USA entsenden Kriegsschiff mit 1.000 Marineinfanteristen in libysche Küstengewässer

Die Vereinigten Staaten haben ein Amphibienkriegsschiff mit einer Besatzung von etwa 1.000 Marineinfanteristen und mehreren Hubschraubern in Gewässer vor der Küste Libyens entsandt. Damit wird eine direkte militärische Intervention der USA in dem Land wahrscheinlicher, das 2011 durch einen von Washington angeführten Krieg, der zum Sturz von Muammar Gaddafi führte, verwüstet worden ist.

Am 28. Mai sagte der Sprecher des Pentagons Oberst Steve Warren gegenüber der Presse, dass „als Reaktion auf Unruhen in der Region, speziell in Nordafrika“ die USS Bataan in die Region verlegt worden sei. Ein nicht namentlich genannter Pentagon-Vertreter meinte, das Schiff werde “innerhalb weniger Tage” vor der libyschen Küste eintreffen.

Die Verlegung des Schiffes ist angeblich eine “Vorsichtsmaßnahme” für den Fall, dass die in Libyen herrschende politische Anarchie und die Kampfhandlungen zwischen rivalisierenden Milizen die USA zwingen werden, ihre Botschaft in der Hauptstadt Tripoli zu evakuieren. Doch Washington ist tief verstrickt in die Bürgerkriegskämpfe, die Libyen zerreißen. Man weiß ziemlich sicher, dass die USA einen Rebellengeneral unterstützen, der seit vielen Jahren für die CIA arbeitet und einen Putsch gegen die von Islamisten dominierte Regierung plant.

Vor der Verlegung der USS Bataan wurde die Marineeinheit beim Marinefliegerstützpunkt Sigonella in Sizilien aufgestockt. Am 19. Mai gaben Regierungsvertreter bekannt, dass etwa 60 zusätzliche Marineinfanteristen und vier weitere Osprey-Militärtransporter von ihren Stützpunkten in Spanien nach Sizilien verlegt worden seien, um näher an Libyen zu sein. Die Zahl der auf dem Stützpunkt in Sizilien stationierten Marines beträgt damit etwa 250. Die Sprecher fügten hinzu, dass die amerikanischen Streitkräfte in Sizilien in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden seien.

Die Verlautbarung vom 19. Mai erfolgte, nachdem tags zuvor Schwerbewaffnete das libysche Parlament überfallen hatten und bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen überall in der Hauptstadt Schüsse zu hören waren. Der Überfall aufs Parlament hat mit den Operationen des ehemaligen Generals Khalifa Hiftar zu tun, der die islamistischen Dschihad-Milizen in Benghasi und anderen Regionen im Osten besiegen und die gewählte Regierung in Tripolis stürzen will.

Haftar hatte sich in den 1980er Jahren mit Gaddafi überworfen und in den USA niedergelassen. Dort lebte er lange in Langley, Virginia, wo sich die CIA-Zentrale befindet. Im Krieg 2011 schloss er sich den von den USA unterstützten „Rebellen“ an. Inzwischen tritt er als Anwärter auf die Rolle des starken Mannes auf. Berichten zufolge wird er militärisch und finanziell von regionalen Verbündeten der USA wie Algerien, Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt.

Haftar fordert den Rücktritt des Ministerpräsidenten Ahmed Miitig, ein Geschäftsmann, und die Ersetzung des Allgemeinen Nationalkongresses (ANK) durch einen Regierungsrat, der der Aufsicht des libyschen Obersten Gerichtshofs unterliegen soll. Miitig wurde im Mai in einer chaotischen Wahl vom ANK gewählt, nachdem Abdullah al-Thani im April zurückgetreten war und dies mit einem physischen Angriff auf ihn und seine Familie begründet hatte.

Miitig teilte mit, sein Haus in Tripolis sei am 27. Mai um 3 Uhr nachts mit Raketen und Handfeuerwaffen beschossen worden. In derselben Woche wurde auch einer der bekanntesten Zeitungsherausgeber Libyens in Benghasi ermordet.

