Ukraine-Krise: Russland sucht erneut Einigung mit USA

Angesichts eskalierender militärischer und wirtschaftlicher Drohungen sieht sich Russlands Präsident Wladimir Putin gezwungen, die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine anzuerkennen. Das nicht gewählte Regime in Kiew hat sie für den 25. Mai angesetzt.

Während das Kiewer Regime im Südosten des Landes brutal gegen prorussische Aktivisten und bewaffnete Demonstranten vorgeht, erklärte Putin am Mittwoch, die Präsidentschaftswahl in der Ukraine sei ein "Schritt in die richtige Richtung".

Er drängte die Aktivisten in der Südostukraine auch dazu, die Referenden über die Unabhängigkeit ihrer Regionen abzusagen, die für dieses Wochenende geplant sind. Damit sollen "Bedingungen, wie sie für einen Dialog notwendig sind, geschaffen werden".

Ob diese Forderung erhört wird, ist eine andere Frage. Nach Gesprächen mit dem Schweizer Bundespräsidenten und derzeitigen Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Didier Burkhalter, erklärte Putin, er habe russische Truppen von der ukrainisch-russischen Grenze abgezogen, weil es "ständig zu Beschwerden" gekommen sei. Er erklärte, sie seien jetzt auf Übungsplätzen bei normalen Übungen.

Putin versucht verzweifelt, zu verhindern, dass der Konflikt mit den USA und ihren Verbündeten in einen militärischen Konflikt ausartet. Er möchte sich auch der Loyalität der russischen Oligarchen versichern, die die soziale Grundlage seines Regimes bilden, während die USA versuchen, einen Keil zwischen die Oligarchen und den Kreml zu treiben. Die USA und Großbritannien rufen zum Boykott des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg auf, und das Weiße Haus fordert auch die Vorstände der Wall Street-Firmen auf, nicht teilzunehmen, um "keine unpassende Botschaft“ auszusenden.

Die Moskauer Regierung rechnet auch mit der Möglichkeit, dass die russisch-nationalistischen Elemente, die derzeit den Widerstand gegen das Kiewer Regime anführen, die Kontrolle darüber verlieren. Sie könnten dann den Moskauer Oligarchen, die vor dem Putsch die Partei der Regionen des gestürzten Premierministers Wiktor Janukowitsch unterstützten, in der Ukraine gefährlich werden.

Die prowestliche Publikation Swobodnaja Pressa brachte vor kurzem ein Interview mit Boris Schmeljow vom Moskauer Wirtschaftsinstitut, der erklärte: "Die Unzufriedenheit mit den Oligarchen im Donezbecken und in Lugansk ist groß... Die soziale Wut wächst, und das wird zu einem Konflikt zwischen der Bevölkerung und den Besitzern der Fabriken und Bergwerke führen."

Alexandr Schatilow von der Moskauer Finanzuniversität war noch offener; er prognostizierte einen Krieg, "nicht nur gegen Kiew, sondern auch gegen die ukrainischen Oligarchen."

Eine solch explosive Konfrontation könnte die Versuche untergraben, ukrainisch- und russischsprachige Ukrainer gegeneinander auszuspielen. Dadurch könnte die Grundlage für einen gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse entstehen, der auch das Oligarchenregime in Russland selbst gefährden würde. Das ist ein entscheidender Grund für Putins Versuche, eine Einigung mit Washington, Berlin, London und Paris zu erzielen, obwohl sie ihre militärischen Drohungen gegen Russland immer weiter verschärfen.

Am Mittwoch erklärte General Philip Breedlove von der US-Air Force, die Nato erwäge aufgrund der verschärften Spannungen zwischen Russland und der Ukraine eine dauerhafte Stationierung von Truppen in Teilen von Osteuropa.

Breedlove, der Nato-Oberbefehlshaber der Truppen in Europa und Oberbefehlshaber des amerikanischen European Command, erklärte: "Wir müssen unsere Reaktionsfähigkeit und Bereitschaft überprüfen, und die Verteilung von Kräften, um in der Lage zu sein, auf dieses neue Paradigma zu reagieren, das wir auf der Krim erlebt haben und jetzt an der Ostgrenze der Ukraine erleben."

Breedloves hatte kurz vor dieser Aussage, Anfang der Woche, zugegeben, dass es unwahrscheinlich sei, dass Russland Truppen in die Ostukraine schicke. Damit widerlegt er seine Behauptung, die Stationierung von Nato-Truppen in Polen, Rumänien und den baltischen Staaten, die er jetzt als dauerhaftes Arrangement darstellt, sei offensichtlich "von ihrem Wesen her defensiv".

