Opel Bochum: IG Metall organisiert Alibi-Protest

Von der IG Metall organisierte Proteste nehmen immer absurdere Züge an, denn aufgrund der engen Zusammenarbeit und Verschmelzung der Gewerkschaft mit den Unternehmensvorständen richten sich ihre Proteste immer auch gegen sie selbst.

So protestierten jüngst Beschäftigte, die um ihre Arbeitsplätze und Löhne fürchten, vor der Zentrale des ThyssenKrupp-Konzerns in Essen. Auf einem offiziellen Transparent forderte die IG Metall den Konzernvorstand auf, „seine Bluthunde zurückzupfeifen“. Doch der größte „Bluthund“ ist niemand anders als der ehemalige IGM-Bezirksleiter von Nordrhein-Westfalen, Oliver Burkhard. Er wechselte Ende 2012 von der NRW-IGM-Zentrale in den ThyssenKrupp-Vorstand, arbeitet den Sozial- und Arbeitsplatzabbau im ThyssenKrupp-Konzern aus, setzt ihn durch und bezieht dafür ein Gehalt von 2 Millionen Euro im Jahr.

Am Montag rief nun sein Nachfolger im Amt des IGM-Bezirkssekretärs, Knut Giesler, die Bochumer Opel-Belegschaft zu einer Protestkundgebung um „fünf vor zwölf“ am Eingang des Renaissance Hotels in Bochum auf. Dort fanden Verhandlungen zwischen Opel-Vorstand, IG Metall und dem Bochumer Betriebsrat unter Führung seines Vorsitzenden Rainer Einenkel über die Bedingungen der Schließung statt.

Der Zweck der Kundgebung bestand darin, die enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung, IGM und Betriebsrat zu vertuschen und den Eindruck zu erwecken, die Gewerkschaft wolle Druck auf die Verhandlungen ausüben, während in Wirklichkeit längst Übereinstimmung über alle wichtigen Entscheidungen besteht.

Viele Arbeiter kennen diese zynischen Spielchen. Auch am Montag folgten weit weniger als die gemeldeten 1.000 Teilnehmer dem Ruf der IG Metall. Von der betroffenen Opel-Belegschaft war kaum jemand da. Aber einige ehemalige Opel-Beschäftigte und Delegationen anderer Betriebe der Region – vom Bergwerk Auguste Victoria, von Johnson Controls und von ThyssenKrupp – waren gekommen.

Die Hinhaltetaktik und Desinformation ist zwischen Unternehmensvorstand und Gewerkschaft abgesprochen und vereinbart. Sie ist Teil einer „Zermürbungsstrategie“.

Bereits am 17. November des letzten Jahres hatte die IG Metall den Abschluss eines Sozialtarifvertrags gemeldet. Mit dieser Vereinbarung wurde die Schließung des Bochumer Werks besiegelt. Wenig später hieß es dann, es seien „nur“ Eckpunkte zwischen IGM und Opel vereinbart worden, die jetzt noch im Detail ausgehandelt würden.

Erst Mitte dieses Monats veröffentlichte die IG Metall dann die im November 2013 vereinbarten Eckpunkte in einem Flugblatt. Sie sind sehr vage gehalten und mit Sicherheit nicht das, was derzeit verhandelt wird. Eines deutet sich aber schon an: Die Abfindungen werden bedeutend niedriger als bei vorherigen Entlassungsrunden sein. Auch andere Fragen treiben die Belegschaft um, z. B. die nach den Bedingungen für die 265 Ersatzarbeitsplätze im Warenverteillager.

