Perspektive

Telefonat über Ukraine enthüllt Washingtons kriminelle Methoden

Die amerikanischen Medien zeigen auffallend wenig Interesse an der Aufzeichnung eines Telefonates zwischen Victoria Nuland, der Staatssekretärin für Europa und Eurasien im US-Außenministerium, und dem amerikanischen Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt. Das Telefonat wurde auf Youtube veröffentlicht und sorgt seit letztem Donnerstag für internationale Kontroversen.

Die spärlichen Berichte konzentrierten sich anfangs hauptsächlich auf Nulands äußerst undiplomatische Formulierung "Scheiß auf die EU", mit der sie auf den Punkt brachte, was die Washingtoner Regierung von ihren europäischen Partnern hält. Die zweite Reaktion der Medien auf die Geschichte bestand darin, von der Kontroverse weit möglichst abzulenken. Darin imitierten sie das Außenministerium, das erklärt hatte, die Veröffentlichung eines privaten Telefongesprächs sei ein "neuer Tiefpunkt" der russischen Handwerkskunst.

Die russische Regierung hat den Vorwurf der USA, sie sei für die Enthüllung verantwortlich, entschieden abgestritten. Der Vorwurf ist so oder so ziemlich dreist, da er von einer Regierung kommt, der nachgewiesen wurde, dass sie die Telefonate von hunderten Millionen Menschen in den USA und auf der ganzen Welt abhört.

Die wahre politische Bedeutung des Telefonats zwischen Nuland und Pyatt wird weitgehend außen vor gelassen. Das ist kein Zufall, denn der Anruf enthüllt auf verheerende Weise den kriminellen und imperialistischen Charakter der Politik der USA in der Ukraine und widerlegt die falschen Behauptungen, der Obama-Regierung gehe es um "Demokratie".

Obama hatte in seiner Rede zur Lage der Nation erklärt: "In der Ukraine treten wir für das Prinzip ein, dass alle Menschen das Recht haben, sich frei und friedlich auszudrücken und die Zukunft ihres Landes mitgestalten zu können."

Die Aufzeichnung macht jedoch deutlich, dass Washington auf der ganzen Welt Gangstermethoden bis hin zu Gewalt anwendet. Es wird auf einen politischen Putsch hingearbeitet, der ein Regime an die Macht bringen soll, das sich völlig den geostrategischen Interessen Amerikas unterordnet. Diese Operation hat genauso wenig mit Demokratie zu tun wie vor rund vierzig Jahren der Putsch, den die USA in Chile organisierten, oder jener in Argentinien.

Im Einzelnen zielen die amerikanischen Bestrebungen darauf ab, die politische Macht einer Reihe von Oligarchen in die Hände zu spielen, die mit dem Westen verbündet sind, die sich durch private Aneignung – um nicht zu sagen: Diebstahl – am staatlichen Eigentum der Sowjetunion nach ihrer Auflösung durch die stalinistische Bürokratie 1991 bereichert hab en. Die Ukraine soll in einen Brückenkopf des US-Imperialismus vor den Toren Russlands verwandelt werden. Die amerikanische Regierung strebt die Hegemonie über die strategisch wichtige Landmasse Eurasiens an und will am Ende das russische Territorium selbst zerstückeln und auf den Status moderner Kolonien herabdrücken.

Das ist der Gegenstand des Telefonats zwischen Nuland und Pyatt, die darin gewisse Einzelheiten des Unternehmens besprechen. Unter anderem soll ukrainischer und antirussischer Nationalismus geschürt werden, um die rechtsradikalen Kräfte zu unterstützen, die als Rammbock gegen die Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch auftreten. Auslöser für die aktuelle Kampagne zum Regimewechsel war die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten für ein Abkommen mit Russland, anstatt die Integration in die Europäische Union anzustreben.

Nuland macht deutlich, dass Washington hinter den Kulissen die Fäden zieht und den Oppositionsführern (den "großen Drei") diktiert, wer von ihnen in die Regierung soll, um sie auf Washingtons Seite zu bringen, und welche Rolle die anderen spielen werden. Die Vizeaußenministerin bezeichnet Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei als Mann mit wirtschaftlicher- und Regierungserfahrung. Jazenjuk war Wirtschafts- und Außenminister in der verhängnisvollen Regierung, die infolge der von den USA inszenierten "Orangenen Revolution" 2004 an die Macht gekommen war.

