Perspektive

Justizputsch in Thailand

Die vom Verfassungsgericht verfügte Amtsenthebung der thailändischen Premierministerin Yingluck Shinawatra in der vergangenen Woche muss Arbeitern eine deutliche Warnung sein, dass die herrschenden Klassen in Thailand und weltweit zu antidemokratischen Herrschaftsformen greifen.

Am Mittwoch hatte das Gericht in einer eindeutig politisch motivierten Entscheidung die Absetzung von Yingluck Shinawatra angeordnet. Dies geschah mit der fadenscheinigen Begründung, sie habe 2011 den damaligen nationalen Sicherheitschef entlassen und durch einen ihrer Anhänger ersetzt. Zwar räumte das Gericht ein, dass sie im Rahmen ihrer Kompetenzen gehandelt hatte, doch verstoße die Ernennung eines Verwandten gegen den „Grundsatz der Moral“.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist die jüngste Entwicklung in einer seit sechs Monaten anhaltenden Kampagne in Form von regierungsfeindlichen Protesten, rechtlichen Schikanen und versteckten Drohungen mit einer Militärintervention, um die gewählte Regierung, die von der Pheu-Thai-Partei gestellt wird, abzusetzen. Das erklärte Ziel der oppositionellen Demokratischen Partei und des Volksdemokratischen Reformkomitees (People’s Democratic Reform Committee, PDRC 1), welches die Proteste angeführt hat, ist die Einsetzung eines nicht gewählten „Volksrats“, der das Land regieren soll. Das PDRC und dessen Unterstützer haben bereits deutlich gemacht, dass sie sich mit der Amtsenthebung Yinglucks nicht zufrieden geben; sie fordern den Rücktritt der gesamten Regierung.

Die Regierung Obama und ihre Verbündeten in der Region haben gegen die Amtsenthebung von Thailands gewählter Premierministerin auf der Basis von haltlosen Anschuldigungen keine Einwände erhoben. So wie Washington eigene Interessen in der Ukraine durch eindeutig faschistische Organisationen verfolgt, so beziehen die USA in Thailand stillschweigend Position auf Seiten des Militärs, der Monarchisten und dem extrem rechten Flügel.

Der Justiz-Putsch letzter Woche folgt auf acht Jahre politischer Machtkämpfe innerhalb der herrschenden Kreise Thailands. Ausgangspunkt war die Amtsenthebung des damaligen Premierministers Thaksin Shinawatra, Yinglucks Bruder, im Jahr 2006. Im Jahr 2001 halfen Bangkoks traditionelle Eliten - Monarchie, Militär, Staatsbürokratie und auch die Justiz -, den Telekommunikations-Milliardär Thaksin ins Amt zu bringen. Aber als seine Wirtschaftspolitik und seine populistischen Zugeständnisse an die städtischen und ländlichen Armen ihren Interessen in die Quere kamen, wandten sie sich gegen ihn.

Im Jahr 2008 enthob das Verfassungsgericht zwei gewählte Premierminister, die dem Thaksin-Lager angehörten, ihres Amtes. Den ersten, weil er Geld für sein Auftreten in einer Fernsehkochshow angenommen hatte, den zweiten, weil ihm – zu Unrecht – Wahlbetrug vorgeworfen wurde. Die Amtseinsetzung einer vom Militär gestützten Regierung der Demokraten rief Opposition in weiten Kreisen der Bevölkerung hervor. Im Jahr 2010 unterdrückte das Militär gewaltsam „Rothemden“-Proteste. Dabei wurden mehr als 90 Demonstranten getötet.

Die aktuelle Kampagne mit dem Ziel, die Pheu-Thai-Regierung zu stürzen, kam im Zuge der sich dramatisch verschlechternden Wirtschaftsaussichten des Landes ins Rollen. Die Exporte sind eingebrochen, ausländische Investitionen sind zurückgegangen, und die Wachstumsprognosen für das erste Quartal fallen negativ aus. Sowohl Bangkoks wirtschaftliche und politische Elite, als auch die Mittelschichten, von denen die PDRC-Proteste weitgehend getragen werden, haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die bescheidenen Zugeständnisse der Regierung an die arbeitende Bevölkerung nicht akzeptieren werden. Die Demagogen des rechten PDRC-Flügels verurteilen Zugeständnisse pauschal, gleich ob es um den garantierten Mindestpreis für Reis für Landwirte oder um kostengünstige Gesundheitsversorgung geht, als unzulässigen „Stimmenkauf“ und „Korruption“.

Die Pheu-Thai-Regierung vertritt nicht die Interessen der Arbeiterklasse und der ländlichen Massen. Vor ihrer Absetzung versprach Yingluck den Wirtschaftsführern mehrmals, dass sie deren Forderungen nach Sparmaßnahmen umsetzen würde. Darüberhinaus demobilisierte die Regierung bewusst ihre Unterstützer, die „Rothemden“, aus Angst, die städtischen und ländlichen Armen würden ihre eigenen Klasseninteressen vorbringen, wie sie es ansatzweise 2010 getan hatten. Damit hat sie der Kampagne, die Regierung durch einen „Volksausschuss“ - bis auf den Namen eine vom Militär gestützte Junta - zu ersetzen, zusätzlich Auftrieb verliehen.

