Der amerikanische Imperialismus und der Aufstieg des islamischen Extremismus in Syrien und im Irak

Nur ein Jahr nachdem die Obama-Regierung angesichts des Widerstands der Bevölkerung in den USA und Großbritannien von ihren Plänen abgerückt war, einen Luftkrieg gegen Syrien zu führen, ist der Islamische Staat im Irak und Syrien (Isis) passenderweise als neuer Vorwand für den Beginn eines offenen imperialistischen Angriffs im Nahen Osten aufgetaucht.

US-Präsident Barack Obama wird am Mittwoch in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache einen uneingeschränkten Krieg ankündigen, angeblich gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien. Die Regierung hat bereits Luftangriffe im Irak begonnen und wieder Truppen in das Land geschickt. Dies soll massiv ausgeweitet werden.

Letztes Jahr sollte der angebliche Chemiewaffenangriff auf Ghuta als Vorwand für einen Krieg gegen Syrien herhalten. Die Behauptungen der imperialistischen Mächte, die Assad-Regierung sei für diesen Angriff verantwortlich gewesen, wurde später als kalkulierter Betrug entlarvt, unter anderem durch einen Bericht des Journalisten Seymour Hersh, der von den amerikanischen Medien totgeschwiegen wurde.

Zwar ist das angebliche Ziel der erweiterten Kriegspläne im Nahen Osten jetzt die Isis, aber hinter den Kulissen versucht die amerikanische herrschende Klasse die Krise um Isis, zu nutzen, um den "Krieg gegen den Terror" neu aufzulegen und ein Vorgehen gegen die Assad-Regierung vorzubereiten - und zu beenden, was sie begonnen hat. Assad war bisher ein enger Verbündeter des Iran und Russlands. Letzteres ist seit dem rechten Putsch in der Ukraine, den die USA und Deutschland unterstützt haben, Ziel eskalierender Kriegstreiberei.

Dass die USA weiterhin gegen Assad arbeiten, beweisen zahlreiche Artikel von Denkfabriken und Außenpolitikzeitschriften. Einer davon, der in der jüngsten Ausgabe von Foreign Affairs erschien, wurde von dem ehemaligen CIA-Analysten und führenden Strategen der Demokratischen Partei Kenneth M. Pollock geschrieben, einem ranghohen Mitarbeiter der Brookings Institution. Pollock fordert die USA auf, die aktuellen Oppositionskräfte in Syrien in massivem Umfang zu bewaffnen und zu einer Armee zu formen, die in der Lage ist, Isis zu besiegen, das Assad-Regime zu stürzen und eine proamerikanische Militärdiktatur zu errichten.

In diesem Kontext sind die brutalen Enthauptungen der amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotloff durch Isis zumindest zeitlich gut abgestimmte Vorwände für den US-Imperialismus.

Die Isis und die Kampagne gegen Syrien

Die Isis ist keine unerklärbare Kraft des "Bösen" oder ein "Krebsgeschwür," wie die amerikanische Regierung und Medien glauben machen wollen. Der Erfolg von Isis und anderer islamisch-extremistischer Gruppen in Syrien und dem Irak ist das Produkt der amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten.

Das Verhältnis der amerikanischen Regierung zum Isis folgt einem traditionellen Muster, genau wie ihr Verhältnis zu Al-Qaida und Osama Bin Laden. Genau wie Al-Qaida ist Isis das Produkt einer amerikanischen Intervention – das erstere entwickelte sich in Afghanistan im Rahmen eines Stellvertreterkrieges gegen die Sowjetunion in den 1980ern, das letztere entwickelte sich in Syrien und dem Irak. Bei ihren Versuchen, den Nahen Osten und Zentralasien zu kontrollieren, hat sich die amerikanische herrschende Klasse stets auf die rückständigsten, reaktionärsten Elemente verlassen.

Die USA, die europäischen Großmächte und ihre regionalen Verbündeten, wie Saudi-Arabien und Katar haben den Assad-Gegnern in Syrien allesamt große militärische, politische und finanzielle Unterstützung zukommen lassen, von der die Isis und andere extremistische Gruppierungen profitiert haben.

Die USA haben unter George W. Bush und unter Obama die syrischen Oppositionskräfte finanziert, ihr Ziel war der Sturz des Assad-Regimes. Ein bedeutsames Ergebnis der Strategie zur Destabilisierung Syriens war die Stärkung sunnitisch extremistischer Organisationen wie der Isis.

Von WikiLeaks veröffentlichte amerikanische Telegramme enthüllten, dass das US-Außenministerium von 2006 bis 2010 eine islamistische Gruppe namens Bewegung für Gerechtigkeit und Entwicklung (MJD), die von syrischen Exilanten in London gegründet wurde, mit sechs Millionen Dollar finanziert hatte. Die MJD hatte mit dem Geld den Satellitensender Barada TV und Aktivitäten in Syrien finanziert.

