Grünen-Vorsitzender rechtfertigt Polizeieinsatz gegen Flüchtlinge

In einem taz-Interview hat der Parteivorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, letzte Woche den massiven Polizeieinsatz im Kreuzberger Flüchtlingsdrama als „eindeutig notwendig“ gerechtfertigt und das „staatliche Gewaltmonopol“ verteidigt.

Özdemir stellt sich damit hinter seinen Parteifreund Hans Panhoff, den Baustadtrat des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Panhoff hatte letzten Monat die Polizei zur Gerhart-Hauptmann-Schule gerufen, um mehr als 200 Flüchtlinge, die seit eineinhalb Jahren in dem verlassenen Schulgebäude wohnen, zum Auszug zu zwingen und das Gebäude gegebenenfalls zu räumen. Zuvor hatte die von den Grünen dominierte Bezirksregierung eine gewaltsame Räumung der Schule stets ausgeschlossen.

Während viele Flüchtlinge in neue Unterkünfte zogen, verschanzten sich 40 bis 80 von ihnen auf dem Dach der Schule, um ihre Forderung nach einem unbegrenzten Bleiberecht durchzusetzen Weder der Berliner Senat, eine Koalition aus SPD und CDU, noch die von den Grünen dominierte Bezirksregierung waren bereit, ihnen dieses Recht zu gewähren.

Berlin-Kreuzberg stand eine ganze Woche lang Tag und Nacht unter Polizeibelagerung. Bis zu tausend Polizisten waren im Einsatz. Niemand wurde mehr in das besetzte Haus rein oder raus gelassen (die WSWS berichtete).

Die Polizei zog schließlich ab, ohne die Schule zu räumen, nachdem den Flüchtlingen zugesagt worden war, dass sie vorerst im Haus bleiben können. Ein unbegrenztes Bleiberecht erhielten sie allerdings nicht. Mit dem massiven Polizeiaufmarsch hatten die Grünen ein Exempel statuiert und bewiesen, dass sie entgegen ihren bisherigen Beteuerungen auch mit der Polizei gegen wehrlose Flüchtlinge vorgehen.

Im Interview mit der Sonntagsausgabe der taz rechtfertigt der Parteivorsitzende nun diesen Kurs. Auf die Frage, ob ein derart martialischer Polizeieinsatz wirklich notwendig gewesen sei, antwortet Özdemir: „Eindeutig ja. (…) Die Polizei gehört zu einer Demokratie dazu. Die muss an der Schule dafür sorgen, dass kein rechtsfreier Raum entsteht.“

Politischer Protest sei zwar wichtig, fuhr Özdemir fort, aber die Gefahr bestehe, „dass das Signal gesetzt wird, wenn du Dächer besetzt und mit Selbstmord drohst, dann erreichst du mehr. Das kann nicht die Botschaft sein. (…) Erpressung, Einsatz von Gewalt sind inakzeptabel. Es gibt ein staatliches Gewaltmonopol, das kann nicht durch Kapuzenträger ersetzt werden.“

Mit den Kapuzenträgern waren wohl die Berliner gemeint, die die Flüchtlinge in der ehemaligen Gerhard-Hauptmann-Schule betreuen und unterstützen.

In dem taz-Interview macht Özdemir deutlich, dass er ein Bleiberecht für die Flüchtlinge strikt ablehnt: „Es wäre ungerecht und das falsche Signal, jetzt eine Gruppe aufgrund der aktuellen Situation besonders zu behandeln.“ Er habe zwar „große Sympathien für die Forderung nach einem Bleiberecht. Ich wage nur zu sagen, dass ich nicht sehe, dass Berlins Innensenator Henkel und der Bundesinnenminister sie in absehbarer Zeit erfüllen wird.“

Was die Grünen betrifft, wird dies auch so bleiben, betont Özdemir: „Wir tun alles, was wir können, aber wir sind nicht allein auf der Welt, und wir sind auch nicht allein in Kreuzberg. (…) Selbst wenn wir in Kreuzberg die absolute Mehrheit hätten, wenn wir in Berlin regieren sollten und 2017 im Bund, sage ich schon mal vorsorglich, werden wir auch nicht das Paradies auf Erden ausrufen können.“

Was er nicht sagte, ist, dass die Grünen an der Schaffung der Hölle, aus der die Menschen nach Europa flüchten, tatkräftig mitwirken.

Viele der Flüchtlinge kommen aus Syrien, Libyen und anderen Ländern, in denen die USA und ihre europäischen Verbündeten blutige Bürgerkriege schüren. Die Grünen unterstützen diese Kriege und fordern vehement außenpolitische Einsätze der deutschen Bundeswehr – aus „humanitären Gründen“, wie sie immer betonen. Doch den Menschen, die vor den Folgen dieser Nato-Interventionen flüchten, verweigern sie die Aufnahme in Deutschland.

Özdemir beschwert sich: „Wenn Grüne regieren, gibt es immer die Erwartung, dass sie alle Probleme dieser Welt lösen (…). Aber: Wir haben 50 Millionen Flüchtlinge weltweit (…) Das wird der Bezirk Kreuzberg alleine nicht gestemmt bekommen.“

Özdemir versucht auch, die Flüchtlinge und die Anwohner von Kreuzberg gegeneinander auszuspielen. „Man hat ja nicht nur eine Verantwortung für die Flüchtlinge, sondern auch für die Anwohner“, sagte er. „Das blenden einige aus der selbsternannten Soli-Szene komplett aus.“

Das ist ein übles und durchsichtiges Manöver: Einerseits isolieren die bürgerlichen Politiker die Flüchtlinge künstlich durch Polizeieinsätze und restriktive Bedingungen wie Arbeits- und Reiseverbot, nicht zu reden von den ständig verschärften Asylgesetzen, und andererseits verschanzen sie sich hinter der angeblichen Unduldsamkeit der Bevölkerung, um die Flüchtlinge anzugreifen.

In Wirklichkeit erfahren die Flüchtlinge von den Anwohnern viel Unterstützung und Solidarität, Einige Anwohner hängten Transparente „Wir unterstützen die Flüchtlinge“ aus ihren Fenstern, und andere brachten Essen und Kleidung. Viele Tausende Berliner beteiligen sich an Demonstrationen für ein Bleiberecht in Deutschland.

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