Kerry droht in Bagdad mit amerikanischer Militäraktion

US-Außenminister John Kerry, der am Montag in Bagdad an einer Reihe von Treffen teilnahm, die den ganzen Tag in Anspruch nahmen, drohte in einer abschließenden Rede an, dass Präsident Obama Militärschläge gegen sunnitische Aufständische auch anordnen könnte, ohne auf die politische Umstrukturierung der irakischen Regierung zu warten, die Washington gefordert hat.

Kerry hob das Debakel hervor, vor dem das Regime des irakischen Premierministers Nuri al-Maliki steht, das die Kontrolle über ein Drittel der Territorien des Landes an eine sunnitische Aufstandsbewegung unter Führung der islamisch-fundamentalistischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und al-Shams/Syrien (Isis) verloren hat, deren Wurzeln in Al Qaida liegen.

Kerry deutete an, dass eine amerikanische Militäraktion bald bevorstünde und erklärte, eine Entscheidung Obamas, einen Angriff zu befehlen, sollte nicht als Akt der "Unterstützung für den momentanen Premierminister oder für eine der Sekten verstanden werden."

Vertreter des Pentagon kündigten am Montag außerdem an, dass sich die irakische Regierung bereit erklärt habe, während der aktuellen Krise allen US-Militärangehörigen Immunität vor Strafverfolgung zu gewähren. Diese Frage war der Hauptgrund, aus dem das Stationierungsabkommen zwischen den USA und dem Irak im Jahr 2011 gescheitert war; daraufhin wurden alle US-Truppen aus dem Land abgezogen.

Das US-Militär hat auf einem solchen, vom irakischen Parlament ratifizierten Abkommen beharrt, um sicherzustellen, dass amerikanischen Offizieren oder Soldaten keine Anklage wegen Kriegsverbrechen drohen kann. Nachdem dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist, werden Ende der Woche die 300 amerikanischen Spezialkräfte eintreffen, die Obama in den Irak beordert hat, um den Zustand der irakischen Militäreinheiten zu überprüfen und Informationen über Ziele für Bomben- und Raketenangriffe zu sammeln.

Über die Offensive der Isis erklärte Kerry, sie stelle eine Bedrohung dar und fügte hinzu: "Sie dürfen nirgendwo Unterschlupf finden." Angesichts der Tatsache, dass die Gruppe große Gebiete in Syrien und dem Westirak kontrolliert, ist diese Stellungnahme praktisch ein Eingeständnis, dass die USA auch Militäraktionen gegen Syrien vorbereiten.

Israelische Luft- und Raketenangriffe auf neun Ziele in Syrien - die größte Militäraktion Israels gegen Syrien seit Beginn des Bürgerkriegs vor drei Jahren - verdeutlichten die Gefahr eines größeren Krieges. Die israelischen Streitkräfte (IDF) behaupteten, der Angriff sei eine Vergeltungsaktion für einen Vorfall nahe der syrischen Grenze, bei dem ein israelischer Jugendlicher angeblich durch eine Panzerabwehrrakete getötet wurde. Die IDF verfolgen die Politik, jeden bewaffneten Angriff aus Syrien, egal ob von Assad-Anhägern oder Rebellen, der Regierung anzulasten und als Reaktion das syrische Militär anzugreifen.

Am Tag von Kerrys Besuch in der irakischen Hauptstadt konsolidierten die Isis-Truppen ihre Kontrolle über fast die gesamte irakische Westgrenze, nachdem sie Samstagnacht und am Sonntag in mehreren blutigen Gefechten wichtige Positionen eingenommen hatten. Aufständische besetzten die Städte Qaim und al-Waleed, die beiden letzten großen Grenzübergänge, die noch von Bagdad kontrolliert wurden.

Eine weitere Isis-Einheit nahm Rutba im Südwesten der Provinz Anbar ein und griff die Stadt Turabil an, den wichtigsten Grenzübergang nach Jordanien.

Wenn die Isis-Truppen weiter nach Süden vorrücken, werden sie die Grenze zu Saudi-Arabien erreichen, das die Organisation und andere sunnitische Gruppen im Rahmen der Operation in Syrien zusammen mit den USA finanziert hat.

Im Grenzgebiet zu Syrien sind praktisch nirgendwo mehr irakische Militärkräfte. Der einzige Grenzübergang zwischen dem Irak und Syrien, der noch nicht von Isis kontrolliert wird, wird von den Peschmerga kontrolliert, den Militärkräften der kurdischen Regionalregierung im Nordirak.

Irakische Militärs erklärten, sie versuchten in der von Sunniten bevölkerten Provinz Anbar ein letztes Gefecht zu organisieren, indem sie ihre Truppen in der Stadt Haditha konzentrierten - dem Schauplatz eines der berüchtigtsten amerikanischen Kriegsverbrechen während der Besetzung. Außerdem befindet sich hier der größte Staudamm des Irak, der den Wasserfluss für das Euphrattal kontrolliert, das den Großteil des fruchtbaren Landes im Irak ausmacht.

Die Bedingungen, unter denen der amerikanische Außenminister Bagdad besucht hat, zeigen den prekären Zustand des Maliki-Regimes und seiner amerikanischen Schutzherren. Kerry wurde heimlich ins Stadtzentrum gebracht. Videos zeigen, dass er beim Aussteigen aus seinem Hubschrauber eine Schussweste trägt - eine Szene, die an die letzten Tage des amerikanischen Marionettenregimes in Südvietnam erinnert. Er übernachtete nicht in der irakischen Hauptstadt, sondern flog stattdessen weiter nach Amman in Jordanien, wo die Gefahr von bewaffneten Anschlägen geringer eingeschätzt wird.