Doch Gewerkschaft und Einenkel blieben auch am Montag bei ihrer Stillschweigepolitik. Stattdessen gab es die üblichen Appelle an Opel, „Antworten zu geben“, „Klarheit zu schaffen“, sich der „Verantwortung zu stellen“. Einenkel machte zudem einmal mehr die Belegschaften der anderen Opel-Standorte für die Schließung in Bochum verantwortlich. Auch Giesler erklärte: „Wir erwarten, dass Opel für die Menschen und die Region endlich Klarheit schafft und akzeptable Antworten liefert.“

Das nennt man Unverfrorenheit. Monatelang hat Giesler den Opel-Beschäftigten Informationen über die Eckpunkte und die angeblich noch auszuhandelnden Details verweigert, obwohl er sie bereits längst kannte.

Nach kurzen Reden von Giesler, Einenkel, einem Opel-Jugendvertreter und Opel-Personalvorstand Ulrich Schumacher, der die Belegschaft auf Ersatzarbeitsplätze vertröstete, beendete die Bochumer IGM-Bevollmächtigte Eva Kerkemeier nach nicht einmal einer halben Stunde die Kundgebung. Giesler, Einenkel und Schumacher gingen zurück ins Hotel zu ihren Verhandlungen.

Viele Arbeiter waren wütend. „Was sollte das Ganze jetzt?“, fragte einer von ihnen sichtlich erbost. Noch während Kerkemeier die Kundgebung beendete, warf ein jüngerer Arbeiter seine IG Metall-Mütze fluchend auf den Boden. Er war nicht der einzige.

Die Arbeiter, mit denen Mitglieder der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) unmittelbar nach der Veranstaltung sprachen, waren empört. „Die Kundgebung war ein Witz. Nach einer halben Stunde schicken sie uns wieder nach Hause. Nicht mal Klarheit gibt es.“

Das Misstrauen gegenüber der IG Metall war allgegenwärtig. Viele Arbeiter waren überzeugt, dass es schon mehr als die Eckpunkte gibt und die Gewerkschaft „den Tarifvertrag zurückhält“. Ein anderer Opelarbeiter sagte, es sei unfassbar, dass die IG Metall nicht mit Infos rausrücke: „Dass das nur Eckpunkte sind, glaubt doch kein Mensch.“ Ein anderer kündigte wütend an, dass die IG Metall nächste Woche seine Austrittserklärung auf dem Tisch habe, „nach 40 Jahren Mitgliedschaft“. Er habe schon alles vorbereitet. Viele erklärten, sie seien schon längst ausgetreten.

Für Einenkels Auftritt hatten die Arbeiter nur Hohn übrig: „Ach, der Einenkel. Der schiebt es jetzt wieder anderen zu und ist fein raus.“ Sie stimmten seinem Argument nicht zu, dass es von den anderen Standorten keine Solidarität gegeben habe. Das stimme „natürlich nicht“. „Die haben da ja auch mit ‚ihren‘ Betriebsräten zu kämpfen.“

Das anhaltende Versteckspiel der IG Metall über die wirklichen Inhalte der derzeitigen Verhandlungen steht in Zusammenhang zu den anstehenden Betriebsratswahlen. Da das Warenverteilzentrum noch weitergeführt wird, werden die 25 zu wählenden Betriebsräte mindestens bis 2016 im Amt bleiben, wenn die Produktion also schon längst stillgelegt sein wird. Es findet gegenwärtig ein regelrechter Wettlauf um die Betriebsratsposten statt. Insgesamt stellen sich 727 Kandidaten auf sechs Listen zur Wahl, allein 323 auf Einenkels Liste 1.

Die MLPD, die im Betrieb mit der Gruppe „Offensiv“ unter der Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann vertreten ist, nimmt an diesem Postenschacher teil. Zur IG Metall Kundgebung rief sie mit den Worten auf: „Wir begrüßen diese Aktion, beteiligen uns und mobilisieren.“ Um der IG Metall den Rücken frei zu halten, organisiert die MLPD sogenannte „selbständige Aktionen“. Am Montag besetzten ihre Anhänger kurzzeitig eine Straßenkreuzung und fuhren anschließend im Autokorso zurück zum Werk. Dieser Spektakel dient nur dazu, von den üblen Machenschaften der IG Metall abzulenken.

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