FAZ und SZ trommeln für neuen Irak-Krieg

Die deutschen Medien reagieren auf die Krise im Irak mit einer Verschärfung ihrer Kampagne für Militarismus und Krieg. Am Wochenende forderten die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und die Süddeutsche Zeitung (SZ) ein militärisches Eingreifen der Obama-Regierung im Nahen und Mittleren Osten.

Am Freitag schrieb Klaus-Dieter Frankenberger in einem Kommentar für die FAZ: „Es ist eine Illusion zu glauben, man könne sich heraushalten; über kurz oder lang wird man auch dafür einen Preis zahlen.“ Angesichts der Gefahr, die von den dschihadistischen Terrormiliz ISIS (Islamischer Staat im Irak und in der Levante) ausgehe, müsse Obama „endlich mehr tun, als mehr oder weniger kluge Reden halten“. Es brenne lichterloh zwischen Aleppo, Mossul und Bagdad, und da sei es „nicht gerade der richtige Zeitpunkt, die Brandschutzbestimmungen zu überprüfen“.

Noch aggressiver trat Hubert Wetzel am Samstag in der SZ auf. Unter dem Titel „Wegschauen löst kein Problem“ forderte er, Obama müsse „endlich anfangen, sich um den Nahen Osten zu kümmern – und zwar ernsthaft, persönlich, mit einem strategischen Plan“. Durch „Abhauen, Wegschauen und Raushalten“ werde „kein Problem gelöst“.

Wetzel lässt keinen Zweifel daran, was er unter „persönlich kümmern“ und „Problemlösen“ versteht: Eine blutige Militärintervention im Nahen und Mittleren Osten. „Einige Luftangriffe auf Terroristen reichen nicht“, schreibt er. „Die USA werden militärisch und diplomatisch enormen Druck machen müssen, wenn sie verhindern wollen, dass die Region im Blut ertrinkt.“

Das „Modell“ ist der Irakkrieg von 2003, von dem Wetzel nun eine Neuauflage fordert. Obama solle sich daran erinnern, dass mit Vizepräsident Joe Biden, Außenminister John Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel fast seine „ganze außen- und sicherheitspolitische Mannschaft“ am 11. Oktober 2002 die „Kriegsresolution“ gebilligt habe, „die dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush freie Hand für einen Angriff auf den Irak“ gab. Obama lasse sich jedoch von der sicherheitspolitischen Doktrin „Bau keinen Scheiß!“ leiten.

Wetzels Geschrei für einen erneuten Einmarsch in den Irak ist so abstoßend wie seine nachträgliche Verteidigung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs von 2003. Obama tue gerne so, „als sei der Krieg im Irak nur ein blutiger Restposten gewesen, den sein Vorgänger Bush ihm hinterlassen und den er habe wegräumen müssen“. Dies sei falsch. „Nicht Bush und ein paar Spießgesellen sind 2003 im Irak einmarschiert, sondern die Vereinigten Staaten.“ Amerika habe „damit eine Verantwortung für das Land übernommen, die nicht einfach mit dem Abzug der amerikanischen Soldaten aus dem Irak Ende 2011 erloschen ist“.

Wie degeneriert muss man sein, um den Angriff und die Besatzung des Irak mit den Worten „Verantwortung übernehmen“ zu beschreiben (im Falle von Wetzel ist das jedoch nur bedingt überraschend: er hatte bereits vor einem Jahr „eine Salve Marschflugkörper auf das Hauptquartier von Baschar al-Assads Armee“ gefordert).

Der Irakkrieg ist eines der größten Verbrechen der modernen Geschichte. Er beruhte auf Lügen und hat fürchterliches menschliches Leid verursacht. Laut wissenschaftlichen Schätzungen wurden mehr als eine Million Iraker getötet und fast fünf Millionen zu Flüchtlingen gemacht. Über 4.500 amerikanische Soldaten verloren ihr Leben und mehr als 30.000 wurden schwer verwundet.

