Obama trifft sich mit Anti-Isis-"Koalition" - Spannungen zwischen USA und Türkei nehmen zu

Präsident Barack Obama traf sich am Dienstag mit Verteidigungschefs von über zwanzig Ländern, die zusammen eine internationale Koalition zum Kampf gegen den Islamischen Staat im Irak und in Syrien in einem neuen amerikanischen Krieg im Nahen Osten bilden, der ohne die Zustimmung der Vereinten Nationen oder des amerikanischen Kongresses begonnen wurde.

Vertreter des Weißen Hauses und des Pentagon erklärten vor dem Treffen, man erwarte von den Teilnehmern keine neuen Entscheidungen oder Verpflichtungen. "Es geht darum, sich zu treffen, um über die Vision, die Herausforderungen, den Weg nach vorne zu diskutieren“, erklärte ein Sprecher für General Martin Dempsey, den Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, der den Vorsitz der Versammlung inne hatte.

Alistair Blakely, ein Sprecher des amerikanischen nationalen Sicherheitsrates, äußerte sich ähnlich: er beschrieb das Treffen als "eine Gelegenheit zur Bestandsaufnahme der Fortschritte der Koalition bisher und wie sie weiter die einzigartigen Fähigkeiten der Koalitionspartnern einpassen und integrieren kann."

Obama selbst gab in den Medien einen unverbindlichen Kommentar ab, nachdem er von dem Treffen auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt wenige Kilometer außerhalb von Washington zurückgekehrt war. "Es wird ein langfristiger Feldzug“, erklärte er. "Es wird Zeiten des Fortschritts geben, aber auch Rückschläge."

Letztere waren in den letzten Tagen deutlich häufiger, da eine ziemlich begrenzte Anzahl von amerikanischen Luftangriffen die Isis-Kämpfer in Syrien nicht hindern konnte, die vorwiegend von Kurden bewohnte Stadt Kobane an der türkischen Grenze einzunehmen, während ihre Mitstreiter im Irak fast die gesammte vorwiegend sunnitische Provinz Anbar einnehmen und die Vororte und den Flughafen von Bagdad bedrohen konnten.

Washington konnte die Tatsache nicht verbergen, dass es in den Tagen vor dem überhöhten Fototermin auf der Andrews Air Force Base zu offenen und erbitterten Streitigkeiten zwischen der Obama-Regierung und ihrem wichtigsten regionale Verbündeten, der Türkei, gekommen war.

Obamas nationale Sicherheitsberaterin Susan Rica kündigte am Sonntag an, Ankara habe Forderungen der USA zugestimmt, den südtürkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik benutzen zu dürfen, wo etwa 5.000 US-Soldaten stationiert sind, um Luftschläge im Irak und in Syrien durchzuführen.

Innerhalb von 24 Stunden dementierten türkische Regierungsvertreter ausdrücklich, dass ein solches Abkommen erreicht wurde. Sie fügten hinzu, selbst der Vorschlag, die Türkei solle sich an der Bewaffnung und Ausbildung von "gemäßigten" syrischen "Rebellen" beteiligen, um sie als Bodentruppen gegen Isis und früher oder später gegen die syrische Regierung von Baschar al-Assad einzusetzen, müsse noch abgeschlossen werden. Tatsächlich hat die Türkei zusammen mit einem CIA-Stützpunkt nahe der syrischen Grenze, den "Rebellen", darunter auch Elementen wie Isis und der mit al-Qaida verbündeten al Nusra-Front, seit Beginn des bewaffneten Aufstandes in Syrien vor drei Jahren Hilfe und Zuflucht gegeben.

Die Obama-Regierung gab das Abkommen, das Ankara abgelehnt hat, scheinbar mit der Absicht bekannt, internationale Unterstützung für ihre imperialistische Intervention in der Region zu demonstrieren. Stattdessen hat sie den genau gegenteiligen Effekt erzielt.

Es zeigen sich die widersprüchlichen und rivalisierenden Interessen der diversen Elemente, aus denen Obamas angebliche Koalition besteht, darunter die Türkei, die despotischen sunnitischen Monarchien in den Golfstaaten, Frankreich, Deutschland, das eine direkte Militäraktion ablehnt), ein paar kleinere europäische Mächte und Washingtons engste Verbündete Kanada und Australien.

Sowohl Washington als auch die Türkei unterstützen den Krieg zum Regimewechsel in Syrien, aus dem sich Isis als stärkste bewaffnete regierungsfeindliche Gruppe unter zahlreichen größtenteils sunnitischen Milizen entwickelt hat. Die Obama-Regierung benutzt den Feldzug gegen Isis zwar, um die amerikanische Hegemonie in der Region durch einen Regimewechsel in Damaskus durchzusetzen, ist sich aber mit der Türkei uneinig bezüglich der Taktik und den Details des Feldzuges.

Dir türkische Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Washington aufgefordert, der Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien und einer Pufferzone innerhalb des syrischen Staatsgebietes als Vorbedingungen für ihre Teilnahme an dem Krieg der USA zuzustimmen. Das Ziel dieser Vorschläge ist vor allem die Zerstörung der autonomen Region der syrischen Kurden an der Grenze zur Türkei. Die syrischen Kurden sind mit der PKK, der kurdischen nationalistischen Bewegung in der Türkei verbündet. Außerdem will die Türkei, dass der amerikanische Krieg möglichst schnell darauf ausgerichtet wird, die Assad-Regierung zu stürzen.

