Die Heuchelei der Vereinigten Staaten über das Unabhängigkeitsreferendum auf der Krim

Kaum etwas vermag größeren Ekel zu erregen als die Pose empörter Verteidiger des „Völkerrechts“, welche die Obama-Regierung und ihre europäischen Verbündeten angesichts der Entwicklung auf der Krim an den Tag legen.

In seiner Rede an die Russische Föderationsversammlung (das aus der Staatsduma und dem Föderationsrat bestehende Parlament) erklärte Präsident Wladimir Putin, dass die Volksabstimmung auf der Krim in Übereinstimmung mit „der Charta der Vereinten Nationen steht, die den Nationen das Recht der Selbstbestimmung zuspricht.“

Er fuhr fort: “Übrigens hat die Ukraine selbst, als sie aus der UdSSR austrat, daran möchte ich erinnern, ganz dasselbe getan, geradezu buchstäblich dasselbe. (…) Außerdem stützten sich die Regierenden der Krim auf den bekannten Präzedenzfall Kosovo. Diesen Präzedenzfall schufen unsere westlichen Partner selbst, mit ihren eigenen Händen, wie man so sagt, in einer Situation, die derjenigen auf der Krim absolut analog war, als sie die Abspaltung des Kosovo von Serbien für legitim anerkannten. Damit haben sie bewiesen, dass für eine unilaterale Unabhängigkeitserklärung keine Genehmigung der zentralen Regierungsgewalt vonnöten ist.

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen erklärte sich auf Grundlage von Artikel 2, Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen damit einverstanden und kommentierte seine Entscheidung vom 22. Juli 2010 folgendermaßen: ΄Aus der Praxis des Sicherheitsrates kann kein generelles Verbot gefolgert werden, das sich auf Unabhängigkeitserklärungen bezieht,΄ und weiter: ΄Das Völkerrecht insgesamt enthält kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen΄.“ [Redezitate übersetzt aus dem Russischen. Komplette Rede: http://argumenti.ru/politics/2014/03/326548]

Putin, dem es lediglich darum geht, ein Übereinkommen mit den Vereinigten Staaten und den europäischen Mächten zustande zu bringen, das die Interessen der russischen Bourgeoisie schützt, kann nicht mehr tun, als seinen Kritikern eine polemische Pointe entgegen zu schleudern. Dessen ungeachtet stellt die von ihm angeführte Erfahrung – ein blutiges Kapitel im Auseinanderbrechen der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien – eine Lehre für all jene dar, die das Bedürfnis verspüren, die Lügen und die Heuchelei der Politiker und Medien zu durchbrechen, die flankiert werden von wirtschaftlicher, politischer und militärischer Aggression.

Im Jahr 1991 hielten Kroatien und Slowenien illegale Volksabstimmungen über ihren Austritt aus Jugoslawien ab. Auch diese Referenden wurden nicht im ganzen Land durchgeführt, wie es von den Vereinigten Staaten für die Ukraine gefordert wird, damit das Krimreferendum eine rechtliche Grundlage habe. Nichtsdestoweniger erkannte die Europäische Union im Januar 1992 beide Länder als unabhängige Staaten an. Die Vereinigten Staaten folgten im April 1992 diesem Beispiel.

Im Jahr 1990 hielt das Kosovo ein Unabhängigkeitsreferendum ab, das die in der dortigen Region lebenden Serben boykottierten. Niemand außer Albanien, dessen Landsleute einen großen Anteil der Kosovobevölkerung ausmachen, erkannte die Volksabstimmung an.

Im Februar 1992 brach Bosnien-Herzegowina die eigene und die Verfassung der Bundesrepublik Jugoslawien, indem es ein Unabhängigkeitsreferendum abhielt. Davon ungerührt erkannten die Vereinigten Staaten Bosnien im April an. Es folgte ein Bürgerkrieg zwischen bosnischen Muslimen, Kroaten und Serben, der bis 1995 andauerte.

