Britische Labour Party beendet Blockmitgliedschaft der Gewerkschaften

Vergangenes Wochenende beschloss die britische Labour Party auf einem Sonderparteitag, ihre traditionell engen Beziehungen zu den Gewerkschaften zu lockern und die automatische Doppelmitgliedschaft abzuschaffen. Eine entsprechende Abstimmung konnte Labour-Chef Ed Miliband mit Leichtigkeit für sich entscheiden.

Schon im vergangenen Juli hatte Miliband vorgeschlagen, das bisherige System zu beenden, das die Mitglieder der vierzehn angeschlossenen Gewerkschaften automatisch auch zu Parteimitgliedern macht, und wonach Gewerkschaftsführer ein Blockvotum im Namen ihrer Mitglieder abgeben dürfen. Nach dem alten Abkommen zahlten rund 2,7 Millionen Menschen je drei Pfund an die Partei.

Auch künftig müssen Gewerkschaftsmitglieder einen jährlichen Sonderbeitrag von ca. acht Pfund in einen “politischen Fond” einzahlen. Allerdings werden dann nicht mehr von jedem drei Pfund automatisch an Labour überwiesen, sondern nur noch von jenen Gewerkschaftsmitgliedern, die der Partei auch persönlich und freiwillig beitreten.

Aufgegeben wurde auch das bisherige Wahlmännergremium für Labour-Führungswahlen, in dem je ein Drittel der Stimmen den Gewerkschaften, den Parteimitgliedern und den Parlaments- und Europaabgeordneten vorbehalten war. Stattdessen entschieden sich die Abgeordneten für das Prinzip “Ein Mitglied – eine Stimme”.

Während die neuen Abstimmungsregeln schon dieses Jahr eingeführt werden, soll für die Auswirkungen auf die Parteifinanzen eine Übergangszeit von fünf Jahren gelten. Bis dahin erhält Labour von den Gewerkschaften immer noch jährlich mehr als acht Millionen Pfund.

Die Einführung des Prinzips „Ein Mitglied – eine Stimme“ bezeichnete Miliband als “die größte Veränderung unserer Partei seit 1918”. In jenem Jahr hatte die Labour Party ihren Paragraphen IV angenommen, in dem sie sich zum “Gemeineigentum an den Produktionsmitteln” bekannte, und erstmals eine Einzelmitgliedschaft zugelassen.

Doch alle Behauptungen, die Abstimmung sei “historisch”, klingen hohl und leer. Angesichts des Charakters der modernen Labour Party war die Änderung längst ausgemachte Sache.

Die wichtigsten Änderungen waren in Form eines Berichts von Lord Collins schon zuvor vom nationalen Exekutivkomitee der Labour Party (NEC) genehmigt und der Konferenz empfohlen worden. So erreichte die Abstimmung nach einer “Debatte” von kaum zwei Stunden denn auch eine Mehrheit von über 86 Prozent. Die großen Gewerkschaften waren dafür, und Miliband gewann 96 Prozent der Gewerkschaftsstimmen. Auch von Seiten der Labour-Wahlkreisgruppen gab es kaum Widerstand, und Miliband gewann 76 Prozent ihrer Stimmen.

Der Paragraph IV war schon vor fast zwanzig Jahren vom damaligen Parteiführer Tony Blair abgeschafft worden. Blairs New Labour hatte sich damals mit großer Unterstützung der Parteimitgliedschaft des alten reformistischen Programms entledigt. Seitdem ist Labour unwiderruflich zur rechten Partei des Großkapitals geworden. Sie unterscheidet sich nicht mehr von den Konservativen, und ihre Mitglieder sind vom Sozialismus so weit entfernt wie der Mann im Mond.

Blair unterstützte auch die jetztigen Änderungen und sagte: “Es ist eine längst überfällige Reform, (...) ich hätte sie selbst schon machen sollen.“ Blair, heute Multimillionär, gab zu verstehen, er werde Labour eine nicht unerhebliche Spende zukommen lassen.

Lord David Owen spendete Labour 7.500 Pfund, obwohl er parteiloses Mitglied des britischen Oberhauses (House of Lords) ist. Owen war 1981 mit drei anderen prominenten Labour-Mitgliedern aus der Partei ausgetreten, um in einer rechten Spaltung die Sozialdemokratische Partei zu gründen.

Miliband hat die Änderungen nicht etwa deshalb durchführt, weil die Partei sich unter der Fuchtel der Gewerkschaften befunden hätte. Vielmehr will er damit der herrschenden Elite zu verstehen geben, dass Labour, wenn die Partei an die Regierung kommen sollte, zu allem bereit sei. Die Gewerkschaftsführer stimmten bereitwillig zu, weil ihre Organisationen längst zu Werkzeugen der großen Unternehmen und Behörden geworden sind, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken.