Das Erstarken von ISIS und die Destabilisierung des Irak sind eine direkte Folge der amerikanischen Intervention. Die USA haben die Infrastruktur des Landes zerbombt, im Zuge ihrer Besatzungsstrategie des „Teile und Herrsche“ die verschiedenen Religionsgruppen gegeneinander ausgespielt und so erst radikal-islamistischen Gruppen den Boden bereitet. Vor dem Sturz des säkularen Regimes von Saddam Hussein durch die USA war al-Qaida im Irak nicht präsent.

Der NATO-Krieg gegen Libyen und die imperialistische Intervention in Syrien haben die islamistischen Kräfte in der Region weiter gestärkt. In beiden Ländern bewaffnen und unterstützen die westlichen Mächte und ihre regionalen Verbündeten sunnitische Extremisten, um unliebsame Regimes zu beseitigen. ISIS ist ein direktes Produkt dieser Politik.

Die deutschen Medien reagieren auf das größte Debakel der US-Außenpolitik seit der Niederlage in Vietnam nun mit verzweifelten Rufen nach einer Ausweitung der US-geführten Interventionen.

Am Freitag schrieb Tomas Avenarius, der Nahost-Korrespondent der SZ, in einem Kommentar unter dem Titel „Riskantes Ende einer Ordnung“: „Zwölf Jahre nach Beginn des 'Krieges gegen den Terror' stehen die USA und ihre Verbündeten vor einem Scherbenhaufen. Sie sind viel zu früh aus dem Irak abgezogen. Sie sind dabei, Afghanistan gemeinsam mit den Europäern Hals über Kopf sich selbst zu überlassen. Neue Terror-Milizen entstehen, in Jemen, in Libyen, in Nigeria.“

Avenarius fügt hinzu: „Das sollte denen, die ein sofortiges Ende des Anti-Terror-Kampfs fordern – und aller damit verbundenen innenpolitischen Zumutungen in Form von Überwachung –, doch zu denken geben. Ja, der Preis ist hoch. Das Risiko einer Niederlage ist es aber auch.“

Was treibt die deutschen Medien, sich so vehement hinter den „Krieg gegen den Terror“ zu stellen, der so offensichtlich auf Lügen basierte und eine ganz Region in den Abgrund gestürzt hat?

Avenarius‘ Artikel ist in dieser Hinsicht aufschlussreich. Er warnt, dass die Extremisten nicht nur einen „heiligen Krieg“ führen, sondern „die fast einhundertjährige Staatenordnung im Nahen Osten“ zerstören. „Sie legen die Axt an das Sykes-Picot-Abkommen, jenen Geheimvertrag, in dem die imperialistischen Mächte Großbritannien und Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg die Region aufteilten und ihr ihre bis heute geltende Gestalt und ihre Grenzen gaben.“ Das bedrohe die USA und Europa. Es bedeute „noch mehr Krieg, noch mehr Terror, noch mehr Flüchtlinge“ und „dazu eine Bedrohung der Ölrouten“.

Mit anderen Worten: Die herrschenden Kreise in Deutschland und ihre Sprachrohre in den Medien fürchten, dass das Debakel der USA im Irak die Kontrolle der imperialistischen Mächte über den rohstoffreichen und strategisch wichtigen Nahen und Mittleren Osten in Frage stellt. Ihre verzweifelte Umarmung des „Kriegs gegen Terror“ macht deutlich, zu welchen Methoden die herrschende Klasse auch hier greifen wird, um die wirtschaftlichen und strategischen Interessen Deutschlands zu verteidigen.

Das kriminelle Ausmaß des „Kriegs gegen den Terror“ ist bekannt. Er steht synonym für völkerrechtswidrige Angriffskriege, Massenmord und den Aufbau eines globalen Polizeistaats. In seinem Namen überfiel die US-Regierung nicht nur Afghanistan und den Irak, sondern entführt, foltert und mordet und überwacht Milliarden Menschen auf der ganzen Welt.

Propagandisten des „Kriegs gegen den Terror“ wie Frankenberger, Wetzel und Avenarius mögen historisch unbedeutender sein als seine Protagonisten George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld und ihre Nachfolger in der Obama-Administration. Politisch sind sie jedoch nicht minder kriminell.

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