Russland warnt Nato vor weiterer Aufrüstung in Osteuropa

Am Donnerstag legten Vertreter Russlands formell Beschwerde gegen die militärische Aufrüstung der Nato in Osteuropa ein. Sie warnten vor der Verletzung von Verträgen, die die Beziehungen zwischen der Nato und Russland seit der Auflösung der UdSSR durch die stalinistische Bürokratie 1991 regeln.

Diese Woche hat die Nato die militärische Zusammenarbeit mit Russland abgebrochen und in mehreren osteuropäischen Ländern Militärübungen durchgeführt, unter anderem in den baltischen Staaten und in Bulgarien. Diese Übungen sind Teil einer umfassenderen militärischen Aufrüstung nach dem faschistischen Putsch in der Ukraine im Februar, der ein prowestliches Regime an die Macht gebracht hat. Die Nato hat in Polen, der Ukraine und den baltischen Staaten Truppen eingesetzt oder Militärübungen geplant.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow forderte am Donnerstag von der Nato Erklärungen für diese Aufrüstung. "Wir haben dem nordatlantischen Militärbündnis Fragen gestellt. Wir erwarten nicht irgendeine Antwort, sondern eine, die sich in vollem Umfang an die Regeln hält, die wir vereinbart haben," sagte er in Moskau.

Lawrow warf der Nato vor, gegen das Abkommen von 1997 mit Russland zu verstoßen. Es besagt, dass das Militärbündnis keine neue "dauerhafte Stationierung größerer Kampfverbände durchführt." Er warf der Nato auch vor, gegen die Konvention von Montreux verstoßen zu haben, die vorsieht, dass Kriegsschiffe aus Staaten ohne Zugang zum Schwarzen Meer nicht länger als einundzwanzig Tage in der Region bleiben dürfen. Lawrow erklärte, dass amerikanische Kriegsschiffe vor kurzem ihre Präsenz im Schwarzen Meer mehrfach verlängert und sich dabei nicht immer an die Regeln der Konvention von Montreux gehalten hätten.

Zwei Tage nachdem die Nato die Zusammenarbeit mit Russland ausgesetzt hatte, rief Russland seinen Nato-Botschafter angeblich zu Besprechungen zurück. Der stellvertretende russische Verteidigungsminister Anatoli Antonow erklärte: "Spannungen zu schüren war, nicht unsere Entscheidung. Dennoch sehen wir keine Möglichkeit, die militärische Zusammenarbeit mit der Nato in routinemäßigem Rahmen fortzusetzen."

Vertreter der Nato deuteten an, sie würden die Eskalation trotz der russischen Proteste fortsetzen. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezeichnete Lawrows Rede als "ein weiteres Stück russischer Propaganda und Desinformation". 

Er deutete an, dass die Nato seiner Ansicht nach nicht mehr an den Vertrag von 1997 gebunden sei. Er erklärte unter Berufung auf den Krieg mit Georgien 2008 und die aktuelle Krise in der Ukraine: "Russland verstößt gegen alle Prinzipien und internationalen Verpflichtungen, die es eingegangen ist, zu allererst gegen die Verpflichtung, nicht in anderen Ländern einzufallen."

Die Argumente, mit denen Rasmussen die rücksichtslose Eskalation der Nato in Osteuropa rechtfertigen und Russland als Aggressor darstellen will, sind nichts als Lügen. Sogar Vertreter der USA haben später zugegeben, dass das von den USA unterstützte georgische Regime den Krieg 2008 begonnen hatte. Es hatte russische Friedenstruppen angegriffen, die in Abchasien und Südossetien stationiert waren.

Versuche, die Nato als Verteidiger der Weltordnung und des Völkerrechts darzustellen, sind leicht durchschaubare Täuschungen. Selbst wenn man beiseite lässt, dass die Nato-Mächte weltweit Folter und Drohnenmorde organisieren, haben sie wie mit der Bombardierung Serbiens 1999 oder der US-geführten Invasion im Irak immer wieder völkerrechtswidrige Angriffskriege geführt.

Die aktuelle Krise in der Ukraine brach aus, nachdem die Nato-Mächte in Kiew offen einen Putsch unter Führung von faschistischen Gruppen wie dem Rechten Sektor und der Partei Swoboda unterstützten. Ihr Ziel war es eine pro-russische Regierung zu stürzen und direkt an der russischen Grenze ein Regime an die Macht zu bringen, das militärisch auf der Seite der Nato steht.

Obwohl der Kreml die Nato davor warnt, den höchst zerbrechlichen Frieden in Europa zu zerstören, setzt sie ihre militärische Eskalation fort und riskiert damit einen Krieg zwischen der Nato und der Atommacht Russland. Die wachsende Kriegsgefahr verdeutlicht die Gegensätze, die dem europäischen und dem Weltkapitalismus innewohnen. Sie kann nur durch die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse abgewendet werden.

Die korrupte kapitalistische Oligarchie Russlands, für die der Kreml spricht, kann nicht an die breite Antikriegsstimmung in der internationalen Arbeiterklasse appellieren. Sie versucht verzweifelt, Fraktionen des politischen Establishments der imperialistischen Mächte zu einer Übereinkunft zu bewegen. Und das, obwohl die Nato dabei ist, die begrenzte Zusammenarbeit zu beenden, die seit den 1990ern aufgebaut wurde.