In einem diplomatischen Telegramm vom Dezember 2006 wurden Pläne des Außenministeriums beschrieben, das Assad-Regime zu isolieren und Syrien zu destabilisieren, unter anderem durch die Förderung des ehemaligen syrischen Vizepräsidenten Abdul Halim Khaddam und seiner Nationalen Heilsfront.

Mit Beginn der Kampfhandlungen in Syrien im Jahr 2011 begann die CIA eine große Waffenschmuggel- und Ausbildungsoperation unter dem Deckmantel der Lieferung nichttödlicher Hilfsmittel für die sogenannten Gemäßigten in der Freien Syrischen Armee (FSA).

An der verdeckten CIA-Operation waren Saudi-Arabien, Katar und die Türkei beteiligt, die Waffen kauften, welche danach über die türkische Grenze in den Norden Syriens geschmuggelt und über Mittelsmänner verteilt wurden, zu denen auch die syrische Moslembruderschaft gehörte. Waffenlieferungen wurden nachweislich unter anderem von Libyen, Kroatien und dem Sudan aus nach Syrien geschmuggelt.

Durch diese Intervention der CIA wurde Syrien mit automatischen Gewehren, Raketenwerfern und Millionen Schuss Munition,panzerbrechenden Waffen und Flugabwehrraketen überschwemmt.

Laut C.J. Chivers, der für die New York Times schreibt, wurden mit hunderten militärischen Frachtflügen von Saudi-Arabien über Jordanien und die Türkei von November 2012 bis März 2013 mindestens 3.500 Tonnen militärische Ausrüstung über Verteilernetzwerke nach Syrien geliefert, die von der CIA aufgebaut und kontrolliert wurden.

Seymour Hersh beschrieb im April 2014 im London Review of Books den Betrieb der "Rattenlinie“, über die die CIA Kämpfer und Waffen aus Libyen nach Syrien gebracht hatte.

Laut Hersh wurde die Operation vom damaligen CIA-Direktor David Petraeus organisiert, das US-Konsulat in Bengasi, das am 11. September 2012 Ziel eines Anschlages war, wurde als Umschlagplatz für den Transport von Waffen benutzt.

Laut Hersh wurde die CIA-Operation offiziell von britischen MI6-Agenten finanziert. Pensionierte US-Soldaten wurden von Tarnfirmen eingestellt, um die Waffen zu kaufen, und nach Syrien zu transportieren. Die CIA beendete die Operation nach dem Anschlag auf das Konsulat von Bengasi, doch es strömen weiterhin Waffen und Kämpfer nach Syrien.

Ein Großteil der Waffen, die offiziell für die Rebellen der FSA bestimmt waren, gelangten schließlich in die Hände der Isis und anderer islamischer Fundamentalisten, darunter der al Nusra-Front, ein syrischer Verbündeter von Al Qaida.

Laut einem Artikel von David Sanger in der New York Times wussten amerikanische Regierungsvertreter und Diplomaten im Nahen Osten, dass ein Großteil der Waffen, die im Verlauf des Jahres 2012 nach Syrien geschmuggelt wurden, in die Hände von radikalen islamistischen Dschihadisten gerieten. Dennoch wurden weiterhin Waffen nach Syrien geliefert und Rebellenkämpfer ausgebildet.

Eine große Lieferung von Waffen, die im Februar 2013 von Kroatien nach Syrien geschmuggelt wurde, geriet in die Hände der Isis-Kämpfer und anderer Gruppen, darunter Ahrar al-Sham. Isis-Kämpfer setzten bei Kämpfen in der irakischen Provinz Anbar eine kroatische Panzerabwehrwaffe vom Typ M79 Osa gegen irakische Truppen ein. Isis-Kämpfer wurden außerdem bei Kämpfen im Irak mit einem kroatischen Granatwerfer vom Typ RBG-6 fotografiert.

Nur kurz hinter der syrischen Grenze in Jordanien und der Türkei waren die CIA und das US-Militär außerdem an der Ausbildung von hunderten von syrischen Rebellen beteiligt. Die New York Times berichtete letztes Jahr in einem Artikel, eine fünfzig Mann starke Einheit, die in Jordanien von der CIA ausgebildet wurde, sei im September 2013 nach Syrien aufgebrochen.

Die Versuche des amerikanischen Imperialismus, einen deutlichen Unterschied zwischen der FSA, die sie offen unterstützt, und Gruppen wie der Isis zu ziehen, sind ein politischer Betrug.

Während des Konfliktes in Syrien liefen tausende von Kämpfern der FSA zur al Nusra-Front über, ganze Brigaden schworen dem Al Qaida-Verbündeten die Treue. Al Nusra-Einheiten und FSA-Brigaden haben mehrfach gemeinsame Angriffe auf Assads Truppen durchgeführt.

