Perspektive

Autoarbeitergewerkschaft gegen Autoarbeiter

Die amerikanische Autoarbeitergewerkschaft, United Auto Workers (UAW) hielt in der vorigen Woche in Detroit ihren 36. Gewerkschaftstag ab. Die Versammlung hatte drei grundlegende Ziele. Erstens sollte eine neue Schicht handverlesener rechtsgerichteter Gewerkschaftsfunktionäre gewählt werden, um diejenigen zu ersetzen, die in Rente gehen. Zweitens sollte eine gesalzene Erhöhung der Mitgliedsbeiträge durchgesetzt werden und drittens galt es, den Autokonzernen und der herrschenden Klasse zu versichern, dass die UAW auch künftig dazu beitragen wolle, die Löhne und Zuschläge zu senken, das Arbeitstempo zu erhöhen und den Profit der Unternehmen zu steigern.

In jeder Hinsicht zeigte sich an den drei Versammlungstagen wie antidemokratisch diese Organisation ist und wie sie gegen die Arbeiterklasse arbeitet. Die einfachen Autoarbeiter hätten die Versammlung wohl kaum wahrgenommen, wenn diese nicht beschlossen hätte, die Mitgliedsbeiträge um 25 Prozent zu erhöhen.

In seiner Abschiedsrede fasste der scheidende UAW-Präsident Bob King zusammen, welchen Klasseninteressen die UWA dient. Er sagte vor der Versammlung: „Wir wollen zeigen und beweisen, und das tun wir jeden Tag, dass eine gewerkschaftlich organisierte Belegschaft ein Wettbewerbsvorteil und kein Nachteil im Konkurrenzkampf ist.“

Seit Anfang der 1980er Jahre, als die UAW erstmals bei Chrysler ihre Vertreter in den Vorstand des Unternehmens schickte und offiziell das korporatistische Programm der Arbeiter-Management-„Partnerschaft“ akzeptierte, hat die Gewerkschaft offen als Kontrollorgan über die Arbeiter fungiert und die Autobosse verlässlich mit billigen Arbeitskräften versorgt.

Mit Hilfe der UAW konnten die Autokonzerne von Detroit mindestens 200 Betriebe überall im Land schließen und seit 1979 mehr als eine Million Arbeitsplätze vernichten. Dieser Prozess steigerte sich mitte der 2000er Jahre und insbesondere nach dem Finanzzusammenbruch vor sechs Jahren. Seit 2007 hat der Wettbewerbsvorteil einer in der UAW organisierten Belegschaft den Detroiter Autokonzernen erlaubt die Arbeitskosten um 30 Prozent auf das Niveau zu senken, das für nichtorganisierte asiatische und europäische Autohersteller gilt.

Der Rückgang der Mitgliedschaft von 1,5 Millionen 1979 auf heute nur noch 388.000 hat für die UAW zu einer Finanzkrise geführt, was bei etlichen Vorständen von Autokonzernen Besorgnis erregte, die Gewerkschaft könnte ganz verschwinden. Im nächsten Jahr wird es für die UAW-Funktionäre noch schlimmer, denn Tausende von GM-, Ford- und Chryler-Arbeiter in Michigan erhalten die Möglichkeit auf Grund des neuen „Recht-auf-Arbeit“-Gesetzes in organisierten Betrieben ihre Pflichtbeiträge zu stoppen.

Um neue beitragsszahlende Mitglieder zu gewinnen, plant King hinter dem Rücken der Arbeiter mit Unternehmen, die in den USA produzieren, aber in asiatischem und europäischem Besitz sind, gemeinsame Absichtserklärungen nach dem Muster zu unterzeichnen, wie es Anfang des Jahres für die VW-Arbeiter in Chattanooga, Tennessee gelten sollte. UAW und Unternehmen wollten gemeinsam die gewerkschaftliche Organisierung des Betriebs vorantreiben, was ihnen durch das „Nein“-Votum der Arbeiter durchkreuzt wurde.

Der kommende UAW-Präsident Dennis Williams wurde ohne jede demokratische Abstimmung ins Amt gehievt. Er nahm angesichts der Gefahr, dass die Arbeiter mit den Füßen und ihrem Geldbeutel gegen die UAW abstimmen würden, in seiner durch und durch rechten Antrittsrede seine Zuflucht zu etwas Demagogie: „Es ist Zeit für jede und jeden von uns, den Unternehmen zu sagen: Keine Zugeständnisse mehr. Wir sind es leid. Genug ist genug,“ sagte er.