Kerry betonte bei seinem Treffen mit Maliki und politischen Beratern angeblich die Notwendigkeit einer politischen Umstrukturierung, in deren Rahmen vermutlich der Premierminister durch einen Schiiten ersetzt würde, der unter den Sunniten weniger verhasst ist. Außerdem müssten sunnitischen Stammes- und politische Führern in die Regierung eingebunden werden. Später traf er sich mit Führern von sunnitischen, kurdischen und schiitischen Parteien, sowohl Verbündete Malikis als auch erbitterte Gegner.

Maliki hat bisher Forderungen nach seinem Rücktritt zurückgewiesen und versucht stattdessen, schiitische religiöse Führer und sektiererische Milizen zu mobilisieren, um den zerfallenden Militärapparat zu stärken. Am Samstag marschierten zehntausende von Mitgliedern der Mahdi-Armee, einer Miliz, die dem schiitischen Geistlichen Moqtada al-Sadr ergeben ist, durch den Osten von Bagdad. Sie waren bewaffnet und zeigten ihre Stärke.

Die USA wäre es am liebsten, für Malikis Absetzung eine Bestimmung der irakischen Verfassung heranzuziehen, die das Parlament dazu verpflichtet, nach den Wahlen am 30. April bis Juli zusammenzukommen und die Bildung einer neuen Regierung zu beginnen. Malikis schiitische Rechtsstaatspartei hatte nur 92 der 325 Sitze gewonnen. Sie ist der größte einzelne Block, benötigt aber Unterstützung durch kurdische, sunnitische oder rivalisierende schiitische Fraktionen, um eine Mehrheit zu erhalten.

Im Jahr 2010 hatte Maliki nach einem ähnlich brüchigen Ergebnis der Parlamentsabstimmung die verfassungsgemäße Vorgabe einfach ignoriert und sich an der Macht gehalten, bis sich seine Rivalen bereit erklärten, eine zweite Amtszeit abzunicken. Diesmal benutzen Washington und Malikis politische Feinde im eigenen Land die verfassungsmäßige Frist als Druckmittel für seine Absetzung.

In der offiziellen Stellungnahme, die die USA nach den Verhandlungen am Montag veröffentlichten, hieß es, Kerry habe "den Einsatz der irakischen Führung für den politischen Prozess und für die verfassungsmäßig erforderlichen Fristen" gelobt. Der oberste schiitische Geistliche, Großajatollah Ali al-Sistani, nickte das Manöver scheinbar gab und veröffentlichte einen Appell, der während des Freitagsgebets verlesen wurde und das Parlament aufforderte, sich an die verfassungsgemäße Frist für die Bildung einer neuen Regierung zu halten.

Wenn die Masche mit der Verfassung scheitert, ist es jedoch durchaus möglich, dass die USA Maliki mit illegalen Methoden entmachten.

Al-Sisi ist seit dem Sturz des gewählten Präsidenten Mohamed Mursi durch das Militär oberster Machthaber. Das US-Außenministerium weigert sich bis heute hartnäckig, den Sturz Mursis als Putsch zu bezeichnen. Das gleiche könnte auch im Irak passieren, wenn sich Maliki quer stellt.

Im Moment ist das irakische Militär jedoch unfähig, auch nur seine eigenen Stützpunkte zu verteidigen, geschweige denn die Regierung zu stürzen. Am Montag erschien in der Washington Post eine vernichtende Reportage mit der Schlagzeile: "Irakischem Militär droht nach Verlusten und Desertion 'psychologischer Kollaps’," der sich auf amerikanische Analysten berief, die andeuteten, dass sich das Militär womöglich völlig auflösen werde.

Derweil hat ein amerikanischer Senator das schmutzige Geheimnis der amerikanischen Politik im Irak und in Syrien bei Auftritten in zwei Talkshows am Sonntagmorgen ausgeplaudert. Der Republikaner Rand Paul aus Kentucky erklärte bei Auftritten in "Meet the Press" auf NBC und "State of the Union" auf CNN, die Krise im Irak sei das Ergebnis der Unterstützung der USA für Isis im Bürgerkrieg in Syrien gegen das Assad-Regime.

Er erklärte auf CNN: "Ich denke, wir müssen zuerst verstehen, wie wir hierhin gekommen sind. Wir haben Isis in Syrien bewaffnet. Es ist so gekommen, weil wir die syrischen Rebellen bewaffnet haben. Wir haben an der Seite von Al Qaida gekämpft, und an der Seite von Isis. Isis ist jetzt stärker und in zwei Ländern aktiv. Aber hier ist die Anomalie. Wir kämpfen in Syrien zusammen mit Isis. Wir stehen auf der gleichen Seite. Diejenigen, die Isis im Irak aufhalten wollen, sind in Syrien mit ihm verbündet. Das ist der wahre Widerspruch hinter der ganzen Politik."

Ferner unterstützte Paul die Politik, die Obama jetzt im Irak verfolgt: d.h. die Entsendung von Spezialkräften zur Vorbereitung von Luftangriffen. Damit demonstriert er, dass beide Parteien, Demokraten und Republikaner, die neuen Verbrechen unterstützen, die der amerikanische Imperialismus vorbereitet.

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