Desintegration des Irak kann Krieg in der gesamten Region auslösen

Der Krieg im Irak zwischen den aufständischen Sunniten unter Führung der Extremisten des Islamischen Staats in Irak und in Syrien (Isis) und der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad hat zu einer vollständigen Desintegration des irakischen Staats geführt. In diesen Krieg werden nicht nur die Vereinigten Staaten sondern unaufhaltsam auch Länder des Nahen Ostens und der gesamten Welt hineingezogen,

Nachdem 300 Mann starke amerikanische Spezialtruppen angeblich im Irak angekommen sind, um das in Bedrängnis geratene irakische Militär zu beraten, weist der irakische Premierminister Nuri al-Maliki die Schuldzuweisungen der Obama Regierung und führender amerikanischer Außenpolitiker zurück, für den Aufstand der Sunniten und für die Tatsache verantwortlich zu sein, dass seine Regierung die Kontrolle über große Gebiete im Norden und Westen des Irak verloren habe. Er weist die Vorwürfe Washingtons zurück, dass sein Regime für die Schikanierung der politischen Parteien der Sunniten verantwortlich sei und stellte sich dem Druck der USA entgegen, als Premierminister zurückzutreten, um die Bildung einer Regierung der „nationalen Einheit“ zu ermöglichen. Stattdessen setzt er weiter auf die Hilfe schiitischer Milizen innerhalb des Irak, der iranischen Schiiten und Russlands.

Malikis große Worte gegen die Obama-Regierung wurden zunehmend erbitterter seit er am Montag mit dem amerikanischen Außenminister John Kerry gesprochen hatte. Am Mittwoch bezeichnete er die Forderungen der USA nach einer Regierung der „nationalen Einheit“ als Pläne für einen „Staatstreich“. Alles deutet darauf hin, dass die schiitischen Fraktionen die Sitzung des irakischen Parlaments vom 1. Juli benutzen wollen, um erneut eine von Schiiten dominierte Regierung unter Maliki oder einer anderen Person zu bilden. Die meisten sunnitischen Politiker werden nicht daran teilnehmen und die Repräsentanten der nationalistischen Kurdenparteien, die die autonome Kurdenregion im Norden des Irak regieren, haben erklärt, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach das Parlament boykottieren werden.

Am Donnerstag verurteilte Maliki in einem Interview mit dem arabischen Sender der BBC die USA, weil sie den Irak nicht mit F-16 Kampfflugzeugen ausgerüstet hätten, die er nach dem Rückzug der USA 2011 gefordert habe. „Ich erkläre ganz offen, dass wir getäuscht wurden, als wir den Vertrag unterzeichneten“, sagte Maliki. „Wir hätten versuchen sollen andere Kampfjets, britische, französische oder russische, zu kaufen, um unseren Truppen die Luftunterstützung zu sichern. Wenn wir Luftunterstützung hätten, hätten wir abwenden können, was jetzt passiert ist.“

Maliki erklärte, dass seine Regierung in der Not kurzfristig Kampfjets von Russland und Weißrussland gekauft habe und dass diese “in zwei oder drei Tagen im Irak eintreffen” würden. Weiter lobte er die Angriffe der syrischen Luftwaffe vom Dienstag, durch die der wichtige irakisch syrische Grenzübergang von Kaim in der Westprovinz Anbar, gehalten werden konnte. Maliki betonte, dass die Angriffe nur auf Ziele auf der syrischen Seite erfolgt seien und dass seine Regierung sie nicht gefordert habe. Aber er stellte fest: „Wie begrüßen diese Aktion. Wir begrüßen jeden Schlag Syriens gegen Isis, weil diese Gruppe es sowohl auf den Irak als auch auf Syrien abgesehen hat… Letztlich werden unsere beiden Länder gewinnen.“

Die extremistischen sunnitischen Kämpfer, die Isis seit Anfang des Jahres in den Irak geschickt hat, hatten sich in Syrien gesammelt und bewaffnet. Sie waren Teil der Kräfte, die die USA, die europäischen Mächte, die Türkei, Saudi Arabien und die Golfstaaten benutzen, um das vom Iran unterstützte Regime von Präsident Bashir al-Assad zu stürzen. Assad hat seine traditionelle Basis in der großen alawitischen Minderheit in Syrien. Isis und andere sunnitische Rebellen haben ihren Aufstand offen mit der Perspektive geführt, die Alawiten von der Macht auszuschließen.

Die Entscheidung der Obama-Regierung am Donnerstag vom Kongress 500 Millionen Dollar zu fordern, um die sogenannten „gemäßigten“ Milizen auszubilden und zu bewaffnen, die Teil der von den Islamisten geführten militärischen Kampagne gegen das Assad-Regime sind, die kann Flammen eines die ganze Region umfassenden Krieges nur weiter anfachen.

Im Irak droht Isis damit, die wichtigen schiitischen Heiligtümer zu zerstören und die schiitische Bevölkerung des Landes zu massakrieren, weil sie das Land in einen islamischen Staat verwandeln wolle, der auch Syrien und den Libanon umfasst.

