Die Insolvenz von Detroit und die globale soziale Konterrevolution

Vergangene Woche veröffentlichten Detroiter Lokalmedien Teile des Sanierungsplans, den der Zwangsverwalter Kevyn Orr in dieser größten Städte-Insolvenz in der Geschichte Amerikas umsetzen will. Das Vorhaben, euphemistisch als "Anpassungsplan" bezeichnet, bedeutet einen brutalen Angriff, der als Vorbild für die Eskalation weiterer Angriffe auf die Arbeiterklasse in ganz Amerika und weltweit dienen wird.

Der Plan sieht die Streichung der Krankenversorgung von 23.500 pensionierten städtischen Beschäftigten vor. Sie sollen in Medicare oder Obamas Ersatz-Privatversicherungen abgeschoben werden. Den Rentnern werden auch ihre bereits niedrigen Rentenzahlungen gekürzt, da die Stadt ihre Zahlungen in die Rentenfonds um bis zu 75 Prozent kürzen wird.

Kevyn Orr organisiert einen Notverkauf von öffentlichem Eigentum, um Wall Street Banken und andere reiche Gläubiger zu bezahlen, bei denen die Stadt verschuldet ist. Auch das Detroit Institute of Arts und das städtische Wasser- und Abwasserwerk sollen unter den Hammer kommen. Die Streichung von 700 bis 1.700 Stellen bei der städtischen Wasserverwaltung ist nur ein Vorgeschmack auf die Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, die noch bevorstehen.

Detroits Insolvenz ist Teil der Strategie der herrschenden Klasse, die Uhr zurückzudrehen und die Arbeiter wieder in Bedingungen wirtschaftlicher Leibeigenschaft zu versetzen, wie sie zuletzt im neunzehnten Jahrhundert existierten. Für die Bevölkerung Detroits lehnt die Obama-Regierung ein Rettungspaket nach dem Muster der Bailouts für die Wall Street ab. Stattdessen benutzt sie die Insolvenz als Präzedenzfall, um die Bundesstaatsverfassung und andere rechtliche Schutzmechanismen für die Renten im öffentlichen Dienst auszuhebeln.

Was hier stattfindet, ist ein umfassender Diebstahl an Sozialleistungen der Arbeiter und am öffentlichen Eigentum durch eine parasitäre Finanzelite, die den ganzen Reichtum für sich selbst haben will. Politiker beider Parteien setzen diesen Raubzug des Großkapitals auf staatlicher, bundesstaatlicher und kommunaler Ebene durch, mit dem Segen der Gerichte und der Propaganda von Medien, die die Öffentlichkeit systematisch belügen.

Derweil haben das Weiße Haus und der Kongress die Sozialleistungen für Langzeitarbeitslose gekürzt, eine weitere Kürzung am Lebensmittelmarkenprogramm um neun Milliarden Dollar vorgenommen und einen Haushaltsplan verabschiedet, der für die nächsten zehn Jahre Kürzungen in Höhe von einer Billion Dollar vorsieht. Obamas Gesundheitsreform höhlt bereits die Krankenversicherungen von Millionen Menschen aus und dient als Einstieg in die Privatisierung von Medicare und Social Security.

Hier spielt sich eine soziale Konterrevolution ab, und sie bleibt nicht auf die USA beschränkt. Auf der ganzen Welt ist das wichtigste Ziel aller Regierungen, egal ob sie sich als links oder rechts ansehen, die Austerität. Die internationalen Banken fordern die Durchsetzung von Haushaltskürzungen und Strukturreformen, um die verbliebenen sozialen Rechte zu zerstören, die die Arbeiterklasse erkämpft hat.

In Griechenland mussten die öffentlich Beschäftigten bereits Lohnsenkungen von durchschnittlich 40 Prozent hinnehmen, und zwei Drittel der Jugendlichen und jungen Arbeiter sind arbeitslos. Die Sanierungsmaßnahmen der Troika von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds haben das Bruttoinlandsprodukt des Landes seit Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise um ein Viertel gesenkt. Das ist ein größerer Niedergang als während des griechischen Bürgerkriegs nach dem Zweiten Weltkrieg.

Am 1. Januar führte die spanische Regierung ein neues Rentensystem ein, dessen Zahlungen nicht mehr mit den Lebenshaltungskosten verknüpft sind, sondern mit einem neuen "Nachhaltigkeitsfaktor“, der auf der Lebenserwartung basiert. Damit ist gewährleistet, dass die Renten sinken, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung steigt.

