schaffen und die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Teheran generell auf eine neue Grundlage zu stellen. Die amerikanische Regierung betont seit langem, dass sie bereit sei, einen Krieg zu führen, um den Iran daran zu hindern, „die Fähigkeit zu erlangen“, Atomwaffen zu bauen.

Die Gefahr eines solchen Krieges wurde im September sehr deutlich, als die USA beinahe einen Krieg gegen Syrien begannen, den wichtigsten Verbündeten des Iran. Der Iran hat militärische Hilfe nach Syrien geschickt, um dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad im Krieg gegen die von den USA unterstützten al-Qaida Gruppen beizustehen.

Amerikanische Vertreter haben auch diese Woche wieder klar gemacht, dass Washington weiter mit Krieg droht, falls es zu keiner weitgehenden diplomatischen Übereinkunft mit Teheran kommt. Die amerikanische Verhandlungsführerin, Wendy Sherman, sagte auf CNN: „Wir müssen alles tun, um eine diplomatische Verständigung zu erreichen. Es gibt andere Optionen, aber eine diplomatische Lösung ist die beste Option. Wir alle müssen alles tun, um so schnell wie möglich herauszufinden, ob wir genau das erreichen können.“

Zarif signalisierte gestern, dass Teheran das Ziel verfolge, über eine solche breite politische Lösung zu verhandeln. Er sagte, er hoffe heute mit der Arbeit an einer „gemeinsamen Erklärung“ zu beginnen, die eine längerfristige Vereinbarung zum Ziel habe. „Wir alle hoffen, sie in einem begrenzten Zeitrahmen zu erreichen, wenn möglich in weniger als einem Jahr“, sagte Zarif. Er erklärte, dass der Iran anstrebe, den vollständigen Brennstoffkreislauf so weit zu entwickeln, dass er für eine zivile Nuklearindustrie ausreiche, aber nicht so weit, wie es für den Bau einer Atombombe notwendig wäre. „Wir werden unser Anreicherungsprogramm keinesfalls ganz aufgeben, aber wir können über unterschiedliche Aspekte sprechen, unterschiedliche Aspekte liegen auf dem Tisch“, sagte er.

Die iranische Regierung hat immer wieder beteuert, sie strebe weder heute, noch in Zukunft an, Atomwaffen herzustellen, und sie sei bereit, als Teil eines vorläufigen oder eines endgültigen Abkommens intensivere Inspektionen ihres Atomprogramms durch die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) zu akzeptieren.

Ungeachtet von Fortschritten bei den Genfer Gesprächen bleiben noch große Hindernisse für ein Abkommen zwischen Washington und Teheran aus dem Weg zu räumen. Ein solches Abkommen wäre selbst ein reaktionärer Deal, der den Einfluss des US-Imperialismus auf Kosten der arbeitenden Massen in Nahen Osten stärken würde.

Die Washingtoner Regierung hält daran fest, dass ein Abkommen nicht nur die Kontrolle über Irans Atomprogramm beinhalten müsse, sondern auch die praktische Kontrolle der USA über die Innen- und Außenpolitik des Iran. Die USA werden versuchen, weitgehende wirtschaftliche Zugeständnisse zu erzwingen, die ins Herz der iranischen Wirtschaft zielen. Geplant sind mehr amerikanische Investitionen, um die iranische Ölindustrie zu kontrollieren. Außerdem soll der Iran die Unterstützung für Israel-feindliche regionale Kräfte wie die Hisbollah im Libanon einstellen. In den letzten Wochen hat Washington durchblicken lassen, dass es die Teilnahme des Iran an der internationalen Genf II Konferenz zu Syrien befürworte, aber nur, wenn Teheran die Erklärung der Genf I Konferenz akzeptiere. Die US-Regierung interpretiert Genf I als vereinbar mit einem „Regimewechsel“ in Syrien.

Solche neokolonialen Forderungen schlagen der Stimmung in breiten Bevölkerungsschichten im Iran und in der Region ins Gesicht. Die iranische Arbeiterklasse befürwortet natürlich ein Ende der amerikanischen Sanktionen gegen den Iran, lehnt aber gleichzeitig den US-Imperialismus ab, die wichtigste ausländische Macht hinter dem blutigen Schah-Regime, das durch die iranische Revolution von 1979 gestürzt wurde.

Hunderttausende Iraner beteiligten sich am Montag in Teheran an Massenprotesten zum 34. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft durch iranische Studenten in der Revolution von 1979.

Jeder Versuch, die amerikanische Politik von ständigen Kriegsdrohungen gegen den Iran zu lösen, trifft auf mächtige Gegenwehr amerikanischer Verbündeter in der Region wie Saudi-Arabien und Israel. Beide Länder bestehen darauf, dass die USA dem Iran keinerlei nukleare Fähigkeiten zugestehen dürfen.

Bezeichnenderweise gab es gestern Berichte, dass Saudi-Arabien Schritte unternimmt, um Atomwaffen zu erwerben. Das saudische Regime hat schon wiederholt gewarnt, es werde sich gezwungen sehen, diesen Weg zu gehen, wenn es glaube, dass der Iran Atomwaffen entwickle.

Hohe Vertreter der Nato, der USA und Pakistans sagten der BBC, dass Saudi-Arabien ein Abkommen mit Pakistan geschlossen habe, ggf. von dort Atomwaffen zu beziehen. Der frühere Berater der Obama-Regierung in Sachen Atomwaffensperrvertrag, Gary Samore, sagte der BBC: „Ich glaube, die Saudis sind der Meinung, eine Übereinkunft mit Pakistan zu haben, dass sie im Extremfall von Pakistan Atomwaffen erwerben können.“

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat mehrfach betont, dass er jede Übereinkunft zwischen dem Iran und den Großmächten ablehne, die den Iran nicht zwinge, die Urananreicherung völlig einzustellen.

Er bekräftigte diese Position bei Kerrys Besuch am Mittwoch in Israel: “Ich glaube, solange sie weiter Uran anreichern, um Atomwaffen zu bekommen, muss der Druck aufrechterhalten und verstärkt werden, weil sie die Anreicherung verstärken.“

Gestern verurteilte Netanjahu die P5+1 Gespräche in Genf noch entschiedener.

„Soweit Israel das sehen kann, liegen heute in Genf Vorschläge auf dem Tisch, die den Druck auf den Iran verringern würden, Zugeständnisse zu machen, die gar keine Zugeständnisse wären. Dieser Vorschlag würde es dem Iran erlauben, die Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen zu behalten“, sagte Netanjahu. „Israel ist vollkommen gegen diese Vorschläge. Ich glaube, ihre Annahme wäre ein Fehler historischen Ausmaßes. Sie müssen rundheraus abgelehnt werden.“

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