Die Verlegung der USS Bataan in libysche Gewässer wurde bekanntgegeben, nachdem der Angriff auf Miitig bekannt geworden war. Ebenfalls am 27. Mai gab das US-Außenministerium eine Reisewarnung heraus, wonach Amerikaner in Libyen das Land „sofort verlassen“ sollten. In der Erklärung wurde gewarnt: „Weil Ausländer in Libyen, vor allem Amerikaner, gern mit der amerikanischen Regierung oder amerikanischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Verbindung gebracht werden, sollten Reisende wissen, dass ihnen Entführung, physische Gewalt und Ermordung drohen können.“

Haftar hat mit modernsten Waffen Angriffe auf islamistische Milizen in Benghasi und an anderen Orten geführt. Ziel seiner Angriffe sind unter anderem Ansar al-Scharia, die dschihadistische Miliz, die im Krieg gegen Gaddafi auf Seiten der USA und der Nato gestanden hatte, dann aber mit den USA brach und bei den Angriffen auf das US-Konsulat und ein CIA-Gebäude in Benghasi am 11. September 2012 eine wichtige Rolle spielte. Dabei waren der US-Botschafter J. Christopher Stevens und drei weitere Amerikaner getötet worden.

Haftar angeschlossen haben sich Teile der libyschen Luftwaffe, die Spezialkräfte des Landes, eine Reihe wichtiger Milizen (darunter einige mit Al-Kaida verbündete) und, nach Angaben der Webseite des privaten Think Tanks Stratfor, „Ibrahim Jadhrans föderalistische Milizen, die im Osten Libyens weiterhin die Kontrolle über einige wichtige Ausfuhrhäfen ausüben“.

Am 28. Mai führten Haftars Kräfte Luftangriffe gegen feindliche Milizen in Benghasi durch, auch gegen Ansar al-Scharia.

Das US-Außenministerium behauptet, mit Hiftar nicht in Kontakt zu stehen und versichert, dass die USA sein Vorgehen „nicht gutheißen“. Doch die amerikanische Botschafterin in Libyen, Deborah Jones, hat dem langjährigen CIA-Mann und seinem Putschversuch praktisch ihren Segen gegeben. Vor Kurzem äußerte sie sich so: „Es wäre sehr schwierig, so weit zu gehen und Hiftar zu verurteilen“, wenn man berücksichtige, dass seine Leute „gegen ganz bestimmte Gruppen vorgehen, die auf unserer Liste terroristischer Organisationen stehen“.

Die Behauptung, Washingtons Machenschaften in Libyen seien dem Kampf gegen den Terrorismus geschuldet, ist ein Betrug. Als sie Krieg gegen Gaddafi führten, um einen Regimewechsel zu erzwingen, finanzierten und bewaffneten die USA mit Al-Kaida verbündete Terroristen in Libyen. Dem Krieg lag Washingtons Bestreben zugrunde, ein Marionettenregime zu installieren, das ihm die Kontrolle über die riesigen Ölvorräte Libyens verschaffen und ihm ermöglichen würde, die strategisch wertvolle Lage des Landes zu nutzen, um die Machtstellung der USA in Europa, dem Nahen Osten und Afrika auszubauen.

Botschafter Stevens leitete von Benghasi aus eine Operation, die dschihadistsiche Milizen nach Syrien einschleusen sollte, um in dem von den USA unterstützten Bürgerkrieg gegen das Regime von Bashar al-Assad zu kämpfen. Er wurde das Opfer einer klassischen „Vergeltung“ islamistischer Führer, die mit ihrem Anteil an der politischen und wirtschaftlichen Beute aus dem Libyenkrieg unzufrieden waren.

Eine am 30. Mai erschienene Analyse von Stratfor erklärte offen, dass die gegenwärtigen Kämpfe in Libyen und die Haltung der USA vor allem von einem Ziel bestimmt seien – der Kontrolle über das libysche Öl. Die amerikanischen Verbündeten in der Region, die man zu Haftars Unterstützern rechne, „sind sich einig in dem Wunsch, dschihadistische Aktivitäten im Osten Libyens einzudämmen“, hieß es in dem Artikel. Und weiter: „Auch die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten sind an einer störungsfreien Ölförderung im Osten Libyens interessiert.“

Ganz unzweideutig heißt es dann weiter: „Seit die Gerüchte über militärische Unterstützung für Hiftar durch Ägypten sich verdichtet haben, gibt es direkte Kontakte der USA auf Regierungsebene mit Hiftar und Tripolis.“

Einem Artikel in der New York Times vom 26. Mai zufolge, der von einem geheimen US-Programm für den Einsatz amerikanischer Spezialkräfte zur Ausbildung von Militäreinheiten in vier Ländern in Nord- und Westafrika handelt, befinden sich bereits amerikanische Militärkräfte in Libyen. Die New York Times berichtet, die Regierung Obama habe „ein geheimes Konto angezapft“, um zwei Einheiten von Elitesoldaten in Libyen aufzustellen.

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