Außenminister Steinmeier wirbt für Krieg

In wenigen Wochen jährt sich zum hundertsten Mal der 4. August 1914, jener verhängnisvolle Tag, an dem die SPD-Reichstagsfraktion den Kriegskrediten des Kaisers zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs zustimmte. Die SPD bereitet diesen Jahrestag vor, indem sie die Wiederkehr des deutschen Militarismus betreibt.

Ende Mai eröffnete Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine neue Internet-Plattform des Außenamts mit dem Titel „Review 2014 – Außenpolitik Weiter Denken“. Die Website setzt sich das Ziel, den anhaltenden Widerstand gegen Krieg und Militarismus zu bekämpfen.

Anfang des Jahres hatte Steinmeier mit Unterstützung der Bundesregierung und des Bundespräsidenten erklärt, dass die bisherige Politik der militärischen Zurückhaltung zu Ende sei. Deutschland werde künftig in den Krisengebieten der Welt wieder eigenständiger und selbstbewusster „auch militärisch“ eingreifen. Der Außenminister begründete dies damit, dass Deutschland „zu groß und zu wichtig“ sei, um sich länger darauf zu beschränken, die „Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren“.

Obwohl diese Wiederkehr einer aggressiven deutschen Außenpolitik lange und intensiv vorbereitet worden war und von allen Bundestagsparteien sowie praktisch sämtlichen Meiden unterstützt wird, stößt sie in der Bevölkerung mehrheitlich auf Abweisung und Feindschaft.

Das soll sich nun ändern.

Mit den Worten, „Lassen Sie uns gemeinsam Außenpolitik weiter denken“, wirbt Steinmeier auf der neuen Website für eine außenpolitische Wende. Doch das Misstrauen und die Ablehnung von Militarismus und Krieg sitzt tief. Die ungeheuren Verbrechen der Nazis und der Wehrmacht haben sich tief ins Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten eingegraben. Die Forderung „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ hat Generationen geprägt.

Steinmeier reagiert darauf, indem er keinen Zweifel daran lässt, dass die Rückkehr zur deutschen Großmachtpolitik im Außenministerium und im Kanzleramt beschlossene Sache ist. Gleichzeitig versucht er den Eindruck zu erwecken, dass nicht die deutsche Regierung und Wirtschaft wieder zu Großmachtpolitik und Militarismus drängen, sondern dass der Wunsch nach „mehr Führung“ von außen an Deutschland herangetragen wird. Zu diesem Zweck hat er Artikel und Gutachten bei mehreren Dutzend ausländische „Experten“ in Auftrag gegeben.

In der Werbung für „Review 2014“ heißt es dazu: „Für diese Webseite haben wir über 50 renommierte Expertinnen und Experten gefragt: ‚Was, wenn überhaupt, ist falsch an der deutschen Außenpolitik? Was müsste geändert werden?‘“

Dabei sollte nicht übersehen werden, dass diese „renommierten Expertinnen und Experten“ in der einen oder anderen Weise vom Außenamt abhängig sind und von diesem bezahlt werden. Entsprechend eindeutig sind Form und Inhalt der Gefälligkeitsgutachten. Politiker, Wissenschaftler und Journalisten aus zahlreichen Ländern fordern, Deutschland müsse seine Zurückhaltung in der Weltpolitik aufgeben und mehr sicherheitspolitische und militärische „Führung“ übernehmen.

Seit dem Ende von Hitlers „Führerstaat“ vor knapp 70 Jahren wurde die Forderung nach deutscher Führung in Europa und der Welt nicht mehr derart schamlos und penetrant in einer offiziellen Publikation des Außenministeriums erhoben.

Timothy Garton Ash, Professor für Europastudien an der Universität Oxford, fordert, Deutschland müsse „mehr Führung“ in der EU übernehmen. Thomas Risse, Leiter der Arbeitsstelle Transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik der Freien Universität Berlin, schreibt unter der Überschrift „Deutschland als europäische Führungsmacht“, die Berliner Regierung müsse sich ihrer europäischen Führungsverantwortung stellen.

Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die maßgeblich an der Vorbereitung der außenpolitischen Wende beteiligt war, betont: „Führen setzt Vertrauen voraus!“ Perthes wörtlich: „Ausländische Beobachter loben die Professionalität des deutschen Auswärtigen Dienstes, beklagen aber immer wieder, dass Deutschland sein Gewicht im internationalen Raum zu wenig – oder allenfalls zur Beförderung eigener wirtschaftlicher Interessen – einsetze und Verantwortung sowie Führung- oder Mitführungsleistungen scheue.“ In einem weiteren Artikel betont Perthes: „Führen heißt, Prioritäten setzen.“

Am deutlichsten wird Kishore Mahbubani, Professor für Politikwissenschaft an der Nationaluniversität Singapur. Er stellt seinen Artikel unter das Motto: „Deutschlands Bestimmung: Europa führen, um die Welt zu führen.“ Die Nazi-Propaganda definierte die deutsche Bestimmung ganz ähnlich: „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt!“, heißt es in einem berüchtigten Nazi-Lied.