Auf der Konferenz versprachen mehrere Gewerkschaftssekretäre der Labour Party ihre ungebrochene Loyalität, so auch die Chefs der zwei größten Gewerkschaften, Len McCluskey von Unite und Dave Prentis von UNISON. Im Gespräch mit dem Radiosender BBC sagte Prentis (während Blairs ehemaliger Vizechef John Prescott den Arm um ihn legte): “Sie bekommen nach wie vor unser Geld. Sie erhalten unsere Mitgliedsbeiträge.” Er fügte hinzu: “Die Gewerkschaften werden in den nächsten fünf Jahren und in den nächsten fünfzig Jahren im Zentrum der Partei stehen.”

Die Organisation Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC) protestierte vor der Konferenzhalle gegen die Änderungen, und ein klägliches Grüppchen hielt Plakate mit der Aufschrift hoch: “Lasst nicht zu, dass Labour die Gewerkschaften zum Schweigen bringt.”

Dieser Protest war von vorneherein eine Farce, denn die TUSC, eine Kreation der pseudolinken Sozialistischen Partei (SP), hatte schon vor Jahren eingeräumt, dass Labour nicht mehr länger eine reformistische “Arbeiterpartei” sei, und deshalb zum Aufbau einer neuen Partei aufgerufen. Darüber hinaus ist ihr prominentester Führer, Bob Crow, Chef der Gewerkschaft der Bahn-, See- und Transport-Arbeiter (RMT), die von der Labour Party im Jahr 2004 ausgeschlossen worden war, weil sie einen Teil ihrer Gelder zur Unterstützung der Scottish Socialist Party benutzt hatte.

In Wirklichkeit kritisiert die RMT nur sehr ungern die rechten Exzesse der Labour Party und arbeitet bei Wahlen immer noch mit Labour zusammen. Genau wie die SP, die ein prinzipienloses Wahlbündnis mit der RMT unterhält, verfolgt sie ein größeres Ziel, nämlich ihren eigenen Anteil an den Parteibeiträgen. Deshalb muss sie die Bürokratie von ihrer Verlässlichkeit überzeugen.

Mit diesem Ziel vor Augen nutzen sie die Gelegenheit von Milibands Vorschlägen, um der Gewerkschaftsbürokratie klar zu machen, dass ihre eigenen Manöver sich ausschließlich im Rahmen einer rhetorischen Kritik an Labour bewegen. Wenn es gilt, die Arbeiterklasse daran zu hindern, sich aus dem Würgegriff der Bürokratie zu befreien, sind sie immer dabei.

Vor der Konferenz appellierte die SP in einem offenen Brief an den Vorstand der Gewerkschaft Unite, Milibands Vorschläge abzulehnen. Sie forderte die Gewerkschaft auf, sich von der Labour Party zu trennen und die TUSC zu unterstützen.

Der größte Teil dieses Briefes bestand aus einem freundlichen Appell an Len McCluskey, den Unite-Generalsekretär. Dieser Bürokrat hatte sich besonders mit der Behauptung hervorgetan, wenn die Labour Party individuelle Mitgliedschaften einführe, könne sie für die Arbeiterklasse zurückgewonnen werden. Er hatte gesagt: “Wir wollen auf die Straße gehen und unsere Mitglieder aktiv davon überzeugen, in die Labour Party einzutreten, wobei wir uns der verschiedensten Medien bedienen wollen.“ Dies müsse jetzt im “Zentrum der politischer Strategie von Unite” stehen.

Dagegen fordert die SP “Len” auf, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Aufgabe jetzt darin bestehe, ein neues politisches Vehikel aufzubauen, in dem “die Gewerkschaften eine entscheidende Rolle spielen”. Die SP zitierte den Daily Mirror-Journalisten Kevin Maguire mit den Worten, unter den neuen Finanzierungsvereinbarungen könnten einige Gewerkschaften bis zu vier Millionen Pfund zur Verfügung stellen und möglicherweise “eine rivalisierende Partei finanzieren”.

Voller Begeisterung schrieb die SP: "Wir hätten es nicht besser sagen können!", und fügte hinzu: "Können Sie sich die Wirkung vorstellen, die TUSC mit nur einem Bruchteil dieser vier Millionen haben könnte?"

Um von Vorneherein Klarheit zu schaffen, beruhigte die SP die Bürokratie sofort über den eigentlichen Zweck dieser neuen politischen Formation. Während sie “als eigenständige marxistischen Strömung” angeblich “für ein sozialistisches Programm“ gegen die kapitalistische Krise auftreten wollte, hätte sie, wie es dort heißt, sehr wohl eine andere Funktion: “Zumindest kurzfristig“ könnte sie „eine linke Kontrollfunktion für Labour ausüben”.

In Wirklichkeit besteht die wahre „Kontrollfunktion“, die jede Partei von Gewerkschaftsbürokraten im Schlepptau von Gruppen wie der Sozialistischen Partei ausüben würde, in der Kontrolle über die Arbeiterklasse, speziell darauf gerichtet, die Schaffung einer echten sozialistischen Alternative zur Labour Party zu verhindern.

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