Die Nato-Führer werden Anfang September in Wales ein Gipfeltreffen abhalten und voraussichtlich mehrere osteuropäische Staaten in das Bündnis aufnehmen.

Breedlove forderte die europäischen Mächte und die USA dazu auf, ihre Militärausgaben zu erhöhen. "In unserem eigenen Land, und ich denke, auch in allen anderen Nato-Staaten, werden wir alle angesichts des Paradigmas, das uns Russland auf der Krim präsentiert hat, einige Entscheidungen überdenken müssen, die wir getroffen haben."

US-Außenminister John Kerry ergänzte Breedloves Stellungnahme und verurteilte die Versuche prorussischer separatistischer Gruppen in der Ostukraine, am Sonntag, dem 11. Mai, ein Referendum zu organisieren. Er setzte sie mit einem Versuch Moskaus gleich, noch mehr ukrainisches Staatsgebiet zu annektieren.

"Das ist dasselbe Schema wie auf der Krim", erklärte er. "Wir lehnen diesen rechtswidrigen Versuch, die Ukraine weiter zu spalten, rundheraus ab."

Am Dienstag erklärte Kerry in Washington in einer gemeinsamen Rede mit Catherine Ashton, der obersten Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die Vorbereitung eines Referendums über die Autonomie der östlichen Regionen sei der Versuch, die Wahlen am 25. Mai zu sabotieren.

Der britische Außenminister William Hague unterstützte in einem BBC-Interview Anfang des Monats ebenfalls die Wahl am 25. Mai. Hague erklärte, die Ukrainer "dürfen sich nicht durch Unruhen, die von einem anderen Land aus vorsätzlich geschürt und koordiniert werden, davon abhalten lassen, ihre eigenen Wahlen abzuhalten".

Sowohl US-Präsident Barack Obama als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärten letzte Woche, jeder Versuch Russlands, die Wahlen zu vereiteln werde noch härtere Sanktionen gegen ganze Sektoren der russischen Wirtschaft nach sich ziehen, unter anderem gegen die Rüstungs-, die Finanz- und die Energiebranche.

Victoria Nuland, Staatssekretärin im Außenministerium für europäische und eurasische Angelegenheiten, sagte dem Außenpolitischen Ausschuss des Senats am Mittwoch, auch die Anerkennung eines separatistischen Referendums durch Russland werde weitere Sanktionen zur Folge haben.

Hague äußerte bei einer Rede in Kiew identische Drohungen. Er erklärte, eine zweite Runde von internationalen Verhandlungen über die Ukraine sei zwar erstrebenswert, allerdings müsse Russland die Rechtmäßigkeit der Wahl am 25. Mai akzeptieren.

Er erklärte: "Russland hat auf illegale Weise einen Teil des ukrainischen Staatsgebiets annektiert und schürt in anderen Teilen des Landes aktiv Unruhe. Ich denke, sie wollen die Wahlen verhindern. Das ist das Ziel, und daran zeigt sich ihre Angst vor der Macht der Demokratie."

Russland hat die Rechtmäßigkeit der Wahlen in der Ukraine angezweifelt und darauf gedrängt, die prorussischen Separatisten im Osten in weitere Diskussionen einzubinden. Außenminister Sergei Lawrow erklärte Anfang der Woche, es sei "unüblich," in der Ukraine eine Wahl abzuhalten, während das Militär eingesetzt wird. "Eine Wahl zu einer Zeit abzuhalten, in der das Militär gegen einen Teil der Bevölkerung eingesetzt wird, ist nicht konventionell – dies ist nicht Afghanistan", erklärte Lawrow.

Die Westmächte messen den Wahlen in der Ukraine jedoch größte politische Bedeutung bei. Sie sollen die Behauptung untermauern, die Regierung von Oligarchen und Faschisten, die sie im Februar durch einen Putsch an die Macht gebracht hat, habe ein demokratisches Mandat für ihre Herrschaft.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte am Dienstag in einem Interview mit den Zeitungen El Pais, Le Monde, La Repubblica und Gaseta Wyborcza, die Ukraine sei nur noch "wenige Schritte von einer militärischen Konfrontation entfernt".

Er rief alle Seiten in dem Konflikt auf, eine zweite diplomatische Konferenz in Genf zu veranstalten, um sich darauf zu einigen, Präsidentschaftswahlen abzuhalten, die der neuen ukrainischen Führung "demokratische Legitimität" verleihen würde.

Der französische Präsident François Hollande warnte außerdem, Chaos und Bürgerkrieg drohten, würden die Wahl nicht stattfinden.

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