Professor Mahbubani ficht das nicht an. Er behauptet Merkels „europäisches Krisenmanagement“ habe Deutschlands Führungsrolle in Europa unumwunden deutlich gemacht. „Frankreich und Großbritannien können diese Rolle nicht mehr ausfüllen“, schreibt er.

Professor Mahbubani stört sich nicht daran, dass Deutschland im vergangenen Jahrhundert unsägliche Verbrechen begangen hat. Stattdessen bedauert er, dass es zwei Weltkriege verloren hat, und will dies nun korrigieren.

Er schreibt: „Das 20. Jahrhundert war für Deutschland ein schlechtes. Es verlor zwei Weltkriege und war ein halbes Jahrhundert geteilt und besetzt.“ Die zweite Hälfte des Jahrhunderts sei zwar besser gewesen und habe Deutschland Frieden und Wohlstand beschert. Doch die deutsche Gesellschaft sei „psychologisch erkrankt“ an den Schuldgefühlen über die Vergangenheit. Dieser Schuldkomplex müsse überwunden werden, dann könne das 21. Jahrhundert „für Deutschland zu einem großen Jahrhundert werden“.

Steinmeier nutzt die bestellten Gutachten, um zu behaupten, „das Ausland“ richte „große Erwartungen“ an die deutsche Außenpolitik. Die deutsche Politik dürfe sich nicht länger gegen die „von unseren Freunden“ gehegten Hoffnungen und Erwartungen verschließen.

Anlässlich der Eröffnung der Konferenz „Review 2014 - Außenpolitik Weiter Denken“ am 20. Mai im – wie er sagte – „geschichtsträchtigen Weltsaal“ des Außenamts machte Steinmeier deutlich, dass er den Widerspruch zwischen „den großen Erwartungen des Auslands an die deutsche Außenpolitik“ und der anhaltenden Opposition gegen ein stärkeres Auftreten Deutschlands in der Welt überwinden will.

Wörtlich sagte er: „Bei meinem zweiten Amtsantritt vor einem halben Jahr habe ich hier in diesem Weltsaal eine These formuliert: Deutschland ist ein bisschen zu groß und wirtschaftlich zu stark, als dass wir die Weltpolitik nur von der Seitenlinie kommentieren könnten.“ Nun komme es darauf an, diese neue Rolle Deutschlands in der Welt zu erklären und durchzusetzen.

Dazu plant Steinmeier den ganzen Sommer über eine Vielzahl von Veranstaltungen. Er ist entschlossen, den Widerstand gegen die Rückkehr von Militarismus und Krieg nicht länger hinzunehmen. Für Steinmeier bedeutet Demokratie nicht, die Mehrheitsmeinung zu akzeptieren und danach zu handeln. Für ihn hat eine „durch Wahlen demokratisch legitimierte“ Regierung die Aufgabe, die deutschen Interessen zu definieren und gegen jeden Widerstand durchzusetzen. Das ist die Stimme der herrschenden Finanzoligarchie, die keinen Widerspruch duldet.

Im Bundestagswahlkampf vom vergangenen Herbst wurde diese außenpolitische Wende nicht thematisiert, obwohl sie in Think Tanks und Expertenkreisen längst vorbereitet worden war. Stattdessen wurde endlos über alle möglichen politischen Nebensächlichkeiten, von der Homo-Ehe bis zur PKW-Maut, diskutiert.

Wenige Tage nach der Wahl forderte dann Bundespräsident Gauck, Deutschland müsse wieder eine Rolle „in Europa und in der Welt“ spielen, die seiner Größe und seinem Einfluss tatsächlich entspreche. Das wurde zum Leitfaden der Koalitionsverhandlungen, und nun treibt die Große Koalition die Wiederbelebung des deutschen Militarismus systematisch voran.

Steinmeier ist ein typischer sozialdemokratischer Vertreter des Staats, der die Staatsräson aus den Interessen der Wirtschaft und der Finanzoligarchie ableitet und die Bevölkerung als Feind betrachtet. Sein Wutausbruch auf einer Berliner Wahlversammlung, auf der er Kritiker niederbrüllte, die ihn als „Kriegstreiber“ bezeichneten, war in dieser Hinsicht symptomatisch.

Steinmeier schrie: „Ihr habt kein Recht!“ und meinte das wörtlich. Kurz nach der Europawahl forderte er in einem Interview mit der F.A.Z. die Einführung einer europäischen Sperrklausel für Kleinparteien, um die Diktatur der Staatsparteien aufrecht zu erhalten.

Hundert Jahre nach dem großen Verrat der SPD im August 1914 ist die Sozialdemokratie die führende Partei des deutschen Imperialismus und betreibt Kriegspropaganda im Namen des deutschen Militarismus. Nur eines hat sich geändert: Die SPD hat ihren Einfluss auf die Arbeiterklasse längst verloren. Ihre Feindschaft gegen die Arbeiter beruht auf Gegenseitigkeit.

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