Die Ereignisse bestätigen eine Kernaussage von Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution: In Ländern mit einer verspäteten kapitalistischen Entwicklung, wie es Thailand ist, ist jeder Teil der Bourgeoisie organisch unfähig, die demokratischen Bestrebungen und drängenden sozialen Bedürfnisse der Massen zu befriedigen. Zur Geschichte Thailands im 20. Jahrhundert gehören mehrere Militärputsche, die der Unterdrückung der Unzufriedenheit der Massen dienten. Der hohle Charakter der hochgelobten thailändischen Demokratie, die sich in den späten 1980er Jahren herausbildete, wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die Demokratische Partei, die zuvor als Gegner der Militärherrschaft aufgetreten war, nun als ihr politischer Mittelsmann agiert.

Die Hinwendung zu offen antidemokratischen Herrschaftsformen in Thailand findet inmitten des heftigsten Zusammenbruchs des Kapitalismus seit den 1930er Jahren statt, unter Bedingungen eines Sparkurses, mit dem die Last der Krise auf die Arbeiterklasse abgewälzt wird, und wachsender geopolitischen Spannungen. Die“Konzentration auf Asien“-Strategie (pivot to Asia)) der Vereinigten Staaten mit dem Ziel, China militärisch einzukreisen und seinen Einfluss zurückzudrängen, zieht jedes Land in Asien in den Strudel des Militarismus und der Kriegsvorbereitungen.

Öffentlich hat die Regierung Obama die offenkundigen Versuche der rechten Opposition Thailands, die gewählte Regierung zu stürzen, nicht verurteilt. Stattdessen äußerte sie Plattitüden über die Notwendigkeit eines Kompromisses zwischen den beiden Seiten. Hinter den Kulissen arbeitet das Weiße Haus eng mit dem thailändischen Militär zusammen, das Washington als wichtigen Verbündeten bei seinen Kriegsvorbereitungen gegen China ansieht. Während des Vietnamkrieges starteten 80 Prozent der US-Bombenangriffe gegen Nordvietnam von Luftwaffenstützpunkten in Thailand.

Die Entwicklungen in Thailand sind nur der schärfste Ausdruck politischer Prozesse, die in der gesamten Region im Gange sind. Die sogenannten asiatischen Demokratien, die in den späten 1980ern und den 1990ern in Ländern wie Südkorea und Indonesien entstanden, sollten Diktaturen, die bis dato die Unterstützung der USA genossen hatten, ein freundlicheres Gesicht verleihen. Der US Imperialismus schüttelte einstige politische Verbündeten ab, da deren Vetternwirtschaft ein Hindernis für die amerikanischen Unternehmensinteressen geworden war.

Nun wird die demokratische Maske abgestreift. In Südkorea greift die Präsidentin Park Geun-hye, die Tochter des von den USA unterstützten Diktators Park Chung-hee, auf die Methode ihres Vaters zurück – die antikommunistische Hexenjagd, um politische Gegner und streikende Arbeiter zu unterdrücken. In Indonesien werden bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Generäle und politische Parteien der Suharto-Ära eine dominierende Rolle spielen. Während sich die herrschenden Klassen der US-Kriegskampagne gegen China anschließen und Klassenkrieg gegen die Arbeiterklasse zu Hause vorbereiten, werfen sie den Ballast der Demokratie über Bord.

Wie Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution erläuterte, ist die Arbeiterklasse die einzige Kraft in der Gesellschaft, die in der Lage ist, demokratische Grundrechte zu verteidigen, als Teil des politischen Kampfes für ihre eigenen unabhängigen Klasseninteressen.

Gegenwärtig werden thailändische Arbeiter weitgehend an den Rand gedrängt oder der Pheu-Thai-Partei und ihren verbündeten „Rothemden“ Organisation untergeordnet. Diese Situation beinhaltet große Gefahren. Nur durch einen politischen Kampf gegen alle Fraktionen der herrschenden Klasse kann die unabhängige Stärke der Arbeiterklasse mobilisiert und die ländlichen Massen auf ihre Seite gezogen werden. Außerdem macht es dieser Kampf erforderlich, nicht nur die Arbeiter in anderen unterdrückten Ländern, sondern auch in den großen imperialistischen Zentren, insbesondere in den USA, in einem vereinten Kampf für eine sozialistische und internationalistische Perspektive zu vereinigen, um den Kapitalismus abzuschaffen, der Kriegen und sozialer Ungleichheit zugrunde liegt.

Vor allem müssen in Thailand und ganz Asien neue revolutionäre Führungen der Arbeiterklasse aufgebaut werden, als Sektionen der trotzkistischen Weltbewegung, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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