„Genug ist genug!“ – Berliner Demonstration gegen Gaza-Krieg

Als am vergangenen Wochenende die israelische Regierung die militärischen Angriffe auf den Gazastreifen verschärfte, protestierten weltweit wieder Tausende Menschen gegen die Kriegsverbrechen.

In Berlin versammelten sich am Samstag über 500 Menschen am Alexanderplatz und zogen von dort zum Axel-Springer-Haus in Berlin Kreuzberg. Der Axel-Springer-Verlag steht mit seinen Medien (BILD-Zeitung und Die Welt) bei der Verteidigung der israelischen Angriffe an vorderster Front. Hand in Hand mit den Politikern aller Parteien verurteilt der Verlag die Antikriegsdemonstranten als „Antisemiten“.

Wie schon bei den letzten Protesten in Berlin versuchte die Polizei, die Teilnehmer zu Beginn der Kundgebung systematisch einzuschüchtern, indem sie mit mehreren Einsatzwagen anrückte und alle Plakate und Parolen auf angeblich antisemitische Positionen kontrollierte.

Die WSWS sprach mit einigen Demonstranten, von denen viele persönliche Verbindungen zur Gaza-Region oder dem Nahen Osten haben. Sie wiesen die Antisemitismus-Vorwürfe wütend zurück.

Hanan

 

Hanan (34) ist Palästinenserin; sie las aus einem Gedicht vor, das sie selbst geschrieben hat:

„Wir rufen aus ganzer Seele Nein!

Nein zur Unterdrückung,

Nein zum Völkermord,

Nein zur Zerstörung von Falastin!

Die Menschen aus aller Welt erheben ihre Stimme,

gehen auf die Straße und rufen Genug ist Genug!"

Hanan wurde in Berlin geboren, nachdem ihre Eltern aus dem Libanon geflohen waren. „Meine Familie ist schwer von dem Krieg betroffen. Wir hören ständig Nachrichten und können den Fastenmonat Ramadan gar nicht genießen. Am liebsten würde ich meine Sachen packen und dorthin fliegen.“

Sie berichtet über die katastrophale Lage, die im Gazastreifen herrscht: „Die Menschen haben nicht genügend Verpflegung, keine Medizin, keinen Strom. Ich arbeite in Berlin als Erzieherin und frage mich oft, wie ein dreijähriges Kind wohl die Lage dort ertragen kann. Soll sich ein solches Kleinkind Bomben und Leichen anschauen?“ Hanan ist von der Haltung der westlichen Regierungen enttäuscht: „Wenn ich überlege, was damals in der Hitlerzeit vorgefallen ist, hätte ich erwartet, dass man in Deutschland nicht zusieht, wie Kinder regelrecht abgeschlachtet werden.“

Gegen den Vorwurf des Antisemitismus verwehrt sich Hanan entschieden und fordert dazu auf, genauer hinzuschauen. „Wir sind nicht gegen irgendein Volk, auch nicht gegen Israel. Wir sind gegen diesen Massenmord, den die israelische Regierung durchführt. Bei dem Krieg geht es doch vor allem um Macht und Geld. Die Regierung interessiert sich nicht für das Volk auf der einen oder anderen Seite.“ Deshalb sei es so wichtig, dass die Bevölkerung aller Länder zusammenarbeite. Hanan stimmte der Perspektive der WSWS zu, dass die israelischen und palästinensischen Arbeiter gemeinsam gegen den Krieg kämpfen müssen.

Empört über die Medienkampagne gegen die Antikriegsbewegung erklärt eine 27-jährige Studentin: „Es geht hier nicht um Antisemitismus. Hinter diesem Vorwand will man sich verstecken. Vor allem die Presse verbreitet diese Propaganda, obwohl auch Juden gegen den Krieg demonstrieren. Wir sind nicht gegen die Juden, sondern gegen die zionistische Regierung.“

Plakat von Frau Cimen

Frau Cimen stammt aus der Türkei und studiert in Berlin Mathe und Chemie. Sie halt ein Plakat hoch: „You don’t need to be a Muslim to stand up for Gaza. You just need to be human.“ Für sie ist der Beschuss von Gaza ein Menschheitsverbrechen. „In Gaza werden Schulen und Krankenhäuser bombardiert, und nichts passiert. Die UNO macht nichts, und die Regierungen, vor allem in den USA und in Deutschland, unterstützen Israels Krieg.“

Unter den Menschen, die am Alexanderplatz demonstrieren, sind viele junge Menschen, Teenager und Kinder. „Wir könnten an der Stelle der Opfer sein! Deswegen sind wir heute hier“, sagt die Schülerin Nadwa (16), die mit ihrer Freundin Nadja (15) zur Kundgebung gekommen ist. Beide sind Palästinenserinnen, und um sie scharen sich weitere Jugendliche. „In Gaza sterben unschuldige Kinder. Das ist eigentlich kein richtiger Krieg, sondern ein Völkermord.“

Nadwa glaubt, dass versucht wird, die Demonstrationen zu unterdrücken. „Die Demos sollen nicht stattfinden. Deshalb wird der Vorwurf des Antisemitismus verbreitet. Die Medien berichten immer ausführlich über israelische Tote, obwohl Tausende Kinder und Babys in Palästina sterben.“ Die Mädchen verurteilen die Position der deutschen Regierung. „Ich glaube aber nicht, dass die deutsche Bevölkerung hinter der Regierung steht. Bei teuren Rüstungsplänen wird die eigene Bevölkerung doch gar nicht gefragt“, fügt Nadwa hinzu.

Momo

 

Neben dem Rednerwagen steht Momo (28), ein Trockenbauarbeiter, der mit seiner Familie aus dem Gazastreifen floh, als er fünf Jahre alt war. Er ist heute mit seinen Eltern gekommen. Neben ihm liegen einige schwarze Kästen. Sie symbolisieren Särge von kleinen Kindern, die im Gazakrieg starben. „Haniyeh Abderrhman Abu Jarad. 2 Jahre. Von israelischen Soldaten in Gaza getötet“, steht auf einem Sargkasten.

Ein symbolischer Sargkasten

 

Momo hat selbst Verwandte in Gaza, aber der Kontakt zu ihnen ist abgebrochen. Er ist überzeugt, dass die Verbrechen nicht im Interesse der israelischen Arbeiter sind. „Es gibt sehr viele Israeli, die gegen den Krieg sind, bestimmt über sechzig Prozent.“

Es sei aber “schwierig, gegen den Krieg zu kämpfen. Israel wird von allen Mächten und Medien unterstützt. Alles, was wir machen können, ist demonstrieren“, sagt Momo und spricht damit eine weit verbreitete Stimmung auf der Demonstration aus. Die Solidarität mit den Menschen in Gaza ist ebenso groß wie die Enttäuschung über die arabischen Regime im Nahen Osten und die Regierungen in Europa und Amerika.

Unterstützer der Partei für Soziale Gleichheit, die den Aufruf der WSWS „Die Kriegsverbrechen im Gazastreifen und der Bankrott des Nationalismus“ auf der Demonstration verteilten, erklärten in zahlreichen Diskussionen, dass ein Kampf gegen den Völkermord in Gaza nur auf der Grundlage der Einheit der Arbeiterklasse im Nahen Osten und weltweit gegen die kapitalistischen Regierungen möglich ist.

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