Ende letzten Jahres schwor ein Kommandant des Obersten Militärrates der Freien Syrische Armee namens Saddam al-Jamal der Isis die Treue. Anfang des Jahres versuchten al Nusra und die Isis vergeblich, die Stadt Yabrud gemeinsam gegen einen Angriff des syrischen Militärs zu verteidigen.

Die Verbindungen von Baghdadi und Shishani zu den USA

Genau wie Al-Qaida haben viele der Beteiligten an der Organisation eine unklare Vergangenheit, wie z.B. Beziehungen zu den USA und ihren wichtigsten Verbündeten.

Mehrere Medienberichte über Abu Bakr al-Baghdadi, den aktuellen Führer der Isis, der im Jahr 2010 in die Führung aufgestiegen war, haben enthüllt, dass er zuvor Kontakte zu amerikanischen Behörden hatte.

Diese Episode in Baghdadis Geschichte wurde in den Mainstreammedien größtenteils verharmlost, da sie es vorziehen, ihn als unheilvolle Figur mit unbekannter Vergangenheit darzustellen. Es ist wahrscheinlich, dass Baghdadis Zeit im Gefängnis eine wichtige Rolle bei seinem schnellen Aufstieg zum Chef der Organisation gespielt hat.

Laut dem US-Verteidigungsministerium wurde Baghdadi im Februar 2004 vom amerikanischen Militär verhaftet und als ziviler Häftling bis Dezember 2004 in dem berüchtigten Camp Bucca festgehalten, danach wurde er bedingungslos freigelassen. Der ehemalige Kommandant von Camp Bucca, Colonel Kenneth King, sagte dem Daily Beast jedoch, Baghdadi sei erst im Jahr 2009 aus amerikanischem Gewahrsam entlassen worden.

Baghdadi wurde im Mai 2010 zum Führer der Vorgängerorganisation der Isis ernannt, dem Islamischen Staat im Irak. Kurz davor waren die vorherigen Führer der Organisation, Abu Omar al-Baghdadi und Abu Ayyub al-Masri bei einer gemeinsamen Militäraktion amerikanischer und irakischer Truppen bei Tikrit getötet worden.

Eine weitere Person, die vorher Beziehungen zu den USA und ihren Verbündeten hatte, ist Tarkhan Batiraschwili, auch bekannt als Abu Omar al-Shishani, ein ethnischer Tschetschene aus Georgien, der im Sommer 2013 Kommandant des nördlichen Sektors der Isis in Syrien wurde.

Gordon Hahn vom Center for Strategic and International Studies erklärte am letzten Freitag in einem Interview mit NPR, Shishani habe sich zur georgischen Armee gemeldet, sich zum Experten für verschiedene Waffen entwickelt und sei von den USA ausgebildet und ausgerüstet worden, um das georgische Militär in Aufstandsbekämpfung und Antiterror-Taktiken auszubilden.

Nachdem er das georgische Militär verlassen hatte, wurde Shishani verhaftet, weil er illegal Waffen gelagert hatte und verbrachte drei Jahre im Gefängnis. Danach reiste er in die Türkei und schloss sich einer islamischen Fundamentalistengruppe an, die in Syrien kämpfte.

Die Beziehung zwischen amerikanischen Geheimdiensten und tschetschenischen Nationalisten und islamistischen Organisationen besteht schon lange. Hahn schrieb: "Viele... in Washington... neigen dazu, den dschihadistischen [islamisch-fundamentalistischen]Charakter des Kaukasus-Emirates [einer separatistischen Organisation in Tschetschenien] zu ignorieren. In Washington gibt es bestimmte Elemente, die versuchen, den Kampf der Tschetschenen und das Kaukasus-Emirat als gemäßigter darzustellen als es ist, in der Hoffnung, dass die Vereinigten Staaten es vielleicht eines Tages gegen Russland unterstützen werden."

Man sollte sich ins Gedächtnis rufen, dass Tamerlan Zarnajew, einer der Verdächtigen des Bombenanschlags auf den Boston Marathon im Jahr 2013, ebenfalls Tschetschene war und Beziehungen zu amerikanischen Geheimdiensten hatte. Zarnajews Mutter und seine Anwälte behaupten, das FBI wollte Zarnajew für antirussische Operationen in Tschetschenien unter Führung von islamistischen Kräften anwerben.

Egal welchen Charakter die Beziehungen zwischen den USA und der Führung der Isis im Einzelnen haben, die Verantwortung für den Aufstieg der Organisation und für die Verbrechen, die sie seither begangen hat, liegt eindeutig beim amerikanischen und europäischen Imperialismus. Die imperialistischen Mächte haben bei ihrer Kampagne zum Sturz Assads aktiv daran gearbeitet, Syrien zu destabilisieren, indem sie Waffen, Geld und Ausbildung geliefert haben, von denen sunnitische fundamentalistische Elemente profitiert haben, und damit einen passenden Vorwand für die weitere Eskalation der Militärinterventionen in der Region geschaffen.

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