Das gab ein Mann von sich, der mehr als drei Jahrzehnte lang als Werkzeug des Großkapitals und der Demokratischen Partei gewirkt hat. Als sein Hauptverdienst gilt es, dass er 2004 den ersten Tarifvertrag mit Zweiklassenlöhnen für Caterpillar ausgehandelt hat. Gegenwärtig sitzt er im Vorstand des Lastwagenherstellers Navistar.

William beschrieb die unternehmensfreundliche und proimperialistische Perspektive der UAW indem er sich rühmte, er selbst, seine Frau und sein Sohn seien alle US-Marines. „Ich glaube an eine starke Verteidigung, damit wir unsere Nation gegen Angriffe aus dem Ausland verteidigen können“, erklärte er.

Er bekräftigte seine Unterstützung für die Austeritätspolitik, die beide dem Großkapital hörige US-Parteien betreiben. Williams meinte: „Ich glaube an einen ausgeglichenen Haushalt“, und fügte hinzu, dass die UAW weiterhin „ihre Stimme für die Demokraten abgeben“ werde, die unter Präsident Obama den größten Transfer von Reichtum hin zu den Superreichen in der Geschichte der USA organisiert haben.

Die Transformation der UAW in ein Werkzeug der Konzerne und des Staates ist beispielhaft für die Entwicklung der Gewerkschaften nicht nur in den USA, sondern international. Ob in Griechenland, Frankreich, Brasilien, Südkorea oder Südafrika, überall unterdrücken und untergraben die Gewerkschaften den Widerstand der Arbeiterklasse und verteidigen das Profitsystem, von dem das Einkommen und die Privilegien der Gewerkschaftsfunktionäre abhängen.

Das zeigt, dass der Zusammenbruch nicht nur ein Produkt korrupter Individuen ist, sondern das Ergebnis sehr viel grundlegenderer Ursachen.

Die UAW entstand in den Arbeitskämpfen und der politischen Radikalisierung der Großen Depression in den 1930er Jahren. Diejenigen, die damals Sitzstreiks und andere Klassenkämpfe anführten, aus denen die Gewerkschaft entstand, waren meist linke militante und sozialistisch orientierte Arbeiter, die in der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterklassen einen Schritt vorwärts zum Aufbau einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiter sahen, um für den Sozialismus zu kämpfen.

Die UAW-Führung unter Walter Reuther widersetzte sich diesem Kurs und ordnete die Arbeiterklasse der Demokratischen Partei unter. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Reuther eine antikommunistische Säuberung der Gewerkschaften an und festigte so ihre Verteidigung des Profitsystems und der Unterstützung für den amerikanischen Imperialismus. Die rechte Säuberung der Gewerkschaften besiegelte ihr Schicksal.

In den 1980er Jahren untergrub die transnationale Produktion das nationalistische und prokapitalistische Programm der UAW gründlich. Angesichts des historischen Niedergangs des amerikanischen Kapitalismus gab die UAW die Verteidigung der Arbeiterklasse auf und kollaborierte offen bei der Zerstörung des Lebensstandards der Arbeiterklasse.

Die zunehmenden Kämpfe der Arbeiter gegen Kürzungspolitik, Arbeitslosigkeit und Lohnsenkungen bringen sie heute nicht nur mit den Unternehmen und dem Staat in Konflikt, sondern auch mit den Gewerkschaften. Ein Kampf zur Verteidigung von Arbeitsplätzen und Lebensstandard kann nur vorwärts gebracht werden, wenn die Arbeiter neue Organisationen für Arbeits- und politische Kämpfe aufbauen.

Die Forderung der Gewerkschaften überall auf der Welt, Opfer zu bringen, um „ihre“ Betriebe wettbewerbsfähig und profitabel zu machen, muss abgelehnt werden. Unter den Bedingungen der Globalisierung benötigen die Arbeiter überall auf der Welt ein echtes internationalistisches Programm, um sie zu vereinigen, um ihr gesellschaftliches Recht auf einen sicheren Job und einen angemessenen Lebensstandard zu verteidigen.

Die Arbeiterklasse benötigt ein neues politisches Programm, das dem der UAW vollkommen entgegengesetzt ist. Die wachsende Armut auf einem Pol der Gesellschaft und der unendliche Reichtum auf dem anderen zeigen das Scheitern des kapitalistischen Systems und die Notwendigkeit für einen Kampf der Arbeiter für eine sozialistische Alternative.

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