So beklagte sich der Sprecher des russischen Außenministeriums Aleksandr Lukaschewitsch in einer Stellungnahme am Mittwoch, die Nato kehre wieder zur Zeit des Kalten Krieges zurück. Er warnte, dass dies die Zusammenarbeit zwischen Russland und der Nato "im Kampf gegen Terrorismus, Piraterie, Naturkatastrophen und vom Menschen verursachte Tragödien" beeinträchtigen werde.

Lukaschewitschs Positionen zeigen den Bankrott des Kremls. Seine reaktionäre Zusammenarbeit mit der Nato hat Russland zum Komplizen bei Verbrechen wie dem blutigen Nato-Krieg in Afghanistan gemacht. Der Nachschub für die Nato wird zum Teil über Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien abgewickelt.

Die westlichen imperialistischen Mächte stellen nun ihre Zusammenarbeit mit dem Kreml in Bereichen wie der Pirateriebekämpfung ein, ihnen geht es jedoch um einen viel bedeutenderen Preis: die geostrategische und finanzielle Kontrolle über Osteuropa und letzten Endes Russland selbst.

Einen Tag nach der Entscheidung der Nato, die Zusammenarbeit mit Russland zu beenden, titelte die Süddeutsche Zeitung, die Nato betrachte Russland nun als Gegner.

Der polnische Premierminister Donald Tusk forderte am Donnerstag in einem Interview in der Zeit unter der Überschrift „Eine Invasion ist möglich“ den Aufbau eines Raketenabwehrschildes und die Entsendung von Nato-Truppen nach Polen. Er sagte: „Unsere Rechnung ist einfach: Besser als jede Garantie auf dem Papier ist die physische Präsenz der Nato in Polen. Das liegt auch im Interesse der EU. Denn hier im Osten haben wir eine echte Außengrenze der Union.“

Die katastrophalen Folgen der Wiedereinführung des Kapitalismus in Osteuropa durch die stalinistische Bürokratie, die auf der leichtfertigen Annahme basierte, der Imperialismus sei nur eine vom Marxismus erfundene Fiktion, werden mit aller Deutlichkeit sichtbar. Angesichts der geostrategischen und sozioökonomischen Krise des Weltkapitalismus drängen die imperialistischen Mächte in der Nato auf eine Eskalation. Rücksichtslos versuchen sie, die Kontrolle über Osteuropa zu erlangen und die massive Erhöhung der Militärausgaben zu rechtfertigen.

Die imperialistischen Mächte behaupten, dass Russland kurz davor steht, in der Ukraine einzumarschieren. Dies dient ihnen als Vorwand, um ihre Truppen in Osteuropa zu verstärken und Kriegspläne gegen Russland auszuarbeiten. So erklärte der Oberbefehlshaber der Nato-Truppen, US Airforce-General Philip Breedlove, in einem Interview mit Reuters und dem Wall Street Journal, an der ukrainischen Grenze seien 40.000 russische Soldaten zusammengezogen. Er äußerte düstere Warnungen vor einem bevorstehenden russischen Einmarsch: "Wir denken, sie sind bereit zum Losschlagen, und wir denken, sie könnten ihre Ziele in drei oder fünf Tagen erreichen, wenn sie den Befehl dazu erhalten."

Vertreter des Westens und der Medien haben zwar keinen Beweis für Russlands angebliches massives Aufgebot an der ukrainischen Grenze vorgelegt, aber dennoch warnen sie hysterisch vor einer bevorstehenden russischen Invasion.

Breedlove nannte die Situation "unglaublich besorgniserregend" und warnte, das russische Militär verfüge über "alles, was es braucht, um erfolgreich in die Ukraine einzudringen, sollte die Entscheidung dazu fallen." Er deutete an, Russland könnte versuchen, den gesamten Süden und Osten der Ukraine zu überrennen, um möglicherweise eine Überlandverbindung mit Transnistrien zu bekommen, einer russischsprachigen Region im Westen der Ukraine, die sich von Moldawien abspalten will.

In umständlichen Worten erläuterte Breedlove die Pläne der Nato, Russland einzukreisen, die osteuropäischen Staaten bis an die Zähne zu bewaffnen und die Militärausgaben der Nato-Länder massiv zu erhöhen: "Wir werden an Luft-, Land- und See-'garantien' arbeiten, und wir werden versuchen, diese 'Garantien' auf der ganzen Front in Stellung zu bringen: im Norden, in der Mitte und im Süden... Die schwierigere Diskussion werden wir jetzt mit unseren Verbündeten darüber führen müssen, was der Anteil der 'Landkomponente' ist, die uns zu diesem neuen Paradigma bringt."

Die Umsetzung dieser Pläne würde die Militarisierung Europas und tiefgehende Angriffe auf die Arbeiterklasse in den imperialistischen Ländern bedeuten, um die massive militärische Eskalation zu finanzieren, die die Nato vorbereitet.

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