Der Kosovokrieg brach am 28. Februar 1999 aus und dauerte bis zum 11. Juli 1999. Bei den Rambouillet-Gesprächen (nach dem Tagungsort Schloss Rambouillet bei Paris benannt), die dem von den USA und der Nato geführten Luftkrieg vorausgegangen waren, verlangte die Nato, dass im Kosovo ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten werde. Der Bodenkrieg wurde zwischen ethnischen Serbeneinheiten der Bundesrepublik Jugoslawien und der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK - Ushtria Çlirimtare e Kosovës) ausgefochten, einer albanisch-ethnischen Terroristengruppe, die von Washington gesponsert wurde. Tausende Menschen wurden bei den Bombardements der Vereinigten Staaten und der Nato getötet. Letztendliches Ziel war die Absetzung der jugoslawischen Bundesregierung von Slobodan Milošević.

Im Jahr 2008 erklärte das Kosovo, das unter UN-Verwaltung stand, einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Dies geschah unter Missachtung der Zentralregierung in Belgrad. Rasch erkannten die wichtigsten europäischen Mächte und die Vereinigten Staaten die jahrhundertealte serbische Provinz als unabhängigen Staat an.

In der aktuellen Situation muss angemerkt werden, dass alle Beschwörungen der ukrainischen Souveränität von einer Regierung ausgehen, die durch einen Putsch eingesetzt wurde, der von den Westmächten dirigiert und finanziert worden ist. In dieser Hinsicht ist ein Bericht von Bedeutung, den das ukrainische Regime auf der Webseite des EuroMaidan veröffentlichte.

Der Bericht behauptet, dass die Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch rechtmäßig gewesen sei. Zugleich machen eingestreute Eingeständnisse absolut klar, dass das Gegenteil der Fall ist. Er beginnt mit den Worten: „Obwohl es keine Verfassungsgrundlage für die Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten gab, wurde die neue Regierung in Übereinstimmung mit dem ukrainischen Recht eingesetzt (…)“

Später gesteht der Bericht ein: “Artikel 108 der Verfassung (…) sieht vier Fälle für die vorgezogene Außerkraftsetzung der präsidialen Autorität vor: Rücktritt, Amtsenthebungsverfahren, Tod und die Unmöglichkeit der Amtswahrnehmung infolge von Krankheitsgründen.“ Sodann wird festgestellt: „Nichts davon ist der Fall.“

Warum war dann Janukowitschs Absetzung rechtmäßig? Weil er aus der Ukraine geflohen ist (aus Furcht, von den Faschisten getötet zu werden, die die Unterstützung des Westens genießen und die Führung der Oppositionsproteste stellen).

Weiter wird ausgeführt: “Am 21. Februar 2014 wurde eine Vereinbarung zur Behebung der Krise zwischen dem amtierenden Präsidenten Janukowitsch und den ‘drei Tenören’ des Maidan, Arseni Jazenjuk, Vitali Klitschko und Oleg Tjagnibok, unterzeichnet. Diese Vereinbarung besagte, dass innerhalb von 48 Stunden ein besonderes Gesetz eingeführt, unterzeichnet und angewendet werden sollte, welches eine Rückkehr zur ukrainischen Verfassung von 2004 gestattete…“

Indessen “verschwand Janukowitsch kurz darauf” und „unterzeichnete den Beschluss des Parlaments nicht“. Eine Resolution „betreffs der ‘Selbst-Absetzung’ des Präsidenten wurde verabschiedet“, welche erklärte, dass „der Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, sich in verfassungsfeindlicher Weise der Ausübung der verfassungsrechtlichen Gewalt entzog und infolgedessen keinen Pflichten nachgeht.“

Deshalb ist die Absetzung „trotz der unbestreitbaren Defizite der Resolution über Janukowitschs Machtentzug“ für legal erklärt worden sowie als Ausdruck „der verfassungsgemäßen Souveränität der ukrainischen Nation“ zu verstehen.

Dies ist die Sprache des Orwell’schen Wahrheitsministeriums.

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