Auch in Italien, Portugal, Großbritannien, Irland und ganz Osteuropa werden brutale Sparprogramme durchgeführt. Die französische Regierung wird ihre Angriffe auf Sozialprogramme verschärfen, und Währungskrisen in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas zwingen deren Regierungen, die Zinsen zu erhöhen und die Sozialausgaben zu senken.

Wie ein Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates vom vergangenen Monat aufzeigte, ist die Arbeitslosigkeit auf das Niveau einer Depression gestiegen und der Lebensmittelkonsum gesunken, während die Rentner auf dem ganzen Kontinent verarmen. Nils Muiznieks schrieb: "Immer mehr Kinder brechen die Schule ab, um Arbeit zu suchen und ihre Familien zu unterstützen. Damit riskieren sie lebenslange Rückschläge in ihrer Bildung und schaffen die Bedingungen für unsichere Arbeitsverhältnisse. Kinderarbeit und Ausbeutung sind wieder auf dem Vormarsch.“

Egal ob in Athen, Madrid oder Detroit: Die Arbeiterklasse erleidet einen enormen historischen Rückschritt, ein Ende ist nicht in Sicht. Gleichzeitig bereichert sich eine winzige Finanzelite, die alle Hebel der politischen Macht kontrolliert, auf nahezu unvorstellbare Weise.

Die Tatsache, dass die reichsten 85 Individuen der Welt über mehr Reichtum verfügen als die ärmsten 3,5 Milliarden des Planeten, zeigt die Irrationalität, den historischen Bankrott und das Scheitern des kapitalistischen Systems. Sie zeigt auch, dass es für die Gesellschaft überlebenswichtig ist, dem Kapitalismus ein Ende zu setzen. Er muss durch ein System ersetzt werden, das auf dem gemeinsamen Eigentum an den Produktionsmitteln, echter Demokratie und sozialer Gleichheit basiert. Das ist der Sozialismus.

In anderthalb Wochen veranstaltet die Socialist Equality Party eine Workers Inquiry (Arbeiteruntersuchung) über die Insolvenz von Detroit und den Angriff auf das DIA und die Renten. Das Ereignis findet am 15. Februar an der Wayne State University statt.

Diese Untersuchung stützt sich auf die Ansicht, dass die Entwicklung einer mächtigen Gegenoffensive der Arbeiterklasse ein breiteres Verständnis der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kräfte erfordert, die hinter der Insolvenz von Detroit stecken. Die Arbeiter müssen verstehen, dass die Plünderung der Stadt Teil eines internationalen Prozesses ist, auf den man nur mit einer bewussten politischen Bewegung gegen das kapitalistische System reagieren kann.

Es mangelt nicht an Empörung über die Plünderung der Gesellschaft durch Finanzriesen, aber die Arbeiterklasse ist überall mit einer Krise der Perspektive und der Führung konfrontiert. In Detroit, wie auch im Rest der Welt, treten die Gewerkschaften als Mitverschwörer bei der Durchsetzung von Austerität und der Verarmung der Arbeiterklasse auf. Diese rechten Organisationen basieren auf Nationalismus und der Verteidigung des Profitsystems und haben den Kampf für die Interessen der Arbeiter seit langem eingestellt.

Wie letzte Woche berichtet wurde, haben Gewerkschaften wie die United Auto Workers (UAW) und die American Federation of State, County and Municipal Employees (AFSCME) einem Vorschlag von Orr und der staatlichen Vermittler zugestimmt, dass die Krankenversorgung für öffentliche Beschäftigte gestrichen wird. Im Gegenzug erhalten die Gewerkschaften die Kontrolle über einen Gesundheitsfonds für Rentner (VEBA) in Höhe von einer halben Milliarde Dollar.

Die Gewerkschaftsvorstände sichern sich einen Anteil an der Beute aus der Insolvenz, indem sie die VEBA ausplündern und direkt an der Umsetzung von Kürzungen im Gesundheitswesen für einfache Gewerkschaftsmitglieder beteiligt sind.

Jeder Tag zeigt der Arbeiterklasse aufs Neue, warum frühere Generationen revolutionäre Massenkämpfe gegen das Profitsystem führen mussten. Der erbitterte Widerstand der Arbeiterklasse in Detroit, einer Stadt, deren Geschichte reich an militanten Kämpfen und sozialistischer Politik ist, kann und muss in einen bewussten politischen Kampf verwandelt werden.

Die Socialist Equality Party veranstaltet den Arbeiteruntersuchungsausschuss, um die offiziellen Lügen zu entlarven und Arbeiter und Jugendliche mit dem Wissen zu bewaffnen, das sie brauchen, um diesen Kampf aufzunehmen.

Loading