Nuland schlägt weiter vor, dass die zwei anderen rechten Protestführer, der ehemalige Boxer Vitali Klitschko, Parteichef der Ukrainischen Demokratischen Allianz für Reformen (UDAR, russisch "Schlag"), und Oleg Tjangibok, Parteichef der neofaschistischen Swoboda, "draußen bleiben" und weiterhin rechte Mobs aufhetzen sollen. Sie fügt hinzu, Jazenjuk müsse "viermal die Woche mit ihnen reden".

Sie und der Botschafter nennen diese Personen nur "Jaz" und "Klitsch“, als würden sie über Hunde reden.

Bei ihrem letzten Besuch in Kiew, der zeitlich mit der Veröffentlichung des Telefonats zusammenfiel, traf sich Nuland mit den drei erwähnten Oppositionsführern und ließ sich öffentlich mit ihnen fotografieren: Das Bild zeigt "Jaz", "Klitsch" und den Mann, der die entscheidende Rolle bei den gewaltsamen Protesten auf dem Unabhängigkeitsplatz spielt: den Swoboda-Chef Tjangibok.

Tjangibok durfte letztes Jahr offenbar nicht in die USA einreisen. Grund waren erbitterte antisemitischen Reden, in denen er seine Anhänger lobte, weil sie der "Moskauer- und Juden- Mafia, die die Ukraine regiert", Angst eingeflößt hätten. Die ukrainischen Faschisten lobt sie, weil sie gegen Russen, Deutsche, "Jidden und anderen Abschaum" kämpften. Das ist jedoch für Nuland kein Hindernis.

Nuland, deren Großeltern jüdische Flüchtlinge waren, die vor den Pogromen des zaristischen Russlands flohen, bot bei ihrem letzten Besuch in der Ukraine ein besonders abstoßendes Spektakel: Sie verteilte auf dem Unabhängigkeitsplatz Plätzchen an Swoboda-Schläger, die die Massenmörder von Hitlers SS verherrlichten.

Nuland ist die personifizierte Kontinuität der US-Außenpolitik, von den Verbrechen der Bush-Regierung zu noch schlimmeren Verbrechen unter Obama. Sie hatte schon Dick Cheney als wichtigste außenpolitische Beraterin gedient, als dieser Vizepräsident war und für Angriffskriege, Entführungen und Folter im Ausland und dem Aufbau eines Polizeistaates im Innern verantwortlich war.

Ihr Ehemann ist der rechte Außenpolitik-Experte Robert Kagan, Gründungsmitglied und Vorsitzender des Proejct for a New American Century. Diese neokonservative Denkfabrik hat eine wichtige Rolle darin gespielt, die Kriege gegen den Irak und Afghanistan politisch und ideologisch vorzubereiten.

Heute propagiert Nuland eine ähnliche Politik an den Grenzen der Atommacht Russland. Welche Spannungen das auslöst, zeigt die Bemerkung "Scheiß auf die EU". Bei der Durchsetzung ihrer geostrategischen Interessen verliert die Washingtoner Regierung zunehmend die Geduld mit Deutschland und dessen Unwillen, in eine frontale Konfrontation mit Moskau zu gehen.

Dabei genießt die aggressive Politik des US-Imperialismus die Unterstützung diverser pseudolinker Elemente, die die Parolen über Demokratie und Menschenrechte für bare Münze nehmen. Darunter sind der postmodernistische Scharlatan Slavoj Zizek und die International Socialist Organization. Letztere schafft es, einen langen Bericht über die Ukraine zu veröffentlichen, ohne auf Washingtons Machenschaften einzugehen.

Washingtons aufwieglerische Politik birgt das Risiko eines Bürgerkriegs in der Ukraine und erhöht die Gefahr eines globalen Konfliktes. Die ukrainische Arbeiterklasse kann weder der Herrschaft Janukowitschs, noch der seiner rechten Gegner entgehen, den rivalisierenden Fraktionen der Oligarchen. Sie sind sich alle einig, dass der Lebensstandard und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung zerstört werden müssen. Der einzige Ausweg für die Arbeiter ist der Aufbau einer unabhängigen sozialistischen Massenbewegung, die den Imperialismus kompromisslos ablehnt und die für die Vereinigung ihrer Kämpfe mit denjenigen der Arbeiter in Russland, Europa und dem Rest der Welt kämpft.

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