Am Mittwoch bezeichnete Maliki den Kampf der Isis mit kaum weniger religiösen Kampfbegriffen und beschrieb ihn als „heiligen Krieg gegen den Terror“. Zehntausende schiitische fundamentalistische Milizionäre wurden mobilisiert, um die schiitischen Heiligtümer in Samarra, Bagdad, Nadschaf und Kerbela zu verteidigen und tausende weitere strömen aus Syrien zurück in den Irak, wo sie zusammen mit der syrischen Armee und der libanesischen Hisbollah-Bewegung gekämpft hatten. Die bewaffneten Einheiten des Irak, die im Norden, Westen und Osten von Bagdad gegen die sunnitischen Rebellen aufgestellt wurden, bestehen größtenteils aus Schiiten. Iranische Militärberater aus der Elitetruppe Al-Kuds sollen sich bei diesen Einheiten an der Front befinden.

Die militärische Lage um Samarra, dem Ort eines der größten schiitischen Heiligtümer, der Al-Askari Moschee, deutet auf eine immer umfassendere Intervention des Iran hin. Im Februar 2006, war sie angeblich von sunnitischen Extremisten bombardiert worden, was zu heftigen gewaltsamen konfessionellen Auseinandersetzungen geführt hatte. Der iranische Präsident Hassan Rohani hat öffentlich erklärt, dass der Iran „nicht zögern“ werde, die Heiligtümer zu verteidigen. Die Stadt wird stark verteidigt. In ihren Außenbezirken finden Kämpfe statt. Wenn Samarra an Isis und die sunnitischen Streitkräfte fallen sollte oder der Moschee weiterer Schaden zugefügt würde, wäre ein großangelegter iranischer Militäreinsatz im Irak so gut wie sicher. Die libanesische Hisbollah hat ebenfalls erklärt, dass sie tausende Kämpfer schicken werde, wenn die Heiligtümer bedroht würden.

Überall in der Region droht jetzt die Gefahr eines Krieges. Die sunnitischen Monarchien, die mit dem sunnitischen Aufstand im Irak offen sympathisieren haben die sunnitischen Rebellen in Syrien, darunter auch Isis, bewaffnet und mobilisieren jetzt ihre Streitkräfte.

Jordanien hat Panzer und eine tausende Mann starke Truppen an die Grenze zum Irak verlegt, um sicherzustellen, dass Grenzübergänge nicht in die Hände der Isis Kämpfer fallen. Nach einem Bericht vom Donnerstag der DEBKAfile, einer Webseite des israelischen militärischen Geheimdiensts, bewegen sich saudische Truppen in Richtung der Grenze zum Irak. Nach Kerrys Besuch in Ägypten am letzten Wochenende und seiner Unterstützung für das Putschregime von Abdel Fattah al-Sisi behauptete DEBKAfile, dass ein Sonderkommando der ägyptischen Streitkräfte ebenfalls zur irakisch-saudi-arabischen Grenze geschickt worden sei. Die Webseite geht davon aus, dass die syrischen Luftangriffe in der Nähe von Kaim ein Versuch waren, einen Flugplatz zu zerstören, den Saudi Arabien letzte Woche benutzte, um ganze Flugzeugladungen von Militärgütern für die Versorgung der sunnitischen islamistischen Kämpfer zu liefern, die den irakisch-syrischen Grenzübergang erobert hatten.

Andere Staaten der Region versuchen ebenfalls, die Desintegration des Irak zu benutzen, um ihre eigenen strategischen Interessen zu verfolgen. Einem Bericht von Reuters zufolge erklärte der israelischen Außenminister Avigdor Lieberman dem amerikanischen Außenminister Kerry am Donnerstag in Paris, dass die Loslösung der autonomen kurdischen Regionalregierung vom Irak eine „beschlossene Sache“ sei und dass Israel deren Unabhängigkeitserklärung anerkennen würde.

Seit 2003 hat Israel enge militärische und geheimdienstliche Beziehungen mit führenden Kreisen der Kurden angeknüpft und versucht sie in eine Allianz gegen Iran und Syrien einzubeziehen, in denen jeweils ebenfalls kurdische Minderheiten in strategisch wichtigen Gebieten leben. Israel sieht die irakische Kurdenregion nicht nur als möglichen Anlass für eine Provokation an, sondern auch als möglicherweise lukrative Quelle zu seiner Versorgung mit Erdöl. Jetzt gibt es angeblich bereits Schiffe, die mit Öl aus dem türkischen Hafen Ceyhan ankommen. Am Mittwoch erklärte der ehemalige israelische Präsident Shimon Peres Journalisten in Washington, wo er mit Obama zusammentraf, dass „die Kurden de facto ihren eigenen Staat geschaffen“ hätten und hob die engen Beziehungen hervor, die zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Region bezüglich der Ausbeutung und des Exports des nordirakischen Öls bestünden.

Die Reaktion des US-Imperialismus auf das vollständige Scheitern seiner widersprüchlichen und zusammenhangslosen Außenpolitik im Nahen Osten ist der am wenigsten vorhersehbare Faktor in dieser Lage. Nur etwas ist sicher: Was die USA auch immer tun, wird nur die enorme Zahl der Toten erhöhen, die Zerstörung und das Leiden verschlimmern, die sie seit Jahrzehnten dort angerichtet haben.

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