Washington betont, es werde sich zuerst auf den Irak konzentrieren. Das Hauptziel seiner Intervention sei es, die Isis-Kräfte im Irak zu "schwächen" und zu "zerstören". Das US-Militär hat seine begrenzten Operationen in Syrien mit Genehmigung des Assad-Regimes durchgeführt, obwohl es weiterhin erklärt, die Regierung in Damaskus sei "nicht rechtmäßig."

Erdogan zeigte am Montag, wie tief die Unstimmigkeiten sind, als er türkische Kampfflugzeuge Luftschläge nicht gegen Isis in Syrien, sondern gegen die PKK führen ließ, deren Kämpfer, zusammen mit irakischen und syrischen Kurdenmilizen die einzigen Bodentruppen sind, die den Vormarsch von Isis in diesen Ländern bisher aufgehalten haben. Im Irak haben sie in stillschweigender Koordination mit amerikanischen "Militärberatern" zusammengearbeitet, obwohl sie vom Außenministerium als ausländische Terrororganisation beurteilt werden.

Die Türkei behauptete, die Luftangriffe in der Südosttürkei seien eine Vergeltungsaktion für PKK-Anschläge auf türkische Militärbasen, was die PKK selbst leugnete. Vor den Angriffen, den ersten seit fast zwei Jahren Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der PKK, war es zu einer Reihe von gewaltsamen Demonstrationen in der ganzen Türkei gekommen, bei denen 35 Menschen ums Leben kamen; kurdische Türken, etwa ein Fünftel der Bevölkerung, waren auf die Straße gegangen, um gegen Ankaras Blockade der belagerten Stadt Kobane zu protestieren.

Die türkische Presse berichtete diese Woche, türkische Truppen hätten nicht nur kurdische Kämpfer, Waffen- und Munitionslieferungen daran gehindert Kobane zu erreichen, sondern auch verwundeten kurdischen Kämpfern aus der Stadt den Zugang ins Land verwehrt, sodass sie an der Grenze verbluten.

Die jüngsten Luftangriffe drohen, die Friedensverhandlungen zwischen Ankara und der PKK zum Scheitern zu bringen und einen Bürgerkrieg wieder zu entfachen, der in drei Jahrzehnten etwa 40.000 Todesopfer gefordert hat.

Erdogan erklärte im Montag in einer Rede an der Marmara-Universität in Istanbul außerdem, die größte Gefahr, die der Türkei drohe, sei, dass "ein neuer Lawrence von Arabien" die Region destabilisiere. Die Anspielung bezog sich auf den britischen Offizier T.E. Lawrence, der geholfen hatte, einen arabischen Aufstand gegen das Osmanische Reich zu organisieren - das damals im Ersten Weltkrieg mit Deutschland verbündet war.

Erdogan teilte gegen die PKK, Journalisten und politische Rivalen aus, erwähnte Isis jedoch nicht. Stattdessen warnte er, diese Kräfte würden "Sykes-Picot-Abkommen aushandeln und sich hinter der Pressefreiheit verbergen, oder einem Unabhängigkeitskrieg oder einem Dschihad."

Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 zerteilte die ehemaligen arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches - unter anderem den Irak und Syrien sowie den Libanon, Jordanien und Palästina - in Kolonien des britischen und französischen Imperialismus. Das Abkommen schaffte die künstlichen Grenzen für die von den Imperialisten durchgesetzten Spaltung der Region in separate Nationalstaaten. Dieses System befindet sich unter dem kombinierten Gewicht seiner eigenen inneren Widersprüche und der unablässigen räuberischen imperialistischen Interventionen in einem fortgeschrittenen Zustand des Zusammenbruchs.

Erdogan erklärte: "Jeder Konflikt in dieser Region hat seine Ursprünge vor über einem Jahrhundert. Es ist unsere Pflicht, das zu beenden."

Die Aufteilung, die Erdogan am meisten fürchtet, ist die Entstehung eines unabhängigen Kurdistan. Deshalb versucht sein Regime, Kobane abzuriegeln und Isis zu erlauben, die kurdischen Verteidiger niederzuschlagen. Seine reaktionäre Antwort scheint das Revival der türkischen Hegemonie über die Region zu sein, beginnend mit der Einsetzung eines sunnitischen Regimes in Damaskus.

Der stellvertretende iranische Außenminister für arabische und afrikanische Angelegenheiten Hossein Amir-Abdollahian verurteilite diese Strategie letzte Woche und warf der Erdogan-Regierung vor, sie betreibe eine Politik des "Neo-Osmanismus" im Nahen Osten und versicherte, Teheran werde nicht zulassen, dass die syrische Regierung, sein einziger arabischer Verbündeter, von ausländischen Mächten gestürzt werde. Er erklärte auch, der Iran werde versuchen, den Kurden in Kobane zu helfen. Das könnte eine mögliche Vorbereitung für Irans Unterstützung für einen neuen kurdischen Aufstand in der Türkei selbst sein.

Der Krieg unter Führung der USA hat zwar weder im Irak noch in Syrien bisher zu nennenswerten Vorstößen gegen Isis geführt, allerdings schafft er bereits scharfe Spannungen, die in einen Konflikt eskalieren können, der die ganze Region - und weitere Länder - in Mitleidenschaft ziehen würde.

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